Wirtschaft im Südwesten
4 | 2016
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zwar nicht steil, aber deutlich – auf einen Wert von 385.
Wir haben also immer mehr Einkaufsfläche, der Um-
satz mit Lebensmitteln wächst aber nicht im gleichen
Maße. Irgendwann im Jahr 2011 hat daher die WKZ
eine Linie überschritten, die die Grenze zum Verdrän-
gungswettbewerb markieren soll. Seither herrscht also
eben jener im Lebensmitteleinzelhandel – zumindest
statistisch und durchschnittlich betrachtet. Denn die
Situation stellt sich in einzelnen Orten und Regionen
ganz unterschiedlich dar, erläutert Bertram Paganini.
Der Handelsreferent der IHK Hochrhein-Bodensee geht
beispielsweise davon aus, dass die WKZ entlang des
Hochrheins und am Bodensee deutlich höher ist. Einen
existenziellen Verdrängungswettbewerb kann er indes
nicht beobachten – „den mildern die Schweizer Kunden
ab“. Umgekehrt gebe es sicherlich Orte, in denen die
Lebensmittelhändler schon bei geringeren Kennziffern
um ihre Existenz kämpfen müssen.
Die Margen sind gering
Einzelhandel, speziell Lebensmitteleinzelhandel, ent-
wickelt sich sehr individuell. Unabhängig von lokalen
Besonderheiten lassen sich aber einige Trends erken-
nen, die das Gesamtbild prägen. Ein ganz wesentlicher
ist die Entwicklung des Anteils von Lebensmitteln an
den gesamten Konsumausgaben in Deutschland.
Vor über hundert Jahren gaben die Menschen laut
Statistikportal Statista noch mehr als die Hälfte ih-
res verfügbaren Einkommens für Essen und Trinken
aus. Auch Mitte des 20. Jahrhunderts wendeten die
Deutschen annähernd die Hälfte ihrer Ausgaben für
Lebensmittel auf. Ab den 1960er-Jahren begann der
Wert stark zu fallen. 1980 machten die Ausgaben für
Nahrungsmittel ein Fünftel der Konsumausgaben aus,
im Jahr 2000 waren es nur noch knapp 15 Prozent. Auf
diesem niedrigen Niveau haben sich Lebensmittelaus-
gaben eingependelt mit zuletzt immerhin wieder ganz
leicht steigender Tendenz.
Dass die Deutschen im internationalen Vergleich wenig
für das, was sie essen, trinken und genießen, berappen,
hat Folgen für Lebensmittelhändler: Die Margen sind
hierzulande sehr gering. Frank Meng, Regionalleiter der
Edeka, zuständig für Expansionen und Projektentwick-
lung, beziffert die durchschnittliche Rendite in einem
Edeka mit rund 1.500 Quadratmeter Verkaufsfläche
auf ein bis anderthalb Prozent. Demgegenüber hätten
Discounter, die deutlich weniger für Personal und Ein-
richtung ausgeben, einen „gewaltigen Kostenvorteil“.
Ihnen bleibt laut Schätzungen mehr als doppelt so viel
Rendite, zwischen drei und fünf Prozent. (Eigene Zah-
len hierzu veröffentlichen Aldi, Lidl & Co nicht.)
Angleichung und Differenzierung
Vor allem auf Kosten kleinerer Lebensmittelgeschäfte
haben die Discounter in den vergangenen 25 Jahren kräf-
tig Marktanteile gewonnen. Nach Zahlen des EHI Retail
Institutes lag ihr Anteil am gesamten Lebensmittelum-
satz 1990 bei weniger als einem Viertel (23,7 Prozent);
Rewe
Rewe ist bundesweit der zweitgrößte Lebensmittelhändler hin-
ter Edeka (siehe Kasten rechts und Grafik Seite 10) und gehört
zur genossenschaftlichen Rewe Group, einem der führenden
Handels- und Touristikkonzerne in Deutschland und Europa. Zur
Unternehmensgruppe zählen neben den bundesweit deutlich
über 3.000 Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften Rewe und
Nahkauf auch die Discountmärkte Penny, die Bau- und Geträn-
kemärkte Toom sowie unter dem Dach der DER Touristik unter
anderem die Veranstalter ITS, Jahn Reisen oder Dertour. In Eu-
ropa ist die Gruppe mit Billa, Merkur,Adeg und Bipa vertreten.
2014 zählte der Rewe-Konzern insgesamt rund 15.000 Märkte
sowie 330.000 Mitarbeiter und verzeichnete einen Gesamtum-
satz von über 51 Milliarden Euro. Davon entfielen rund 16,9
Milliarden Euro auf den Lebensmitteleinzelhandel.
Die Geschichte von Rewe beginnt 1927 in Köln. Da wurde
der „Revisionsverband der Westkauf-Genossenschaften“ ins
Genossenschaftsregister eingetragen. Bis heute ist Rewe eine
Genossenschaft. Das Rewe Vollsortiment ist deutschlandweit
in sechs Regionen mit eigenen Zweigniederlassungen und Ge-
schäftsleitungen aufgeteilt. Die Rewe Region Südwest mit Sitz
inWiesloch (bei Heidelberg) umfasst Baden-Württemberg, das
Saarland sowie Teile von Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern.
Von den rund 650 Standorten in dieser Region werden 165
von selbstständigen Kaufleuten betrieben; 150 sind ebenfalls
eigenständige„nahkauf“-Märkte. In der Region Südwest ar-
beiten rund 17.200 Männer und Frauen für Rewe – in den
Märkten, im Dienstleistungszentrum in Wiesloch sowie an
den zwei Logistikstandorten in Wiesloch und Bondorf (Kreis
Böblingen). Den regionalen Umsatz publiziert Rewe nicht.
Rewe ist seit Jahren auf Expansionskurs. In den vergangenen
Jahren hat die Gruppe unter anderem die Handelsunternehmen
Leibbrand (HL, Minimal, Penny, Toom), Kaiser + Kellermann
(Globus) oder die vier deutschen Migros-Märkte übernom-
men. Seit 2006 firmieren alle Lebensmittelgeschäfte unter
dem Namen Rewe. Der durchschnittliche ReweVollsortimenter
umfasst 1.500 Quadratmeter. Die großflächigen Rewe Center
fangen bei 3.000 Quadratmeter an. Für Hochfrequenzlagen
vor allem in größeren Städten gibt es die kleineren Rewe City
(bis 1.000 Quadratmeter). Hinzu kommen die Bio-Supermärkte
„Temma“, die Convenience-Märkte „Rewe To Go“, das Gast-
rokonzept „Oh Angie!“ und E-Commerce-Aktivitäten. In der
Region Südwest eröffnet Rewe dieses Jahr 23 neue Objekte,
darunter beispielsweise einen Markt in Lahr.
kat