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Ausgabe 9/2025
Unternehmen
150 Jahre Schiesser

Hautnah erzählt

Vom Rundstrickstuhl im Hinterzimmer einer Kneipe zum Weltmarktführer für Pobacken bis zur Bauchlandung in den 2000er-Jahren: Die Schiesser-Story ist filmreif. Zumal es um viel nackte Haut geht…

Donʼt call it Unterhemd Blick auf die aktuelle Schiesser- Kollektion. Seit 150 Jahren gibt es die Brand vom Bodensee. Fotos: Schiesser

Ein Bierbauch im weißen Feinripp, wahlweise Sportschau guckend oder Würstchen grillend im Schrebergarten. Mit einer der größten und ältesten deutschen Unterwäschemarken wurden lange wenig schmeichelhafte Adjektive verknüpft: bieder, spießig, nicht sehr sexy. Aber Schiesser hat es geschafft, sein Image aufzupolieren, Vergangenes in Retro-Mode umzuwandeln und sogar ein Produkt mit dem Namen Karl-Heinz wieder hip zu machen. Das muss der Radolfzeller Firma erst einmal jemand nachmachen.

In diesem Jahr feiert Schiesser sein 150-jähriges Jubiläum. 1875 mietet der Schweizer Unternehmer Jacques Schiesser mit seiner Frau Malwine einen Tanzsaal im Gasthaus Schwert in Radolfzell an. Dort produziert er auf neun Rundstrickstühlen elastische Schläuche für Trikotagen – und die finden reißenden Absatz. Schon früh platzt das Gasthaus aus allen Nähten. Ein Jahr später baut Schiesser eine kleine Fabrik.
Bei der Verbreitung der Unterwäsche hat das Urgestein im Drunter-Business ordentlich mitgestrickt. Lange vor Feinripp, Dessous und Spitze beginnt die Geschichte wenig glamourös: Einfache Arbeiter und Sklaven schützten sich im alten Ägypten mit einem Leinenschurz vor der Sonne. Nur Pharaonen und Privilegierten war ein zweites Tuch darüber erlaubt. Die Existenz eines Darübers impliziert ein Darunter: die Geburt der Unterhose.

„Unser Doppelripp war mal Unterwäsche – jetzt ist der Stoff laufstegfähig.“ Sonja Balodis, CEO von Schiesser

Die Zeit vergeht, ein Imperium weicht dem nächsten. Doch Unterwäsche bleibt ein Symbol der Macht. Schon im antiken Griechenland und Rom trugen vornehme Damen prähistorische Büstenhalter und Bikinis – als Unterwäsche oder beim Sport. Mit dem Ende des römischen Reichs geht aber auch die Unterwäsche vorerst unter.
Erst im späten Mittelalter kommt das Unterhemd wieder auf. Bis ins frühe 19. Jahrhundert tut sich wenig. Die Unterhose war höchstens, man ahnt es, dem wohlhabenden Adel vorbehalten. Das einfache Volk trägt unter Rock und Hose: nichts. Ein Leinenhemd ersetzte die Unterhose – im Schritt verknotet, nicht ohne Tücken: „Das Durchziehen des Hinterstücks vom Hemd zwischen den Beinen und seine Befestigung am Vorderstück übe auch ich schon seit Jahren“, gab der Mediziner Gustav Jäger zu.

Auch mal Mode: die Abhärtungswäsche
Um 1900 entbrennt ein Streit um das richtige Material. Eine eierlegende Wollmilchsau soll her: seuchenfest, durchblutungsfördernd und hygienisch. Genau in diese Ära existenzieller, textiler Sinnfragen fällt der Aufstieg des jungen Unternehmers am Bodensee. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschäftigt Schiesser fast 1000 Arbeitnehmer und ist der größte Maschenwaren-Hersteller im deutschen Kaiserreich. Er lässt sich seine später vielfach prämierte Abhärtungswäsche aus indischer Nesselfaser patentieren, in denen auch die kaiserlichen Soldaten strammstehen. Zeitgleich kämpfen Frauen für die Befreiung vom formgebenden Korsett – Schiesser stellt daraufhin ein weicheres Flechttrikot her, das nicht formt, sondern verhüllt.

Schiesser im Wandel der Zeit

1913 stirbt Jacques Schiesser. Nach den Wirren des Ersten Weltkriegs erlebt das Unternehmen einen Aufschwung mit Trikots: Die Leute treiben Sport und wollen dabei gut aussehen. 1923 ist es endlich so weit. Schiesser schreibt Kulturgeschichte und präsentiert die Feinripp-Wäsche: baumwollen, elastisch, enganliegend, nichts zwickt, nichts zwackt. Kurzärmliges Hemd, knielange Hose – der Urvater des Liebestöters.

Karl-Heinz: die Buxe mit Seiteneingriff
Während die deutsche Frau nach dem Zweiten Weltkrieg hauchzarte Hemdchen bevorzugt, hält Mann es simpel: Die weiße Doppelripp-Unterhose mit Seiteneingriff – Baumwollbuchse Karl-Heinz – wird zum Bestseller.
Schiesser verkommt mit der Zeit zum Inbegriff des Spießertums. Durch einen radikalen Relaunch und freche Werbung – à la „fürn Po nicht fürn Arsch“ – gelingt in den Neunzigern das Comeback. Ein Schiesser-Revival mit Retro-Modellen bringt unerwarteten Erfolg. Dann aber folgt der Fall: 2009 meldet Schiesser Insolvenz an, 2012 übernimmt Delta Galil.

Sonja Balodis soll Schiesser als CEO in die Zukunft führen – und denkt an neue Ideen. Vielleicht ist Unterwäsche künftig so intelligent, dass sie Fieber misst oder Krankheiten lindert?

Taugt für Business wie als Pyjama
Seit März dieses Jahres ist Sonja Balodis CEO von Schiesser. Das Familienwappen, die Armbrust, prangt überall auf ihrem Körper. Ein blauer Zweiteiler aus einer Jubiläumskollektion. Hybridwear. Heißt: Pyjama oder Business – drinnen oder draußen. Anpassungsfähig. „Kleidung hat viele Möglichkeiten. Genau wie unser Doppelripp ursprünglich mal Unterwäsche war, ist es jetzt laufstegfähig geworden“, sagt Sonja Balodis.
Die erste Assoziation, wenn sie an Schiesser denkt: „Natürlich habe ich den Papa im Unterhemd vor Augen“, sagt die Geschäftsführerin. Aber auch Tradition, Qualität und Preis-Leistung schwingen mit. „Ich bin stolz auf unseren Ursprung. Trotzdem ist es wichtig, die Marke immer wieder in einen zeitgeistigen Kontext zu bringen“, sagt sie.
Die Kapselkollektionen zum 150-jährigen Geburtstag beschreiben die Facetten, die Schiesser bedienen möchte: Tradition, Innovation und Qualität, heißen sie. Die Säulen von Schiesser. Aber wie viel Radolfzell, wie viel Jacques, steckt noch in Schiesser, das jetzt Teil eines international agierenden Konzerns ist? „Radolfzell ist immer noch die Ideenschmiede für unsere Marke“, sagt Balodis. „Wie bei der Erfindung des Knüpftrikots oder der Doppelrippe, gibt es bei Schiesser nach wie vor diese visionäre Kraft, Dinge immer wieder neu zu erfinden.“
Vom Lendenschurz, über die Abhärtungswäsche zum Slip hat sich viel getan. Aber ist jetzt Schluss? Nein, femininer, funktioneller, nachhaltiger soll es werden, sagt Sonja Balodis. „Wir wissen alle nicht, was in den nächsten 150 Jahren auf uns zukommt. Definitiv wird bei der Funktion von Unterwäsche noch einiges weiterentwickelt werden: Fieber messen, entzündungshemmende Materialien, Lymphdrainage. Wer weiß?“
Ein Schlüpfer, der Fieber misst, während er Lymphgefäße massiert? Why not. Immerhin gab es vor 150 Jahren nicht mal eine Unterbuxe – geschweige denn so einen Designklassiker mit Seiteneingriff wie Schiessers Karl-Heinz. David Pister

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