Wirtschaft im Südwesten
7+8 | 2017
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Birte Hackenjos. 1993 übernahm der damalige Fachver-
lag für Recht und Steuern das Softwarehaus Lexware;
heute erwirtschaftet Haufe nach eigenen Angaben 95
Prozent des Umsatzes mit digitalen Produkten wie zum
Beispiel Onlinediensten für HR-Manager, Onlinelösun-
gen zur Buchhaltung für Selbstständige oder Internet-
portalen für Steuerexperten. Gedrucktes sei nur noch
eine „mediale Ergänzung“ des Angebots.
„Die Haufe-Gruppe hat die Digitalisierung immer als
Chance verstanden“, sagt Hackenjos. Auslöser des
Wandels sei die frühe Erkenntnis gewesen, dass das
traditionelle Geschäftsmodell mittelfristig wegbre-
chen werde. Der Fachverlag war unter anderem mit
dem Loseblattwerk „Das Personal-Büro in Recht und
Praxis“ bekannt geworden. Schon zu einer Zeit, als die
alten Strukturen noch gut funktionierten, habe man
neue, digitale Hilfsmittel für die Kunden ins Rennen
gebracht und damit den Nerv der Zeit getroffen: „Das
Unternehmen musste sich quasi selbst kannibalisieren,
bevor andere es taten“, so Hackenjos. Seit 1951 ist das
Familienunternehmen Haufe in Freiburg ansässig – und
will es auch bleiben. Von den insgesamt 1.650 Mitarbei-
tern an 18 Standorten im In- und Ausland arbeiten rund
1.000 in Freiburg, und es sollen noch mehr werden: „Wir
sind auf einem guten Wachstumskurs“, sagt Hackenjos.
Weil der Platz nicht mehr reicht, entsteht neben dem
Hauptsitz im Gewerbegebiet Haid zurzeit ein weiteres
Firmengebäude.
Eine noch längere Geschichte und ein gänzlich anderes
Profil hat der zweite große Buchverlag der Stadt, der
seit über 200 Jahren in Freiburg daheim ist und heute
in sechster Generation von Verleger Manuel Herder
geleitet wird: der Verlag Herder. Das Haus ist katholisch
geprägt und verlegt neben wissenschaftlichen Bänden
und Zeitschriften vor allem populäre Sachbücher. Die
Programmschwerpunkte liegen auf Theologie und Religi-
on, Pädagogik, Psychologie und Lebenshilfe sowie Poli-
tik und Gesellschaft. Dazu kommen Kinder-, Geschenk-
und Hörbücher. „Mit dem Namen Herder kann jeder
etwas verbinden“, sagt Pressesprecherin Nicola Meier,
„und der Verlag profitiert von den lange gewachsenen
Kontakten der Verlegerfamilie.“ So veröffentlichen Papst
Franziskus sowie seine Vorgänger Papst Benedikt XVI
und Johannes Paul II. bei Herder, aber auch Bücher von
kirchenkritischen Theologen wie Eugen Drewermann
und Hans Küng erscheinen hier. Neben der Tradition
sei Offenheit wichtig für das Profil des Verlags; Bildung,
Werte und Religion seien hochaktuelle Themen: „Herder
muss sich der gesellschaftspolitischen Auseinander-
setzung stellen.“ Das tue der Verlag zum Beispiel mit
Büchern über Terrorismus oder zum Verhältnis von AfD
und Christentum.
Seit drei Jahren hat der Ver-
lag auch einen Standort in
der Bücherstadt München,
und die Zeitschrift Herder
Korrespondenz entsteht in-
zwischen in Berlin, wo Her-
der mit Büros im Bundes-
pressehaus vertreten ist. In
Freiburg arbeiten aber wei-
terhin etwa 160 der insge-
samt rund 190 Mitarbeiter.
„Das rote Haus in Freiburg
ist und bleibt der Kern des Verlags“, sagt Meier. „Daran
wird sich auch in den nächsten hundert Jahren nichts
ändern.“ Tradition und Wandel sei auch das Motto des
Verlags beim Umgang mit der Digitalisierung, so Mei-
er: „Nahezu jedes Herder-Buch wird gleichzeitig als
E-Book verlegt.“ Hinzu kommen zum Beispiel Bibel- und
Gebets-Apps, digitale Angebote zum Weiterspielen von
Kinderbüchern und Internetauftritte zu den bei Herder
erscheinenden theologischen und pädagogischen Zeit-
schriften. Gerade spirituelle Titel würden aber weiter
stark als gedruckte Bücher nachgefragt. „Wir fahren
zweigleisig“, sagt Meier. „Gelesen wird immer, aber die
Leser entscheiden, über welchen Kanal.“
Seit mindestens 15 Jahren reagierten Buchverlage
auf die sich ändernde Mediennutzung, sagt Reinhilde
Rösch vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels:
„Dabei sind Fachbuchverlage zunächst im Vorteil, weil
sich Datenbanken und multimediale Aufbereitungen für
fachliche Inhalte besonders anbieten.“ Hier spiele vor
allem die Qualitätssicherung der Inhalte eine große Rolle
– unabhängig vom konkreten Medium, mit dem diese In-
halte genutzt werden. Bei allen Herausforderungen sieht
Rösch die Branche insgesamt gut aufgestellt; auch wenn
noch keine endgültigen Zahlen vorliegen, rechne man
bundesweit mit einem leichten Plus von 0,8 Prozent.
Wie unterschiedlich Verlage durch die Orientierung an
speziellen Zielgruppen und besonderen Inhalten ge-
prägt werden, zeigen zwei weitere Beispiele aus der
»Das Unterneh-
men musste sich
selbst kanniba-
lisieren, bevor
andere es taten«
Birte Hackenjos,
Haufe-Gruppe, Freiburg
»Gelesen wird
immer, aber
die Leser ent-
scheiden, über
welchen Kanal«
Nicola Maier,
Verlag Herder, Freiburg
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