Wirtschaft im Südwesten
5 | 2018
14
Leute
Unternehmer
mit Gewissen
Michael Schmidt | Edeka Schmidts Märkte
BAD SÄCKINGEN/RICKENBACH.
Michael Schmidt ist ein be-
scheidener Mensch. Der Chef von mittlerweile 14 „Edeka Schmidts
Märkten“ am Hochrhein und im Südschwarzwald trägt die gleiche
Dienstkleidung wie seine 680 Mitarbeiter: dunkelblaue Weste und
blaukariertes Hemd, auf dem Kragen das Firmenlogo mit vier ge-
stickten Tannen. Er sitzt im Café in der oberen Etage seines neuen
Marktes in Bad Säckingen, blickt auf die bunt gefüllten Regale im
Erdgeschoss und trinkt einen Schluck Milchkaffee. „Stolz?“ Schmidt
schüttelt den Kopf. „Das Wort kenn’ ich nicht“, sagt der Unterneh-
mer. Er sei einfach froh, dass dieses Projekt endlich fertig ist. Der
Bau des viel gelobten Lebensmittelgeschäfts samt Gastronomie
und gläserner Hausküche hat zwar
nur ein Jahr gedauert. Aber die Pla-
nungs- und Genehmigungszeit im
Vorfeld zog sich über ein Jahrzehnt
hin. „Mit 50 habe ich angefangen,
jetzt bin ich über 60“, verdeutlicht
Schmidt, der im Februar seinen 61.
Geburtstag gefeiert und schon damit
begonnen hat, den Generationswechsel des Familienunternehmens
einzuläuten. Er teilt sich die Geschäftsführung mit seinem zehn Jahre
jüngeren Bruder sowie mit seinem Sohn und seiner älteren Tochter.
Die Jüngste steht noch in den Startlöchern. Zudem hat Michael
Schmidt angefangen, seine Anteile auf die Kinder zu übertragen.
Dass sich das Projekt in Bad Säckingen so zäh entwickelte, hat-
te mehrere Gründe. Die Stadt tat sich lange schwer mit einem
Konzept für das ehemalige Areal des Textilunternehmens Brennet,
zudem ging Rewe gerichtlich gegen die Pläne vor. Ende Januar fand
schließlich die Eröffnung statt und damit die lange Geschichte ein
gutes Ende. Der Erfolg des Marktes und vor allem der Gastronomie
erstaunt den Chef fast ein bisschen. „Interessanterweise fahren die
Leute weite Wege, um ein Frühstück zu bekommen“, konstatiert
er. Das Café-Restaurant mit seinen 650 Quadratmetern ist wie der
Markt von 7.30 bis 21 Uhr geöffnet. Es gibt Frühstück, warme Küche,
Kuchen, Apéro. Alle Gerichte kommen aus „Schmidts Hausküche“
gleich nebenan, die auch die anderen Märkte mit Tagesmenüs und
eingeweckten Spezialitäten wie Wildbolognese oder Rindergulasch
versorgt. Dieses Angebot vereint zwei Aspekte, die Michael Schmidt
wichtig sind: Regionalität und Nachhaltigkeit. Rindfleisch und Wild
in seinen Märkten stammen aus der unmittelbaren Gegend. Vor
mehr als 20 Jahren hat er das Projekt Bio-Weiderind gestartet.
Über 100 Höfe haben sich mittlerweile der Erzeugergemeinschaft
angeschlossen. Außerdem beliefern einige Dutzend Jäger Schmidts
Märkte mit Wild. Was nicht an der Theke verkauft wird, landet in
der Hausküche. „Wir müssen immer das ganze Tier sehen“, betont
der Unternehmer, der seinen christlichen Glauben auch im Betrieb
umsetzt. „Ich muss das, was ich hier mache, mit meinem Gewissen
vereinbaren können.“
Diese Haltung hat mit seiner Familie zu tun. Schmidt hat eine ältere
Schwester und zwei jüngere Brüder. Der mittlere ist geistig behindert,
um ihn haben sich die anderen immer gekümmert. Er arbeitet heute
im Lager des Familienunternehmens, dessen Wurzeln bis 1852 zurück-
reichen. Michael Schmidt stieg 1982 in den Betrieb ein, der damals
das Stammhaus in Rickenbach und zwei weitere winzige Märkte mit
zusammen 30 Mitarbeitern umfasste, und baute ihn zu seiner heutigen
Größe aus. Er hatte nach der mittleren Reife in Wehr eine Ausbildung
im Lebensmitteleinzelhan-
del in Tiengen absolviert
und war anschließend wie
ein Handwerksgeselle viele
Jahre auf Wanderschaft ge-
gangen. Er hatte sich einen
Plan gemacht, wo er überall
hinwollte und arbeitete so-
wohl in Lebensmittelmärkten als auch -verwaltungen in ganz Deutsch-
land und in der Schweiz. Mit der Zahnbürste und dem Tauchsieder
für Tee oder Kaffee im Auto genoss der junge Mann seine Freiheit.
„Das war eine schöne Zeit, das würde ich morgen wieder machen.“
Als alle Stationen abgehakt waren, kehrte er heim.
Denkt er sehr strukturiert? „Mein Sohn würde Nein sagen“, ant-
wortet Michael Schmidt. Der sei eher ein „blauer Typ“. Im Vierfar-
benmodell der Typenlehre steht Blau fürs Strukturierte, Rot fürs
Impulsive, Grün fürs Menschliche, Gelb fürs Beobachtende. Die
Geschäftsführung und alle anderen Führungskräfte bei Schmidt
beschäftigen sich viel mit diesen Eigenschaften, die das Denken
und Handeln beeinflussen, und achten darauf, dass die Mitarbeiter
farblich harmonieren. Wie er da bei seinem Milchkaffee sitzt und
mit ruhiger Stimme erzählt, macht Michael Schmidt zwar einen
sehr sanften Eindruck. Aber er sieht sich selbst als eher roten Typ.
Er wolle lieber umsetzen als planen. Und doch schmiedet der Um-
triebige schon Pläne für die Zeit nach dem Lebensmittelhandel. Er
hat vieles begonnen, erzählt er, sei aber unzufrieden, dass ihm im
Moment noch Kapazität fehlt. „Viele Menschen brauchen nicht nur
Geld, sondern auch Zeit“, sagt Schmidt. Er wolle in seiner „Restzeit“
keinen Urlaub machen, sondern etwas Sinnvolles tun und dafür sei-
ne Talente und Erfahrungen nutzen. So hat er beispielsweise bereits
den Vorstand einer Hilfsorganisation übernommen und kümmert
sich um Kinderpatenschaften. Weitere Projekte werden sicherlich
hinzukommen, denn Schmidt hat „das Bedürfnis, dort tätig zu wer-
den, wo Menschen Hilfe brauchen“.
kat
»Stolz? Das Wort
kenn’ ich nicht«
KOPF
DES
MONATS