Tübingen und Konstanz kämpfen mit einer neuen Steuer gegen To-go-Becher und Pizzakartons – in Freiburg und Offenburg sieht man Gastronomen dagegen schon genug belastet.

Sinnvolles Instrument zur Müllreduktion oder Abzocke zum Zweck der kommunalen Haushaltskonsolidierung? Seit die Stadt Tübingen Anfang 2022 eine Verpackungssteuer eingeführt hat, diskutieren Städte und Gemeinden das Für und Wider einer solchen Abgabe. Landauf, landab. Mal sachlich, mal emotional. Und als das Bundesverfassungsgericht im Januar die Beschwerde eines Fast-Food-Restaurants gegen Steuern auf Pappbehälter ablehnte, schien klar: Viele Städte warten nur darauf, dem Beispiel Tübingens zu folgen. Erster Nachzügler war Konstanz. Hier beschloss der Gemeinderat im Mai 2024, Einweg-Getränkeverpackungen mit 50 Cent netto zu besteuern, ebenso Einweg-Geschirr und -Verpackungen. Für Einweg-Besteck kommen 20 Cent netto hinzu.
Kammer kämpft gegen neue Steuer
Doch so populär die Idee von weniger Verpackungsmüll ist – für viele Experten und Wirtschaftsvertreter sind Steuern der falsche Weg. Und so wendet sich langsam das Blatt – wie zuletzt in Offenburg, wo die Verpackungssteuer nach Mehrheitsbeschluss des Gemeinderats vom Tisch ist. In Freiburg empfiehlt die Stadtspitze den Gremien eine Mehrwegoffensive – keine Steuer. Allerdings hat der Gemeinderat in der Haushaltsdebatte knapp für die Verpackungssteuer gestimmt. Im Mai soll endgültig entschieden werden. Bis dahin wolle man über die „fatalen Folgen“ einer solchen Steuer aufklären, sagt Alwin Wagner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein. Ergänzend schlägt er vor, illegale Müllentsorgung noch konsequenter zu kontrollieren und zu ahnden. Selbstverständlich stünden die IHK und die Betriebe hinter dem Ziel, Müll zu vermeiden. Aber: „Die Wirtschaft steht momentan unter enormem Druck“, sagt Wagner. Neue Regelungen wie die Verpackungssteuer und die 2023 eingeführte Mehrwegpflicht für Bars, Cafés und Restaurants mit Außer-Haus-Service konterkarieren den parteiübergreifend vereinbarten Abbau von Bürokratie.

Hohe Kosten für die Software
In Konstanz lebt derweil L’Osteria-Geschäftsführer Marcus Reichl mit der Verpackungssteuer. Er bietet soweit möglich Mehrwegverpackungen an (in die seine Pizzen aber nicht hineinpassen) und er hat Abfallboxen für leere Pizzakartons entwickeln und aufstellen lassen, denn Ordnung und Sauberkeit sind ein brisantes Thema, gerade an der Uferpromenade. Dennoch hat Reichl jetzt einen fünfstelligen Betrag für die Implementierung der Steuer in die Abrechnungssoftware aufbringen müssen.
Zur Einordnung: 3,5 Millionen Euro setzt die L’Osteria-Gastronomie am Seerhein jährlich um, 65 Mitarbeiter beschäftigt er. „Die Akzeptanz der Gäste ist unterm Strich neutral“, berichtet Reichl, der die Steuer auf jeder Rechnung als gesonderten Posten zu 100 Prozent ausweist.
Besteuert wird indes nur der To-go-Impulskauf vor Ort. Heißt: „Bestelle ich nach Hause, und es fährt ein Auto, das den gleichen Karton bringt, fällt die Steuer nicht an, obwohl der ebenfalls entsorgt werden muss.“ Zudem gebe es zu viele Mehrweganbieter: Hat ein Kunde einen Becher auf Pfandbasis bei ihm erworben, kann er den beim nächsten Imbiss nur zurückgeben, wenn der sich für den gleichen Anbieter entschieden hat. „Eine bundesweit einheitliche Regelung würde Effizienz und Akzeptanz solcher Systeme verbessern.“

„Wir könnten mehr machen“
Während in der L’Osteria Schalen von Relevo im Regal stehen, sind es im Veggie-Imbiss Kervan die des Münchner Anbieters Recup. Musa Cebe (67) bietet hier seit 2010 Döner, Falafel und Co. an. Vegan, vegetarisch oder mit Fleisch in Bioqualität – ein vor allem bei Studenten beliebter Laden mit Jahresumsätzen in mittlerer sechsstelliger Größenordnung. Cebe sagt: „Wir als Industrieländer verursachen den meisten Müll. Wir könnten schon längst mehr machen.“ Von den Kunden höre er kaum Reaktionen auf die Verpackungssteuer, deren Einzelpositionen im kleinen Laden per DIN-A4-Aushang nachzulesen sind. „Die Umstellung auf Mehrweggeschirr muss sich erst noch durchsetzen“, sagt Cebe. Das Verhältnis der über die Theke wandernden Einweg- und Pfandbehälter liege bei 70 zu 30. Rund 600 Euro einmalig und
40 Euro monatlich zahlt er für die Ausstattung mit dem Recup-Equipment.
Mehrweg profitiert
Die Firma Recup hat von den neuen Regeln des Gesetzgebers durchaus profitiert und einige Dutzend neue Partnerbetriebe gewonnen. Förderlich war, dass die Tübinger Stadtverwaltung die Einführung des Pfandsystems bei den Gastronomen unterstützt hat. Auch Konstanz hat einen Fördertopf eingerichtet – gefüllt mit 60 000 Euro. Maximal 500 Euro können Betriebe beim Amt für Klimaschutz beantragen.
Aber was bringt das Ganze nun? Nach der Einführung habe man festgestellt, dass „deutlich weniger Müll um die Mülleimer herumliegt und die sperrigen Verpackungen die Mülleimer nicht mehr verstopfen“, teilt Nicole Romey von der Tübinger Stadtverwaltung mit. Dies zu quantifizieren, sei aber nicht möglich, da die „leichten Verpackungen ein kaum messbares Gewicht in den Containern haben, sodass man den Müll händisch sortieren müsste, um Zahlen zu ermitteln“. Einfacher festzustellen sind die Einnahmen aus der Verpackungssteuer: Die lagen 2022 bei knapp über einer Million Euro. Die Konstanzer Stadtkämmerei rechnet für 2025 mit jährlichen Einnahmen aus der Verpackungssteuer in Höhe von 300 000 Euro, ab 2026 mit 600 000 Euro. Benedikt Brüne