Martin Allmendinger hat sein Glück in der Freiburger Wiehre gefunden – zwischen italienischen Retro-Rädern, süßen Cornetti und cremigem Cappuccino.

Es muss alles seine Ordnung haben. Martin Allmendinger lässt da keine Zweifel aufkommen. Groß gewachsen, mit Fred-Perry-Shirt und Cinelli-Kapper steht er an seiner chromglänzenden Faema E 61 Jubile und beginnt sein Ritual. „Schon die belgische Radsportlegende Eddy Merckx hat für Faema geworben“, sagt Allmendinger lächelnd, der in der Freiburger Brombergstraße italienische Rennräder ebenso verkauft wie süßes Hüftgold – und dazu feinen Kaffee. Vor dem Aufbrühen des selbst gemahlenen Kaffees erst mal ein Schuss heißes Wasser durch die Armaturen. Dann das Sieb mit Material der Mailänder Rösterei Hardy füllen. Aber: „Das Aufschäumen ist die eigentliche Königsdisziplin“, sagt der Barista. Jedes Mal also eine frische Kanne, frische Bio-Vollmilch und bloß nicht zu viel. Dann kann sich das Ergebnis auch sehen lassen…
Wir sind im Freiburger Gründerzeitviertel Wiehre. Viele Lastenräder, viele Kinder, viele Cafés. Doch das Caffé Bicicletta ist ein bisschen anders – und eine Institution seit 2013. Damals sind Martin Allmendinger und sein Compagnon mit ihrem Fahrradkurierdienst eingezogen. Seitdem gibt es hier den Cappuccino am langen Tresen, eine Fahrradwerkstatt und italienische Rennräder der Marken Ciöcc, Casati und Cinelli – alle mit Stahlrahmen und Retrodesign. „Das hat für mich viel mehr Sex-Appeal. Die modernen Rennräder sehen heute ja alle gleich aus, Hauptsache High-End und Aerodynamik.“ Seit 2022 betreibt Allmendinger, aufgewachsen in Schorndorf, gelernter technischer Zeichner und seit 1996 in Freiburg, sein Lokal in Eigenregie, der Kurierdienst ist nun gegenüber.
„Ich habe mit vier das Fahrradfahren gelernt“, erzählt er nach eine paar Schluck Cappuccino. In Freiburg schraubte er früher Computer zusammen, 2005 schwang er sich als Kurier in den Sattel, drei Jahre später übernahm er als Teilhaber das Geschäft. Und hatte schon da eine vage Vorstellung vom Caffé Bicicletta.

„Bei mir kommt nichts aus Asien“
Inspiration fand er am Comer See in Tremezzo und Menaggio, wo er mit seiner Frau gern Urlaub macht. Allmendinger schaute sich die Bars an, knüpfte Kontakte zum Kaffeelieferanten und den Radmanufakturen, alles kleine Familienbetriebe aus Norditalien, aus Bergamo und Monza. Auch Laufräder, Schaltung und Bremsen kommen von dort, von Campagnolo aus Vicenza. Die Idee dahinter: für den Kunden individuell gestaltete Fahrräder bauen. Den Rahmen gibt es ab 2500 Euro, der Endpreis beginnt bei 4000 Euro für die einfachste Ausführung. „Bei mir kommt nichts aus Asien“, sagt er. Viele Räder verkauft Allmendinger allerdings nicht, fünf bis zehn pro Jahr. In der Coronazeit, als plötzlich jede und jeder aufs Rad musste, waren es mehr. Aber um den Umsatz geht es ihm nicht in erster Linie – zumal: das Café und die Werkstatt bringen ja auch Geld.
Mehr noch geht es ums Wohlfühlen, um schicke Retro-Räder, um die Liebe zu Italien, zum Lago di Como, zur entspannten Lebensart. „Wenn ich da die Serpentinen hinaufschnaufe und merke, mit welcher Rücksicht die Autofahrer überholen, da denke ich mir: Als Rennradfahrer bist du in Italien auf der Straße viel besser aufgehoben als in Deutschland.“ Das einzige Hindernis auf dem Weg des italophilen Schraubers ist das Italienische: „Wenn ich in allem so talentbefreit wäre wie mit Sprachen, dann würde ich hier jetzt nicht stehen und Cappuccino machen,“ sagt Allmendinger und muss lachen. db/ut
