Was tun, wenn Flächen brachliegen oder große Gebäude leer stehen? Wie findet man Investoren, Nachmieter oder passende Unternehmen? Antworten liefern drei spannende Projekte zwischen Rhein und Bodensee.

Christian Schiessel hat lange auf diesen Moment gewartet. Doch Mitte September ist es geschafft. Zusammen mit Weils Oberbürgermeisterin Diana Stöcker und Uwe Böhm von der IHK Hochrhein-Bodensee rammt er einen Spaten in vorbereiteten Sand: Es ist der Startschuss für die Erweiterung seines Unternehmens auf einem Areal an der Lustgartenstraße zwischen Autobahnzollamt und Bahntrasse im Süden von Weil am Rhein. Hier wird eine 3200 Quadratmeter große Produktionshalle mit integrierten Büros entstehen. 1,35 Hektar hat Lo-Cat Systems dafür erworben – das Grundstück bietet genug Platz für eine mögliche Verdopplung der Produktionsfläche in einem weiteren Bauabschnitt.
Das Areal hat einen Namen: Lofo. Er geht zurück auf die Firma Lonza Folien, die 2016 Insolvenz anmelden musste und ihren Betrieb einstellte. 2017 erwarb die Stadt das Gelände, um es als Gewerbefläche zu vermarkten. Mittlerweile sind zwei Drittel verkauft. Zuständig damals wie heute ist Peter Krause, Geschäftsführer von Weil am Rhein Wirtschaft & Tourismus (WWT).
„Wir hatten von Anfang an viele Anfragen“, sagt er. Doch die Stadt machte Vorgaben, was die Bebauung des Freigeländes angeht. Kein Einzelhandel, keine reinen Büroflächen, stattdessen Produktion und Handwerk. In den bestehenden, modernisierten und erweiterten Gebäuden aus Lofo-Zeiten residiert heute der Zollpark mit Büros diverser Zolldienstleister.
Von Schönau nach Weil am Rhein
Daher passt auch die Anfrage von Christian Schiessel, dem geschäftsführenden Gesellschafter von Lo-Cat, das seinen Sitz in Schönau hat. Das Unternehmen stößt dort an Grenzen. Nicht nur, weil die Auftragslage gut ist, sondern weil es große Werkstücke ver- und bearbeitet. Sechseinhalb auf zwei Meter große Seitenwände für die Pilatus Flugzeugwerke aus der Schweiz sind darunter, aber auch Landeklappen für verschiedene Airbus-Modelle. Dementsprechend groß sind die Maschinen und die Rüstbereiche. „Mit dem Bau in Weil soll nicht nur eine bestehende Produktionslinie verlagert werden, wir schaffen zusätzliche Möglichkeiten“, erläutert der 46-Jährige.
Die Entscheidung für Weil am Rhein begründet Schiessel mit mehreren Argumenten: Die Nähe zu Frankreich, zur Schweiz, zum Rheinhafen und zur Autobahn. „Ich verspreche mir zudem, dass wir aufgrund der Lage auch Mitarbeiter oder Azubis aus dem Elsass für uns begeistern können“, sagt der Unternehmer. Genügend offene Stellen gibt es bereits jetzt.
Peter Krause ist jedenfalls froh über die Entwicklung. „Es zahlt sich langfristig aus, wenn man seinen Leitlinien treu bleibt und nicht beim ersten Investor oder Angebot zuschlägt“, gibt sich der Wirtschaftsförderer zufrieden.
Neues Leben in der Kaserne
Gut 100 Kilometer östlich ist auch Bernhard Bihler zufrieden. Der Unternehmer wagte es vor 24 Jahren mit drei weiteren Investoren, einen großen Teil der früheren Heinrich-Koeppen-Kaserne in Radolfzell zu erwerben: 15 000 Quadratmeter Geschossfläche. 44 Millionen Mark ließ er sich das kosten.
Einen konkreten Plan hatte er nicht, nur eine vage Idee. „Ich bin schon ins Blaue gesprungen“, sagt er. Er investierte in die Infrastruktur der Gebäude, baute eine Kantine sowie ein eigenes Rechenzentrum ein, verlegte Glasfaserkabel und hat so schon kurz nach der Jahrtausendwende mehr Internet als manche Kommune im Hochschwarzwald heute.
Das Innovationszentrum (RIZ) bietet Büroräume ab 12,5 Quadratmetern, dazu Arbeitsräume, Lager und Labore. Allerdings sind schon lange alle Räume vergeben. „Veränderungen gibt es aber immer“, sagt er. Das Besondere: „Wir vermieten nur warm, unbegrenzt mit dreimonatiger Kündigungsfrist und komplett ausgestattet.“ Bihler weiß, was Unternehmer oder Freiberufler in Büros benötigen. Er will den Raum schaffen, damit sie sich um ihr Geschäft kümmern können. „Um alles andere kümmern wir uns.“
Wer im RIZ einzieht, hat alles: einen frisch renovierten Raum mit Beleuchtung, Teppich und Internetanschluss mit mindestens 120 Gigabyte Bandbreite. Wer mag, mietet sich einen höhenverstellbaren Schreibtisch plus Container und Bürostuhl dazu. „18 Euro kostet das pro Monat.“ Entsprechend bunt ist der Branchenmix im RIZ. Steuerberater und Rechtsanwälte sind hier, viele Ingenieurbüros, die Deutsche Umwelthilfe,
der Global Nature Fund, die Bodenseestiftung sowie die Energieagentur des Landkreises Konstanz. Für Bihler sind das keine Mieter. „Es sind unsere Kunden“, sagt er. Damit verbindet er einen anderen Ansatz im Miteinander. „Wenn ich mich manchmal vorstelle, sage ich: ‚Ich bin hier der Hausmeister.‘ Das ist ja nicht verkehrt.“ Er lächelt.
Bunter Mix in Bahnhofsnähe
Auch Thilo Fessmann kann wieder lächeln. Er ist Geschäftsführer von Fessmann & Hecker in Zell im Wiesental – und er war es bei der Zellaerosol. Doch der Dienstleister für die Kosmetik- und Haushaltschemiebranche musste 2022 Insolvenz anmelden und stellte 2023 seinen Betrieb ein. 12 000 Quadratmeter Fläche lagen damals plötzlich brach. „Es hat ein bisschen gedauert, auch weil die technischen Anlagen zurückgebaut werden mussten“, sagt der 56-Jährige rückblickend. Mit der Hilfe eines Immobilienmaklers kehrte sukzessive Leben ins Areal zurück. Zu den größten der heute 28 Mieter zählen die Marchese Speditions- und Transportgesellschaft sowie DHL mit zusammen rund 3800 Quadratmetern. Daneben haben sich unter anderem ein Crossfit-Studio, mehrere Handwerksbetriebe, Dienstleister, Freiberufler und Kreative hier einen Standort geschaffen. Zu den Pluspunkten des Geländes zählen unter anderem „die Lage direkt am Bahnhof sowie viele kostenlose Parkmöglichkeiten“, weiß Thilo Fessmann.
Noch nicht in der Vermarktung ist das markanteste Gebäude des Areals: die dreistöckigen Werkshallen der ehemaligen Textilspinnerei Fessmann & Hecker. Das dauert noch, sagt der Unternehmer: „Bevor es damit losgeht, müssen erst noch umfangreiche Sanierungsarbeiten abgeschlossen werden.“ Patrick Merck
