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Wirtschaft im Südwesten

1 | 2018

8

titel

nehmen mit der neuen Technologie auch individu-

alisierte Implantate her, die neben den technischen

Herausforderungen die strengen Auflagen für Medi-

zinprodukte bewältigen müssen. Die heute mehr als 20

Drucker stehen in den Produktionshallen in Mühlheim

an der Donau, Tuttlingen und Freiburg – grau-weiße

Kästen mit Steuerungsbildschirmen, manche erinnern

an Kaffee- oder Getränkeautomaten. Hinter grün ge-

tönten Schutzscheiben kann man erkennen, wie Laser

blitzend über dünne Schichten aus Titanpulver jagen.

„Wir haben Kooperationen mit praktisch allen großen

Herstellern“, sagt Reinauer. Das Unternehmen ist an

Forschungsprojekten beteiligt, die das Bundesfor-

schungsministerium (BMBF) finanziert; die Techniker

experimentieren mit druckfähigen Materialien wie etwa

Polymeren, die sich im Körper nach und nach auflö-

sen, oder Keramik. Sie entwickeln Software weiter und

verkleinern in den Druckern die Bauräume, um teures

Pulver zu sparen. „Wir haben Millionen investiert“, sagt

der geschäftsführende Gesellschafter Christian Leibin-

ger. „Am Anfang war es mehr ein Forschen, da waren

wir schon etwas ungeduldig – aber dann ging es ganz

schnell.“ Heute mache das Familienunternehmen mit

1.200 Mitarbeitern bereits knapp zehn Prozent seines

Umsatzes mit 3D-Druck, Tendenz steigend: „Das ist die

absolute Zukunft im Implantatbereich“, sagt Leibinger.

S

eit Januar 2017 fördert das BMBF auch das Pro-

jekt „Medizintechnik International und Digital

(MinD)“ der Tuttlinger Clusterinitiative Medical

Mountains. Ziel sind internationale Kooperationen von

kleinen und mittleren Unternehmen aus der Region zum

Thema 3D-Druck. Jenseits der Medizintechnik werde

3D-Druck von den Unternehmen in der Region insge-

samt „noch verhalten genutzt“, sagt Sebastian Wieken-

berg, Referent Innovation und Technologie bei der IHK

Südlicher Oberrhein – aber das Interesse wachse. Der

erste 3D-Drucker sei schon 1984 entstanden, doch

gerade jetzt bekomme das Thema viel Aufmerksam-

keit. Dafür sorgten sowohl die inzwischen nur noch

wenige hundert Euro teuren Geräte für zuhause, als

auch die industriellen Neuerungen. „Die Technolo-

gie ist noch nicht am Ende der Entwicklung und wird

immer interessanter – auch für kleinere und mittlere

Unternehmen“, sagt Wiekenberg. Diese sollten vor

einer Anschaffung aber genau überlegen, wofür und

wie oft sie einen 3D-Drucker einsetzen wollen, wel-

ches technische Verfahren dafür sinnvoll ist und wie

viel Arbeit in Einrichtung und Nachbearbeitung steckt

– zumal industrielle Systeme deutlich fünfstellige Be-

träge kosten, so Wiekenberg. Auch die entsprechende

CAD-Software sei wichtig, ergänzt sein Kollege Philipp

Klemenz, schließlich brauche der Drucker eine digi-

tale 3D-Vorlage. Für Prototypen und Kleinstserien,

da sind sich die beiden IHK-Berater einig, könne ein

3D-Drucker in vielen Unternehmen Sinn ergeben.

Auch Sunita Patel, Geschäftsführerin des Bereichs

Innovation bei der IHK Hochrhein-Bodensee, sieht

viel Potenzial. Die IHK wolle 2018 einen Schwerpunkt

auf Digitalisierung legen und über Chancen der 3D-

Technologie informieren.

W

ir drucken Prototypen aus dem wertvollen

Kunststoff ABS“, sagt Klaus-Peter Grasse,

„die funktionieren wirklich und fallen nicht

gleich auseinander, wenn man sich mal draufsetzt.“ Das

ist wichtig – der Ingenieur ist Leiter der Produktent-

wicklung beim Büromöbelhersteller Sedus Stoll (siehe

auch Seite 40). Das Unternehmen mit Sitz in Waldshut

machte 2016 einen Umsatz von 188 Millionen Euro und

beschäftigt rund 900 Mitarbeiter. Die Entwicklungsab-

teilung arbeitet im benachbarten Dogern. Im Unter-

geschoss liegen die Werkstätten, im Stock darüber

sitzen Designer an Computern, auf ihren Bildschir-

men drehen sie 3D-Modelle eines neuen Bürostuhls.

In einer kleinen Kammer neben ihrer Teeküche steht

der hauseigene 3D-Drucker, er arbeitet mit „Fused

Deposition Modeling“, einem Verfahren, bei dem ein

drahtförmiger Kunststoff verflüssigt und Schicht für

Schicht aufgetragen wird. Alle Konstrukteure können

ihre Daten direkt auf den Drucker schicken.

„Wenn ein Entwurf fertig ist, drucken wir ein Modell im

Maßstab eins zu fünf“, erklärt Grasse und hält einen

kleinen Stuhl komplett aus Kunststoff in der Hand.

„Das schauen wir uns dann an – so bekommen wir

einfach ein besseres Gefühl für die Proportionen als am

flachen Bildschirm.“ Für spätere Eins-zu-eins-Design-

Frank Reinauer von KLS

Martin erklärt anhand von

gedruckten 3D-Modellen,

wie sein Unternehmen die

neue Technologie nutzt.

»So bekommen

wir ein besseres

Gefühl für die

Proportionen

als am flachen

Bildschirm«

Bild: Goebel