Im Norden des Lahrer Flughafenareals entsteht bis 2027 eines der größten Rechenzentren zwischen Basel und Karlsruhe. 16 Millionen Euro investieren das E-Werk und die Leitwerk-Gruppe.

Nach den gigantischen Logistikcentern von Zalando, Fiege und Rewe wirkt irgendwie alles überschaubar – aber um als Datenlogistiker Server und Milliarden von Datensätze zu hosten, braucht man ja auch weniger Platz als für ein paar Millionen Schuhe, Autoreifen oder Lebensmittel. Und doch: 1000 Tonnen Beton sind in Lahr für das mit 230 Racks größte Rechenzentrum zwischen Karlsruhe und Basel schon verbaut, das im Frühjahr 2027 ans Netz gehen soll. Vorstellen kann man sich das Projekt als eine Art WG für die Server von Unternehmen und Kommunen, die hier energieeffizienter und sicherer betrieben werden, als in kleinen Serverräumen wie man sie früher genutzt hat. „Webhosting, SAP-Anwendungen, Healthcare-Apps, Backup-Server und viel KI“ werden hier eine neue Heimat finden, sagt Ralf Schaufler, einer der zwei Geschäftsführer am Rande der Grundsteinlegung Anfang November und kriegt leuchtende Augen, wenn er von den technischen Vorzügen des neuen Rechenzentrums referiert. Die Kälteanlagen auf Propangasbasis, die Georedundanz zum etwas kleineren Rechenzentrum in Appenweier, die Anbindung per Glasfaser und Funkstrecke: Man sieht sich eben als Wegbereiter der Digitalisierung in der Region. Und am Ende werden auch nicht nur 16 Millionen Euro investiert (das sind die Kosten fürs Gebäude) – sondern 50 bis 60 Millionen, denn die Server sind der eigentliche Schatz, für den man hier am Rande des früheren Bomber-Flugplatzes einen bombensicheren Bunker baut.
50 Millionen im Badischen…
Und doch: Auch die 50 Millionen Euro wirken überschaubar, wenn man sich die fast zeitgleich veröffentlichten Pläne von Microsoft, Amazon oder Open AI vor Augen hält. Während die Telekom eine Milliarde Euro in neue Rechenzentren investieren will, haben Amerikas Tech-Giganten angekündigt, binnen eines Jahres für mehr als 100 Milliarden Dollar weltweit neue Rechenzentren hochzuziehen und haben eine Art Wettrüsten begonnen, um die Infrastruktur für einen Daten-Tsunami zu schaffen, der durch immer leistungsfähigere und rechenintensivere KI-Lösungen entsteht. Microsofts neues Rechenzentrum in Wisconsin ist auf 111 000 Quadratmetern (zum Vergleich: Zalando in Lahr misst 185 000 Quadratmeter) für gut eine Million GPU’s ausgelegt, die elektrische Leistungsaufnahme: einige hundert Megawatt. Kostenpunkt: 3,3 Milliarden Dollar.
…und ein paar hundert Milliarden in den USA
Im Badischen baut man drei Nummern kleiner – und stößt trotzdem in neue Ligen vor. Der Strombedarf des Lahrer Rechenzentrums werde sich auf fünf Gigawattstunden im Jahr belaufen. Das entspricht etwa einem Windkraftwerk und dürfte einer der Gründe dafür sein, dass sich fürs neue Rechenzentrum mit E-Werk und Leitwerk ein Energieerzeuger und eine Tech-Gruppe zusammengetan haben. Besonders energieintensiv: die ums acht- bis zehnfache strombedürftigere KI-Technik, auf die Schaufler ganz besonders schaut. „Wir sehen einen Trend zu Private-Cloud-AI-Lösungen“, sagt er. Sinngemäß übersetzt heißt das: Viele Unternehmen fremdeln damit, ihre Daten über ChatGPT oder Copilot in amerikanische Systeme einzuspielen und erschaffen stattdessen lieber eigene KI-Welten. Autarkie ist hier ein Stichwort, ebenso aber auch Datenschutz, digitale Souveränität und die Angst vor Abhängigkeiten. „Nicht jeder Datensatz soll eben öffentlich zugänglich sein“, sagt Schaufler. Gleichzeitig sei es „für Techies einfach praktisch, wenn man nicht wegen jedem Server-Thema nach Frankfurt muss“, wo sich die großen Azure-Rechenzentren derzeit ballen.
Bei Leitwerk und dem E-Werk geht man davon aus, künftig alle drei Jahre ein Rechenzentrum nach dem Lahrer Modell zu bauen, für das man auf regenerative Energie setzt. Dafür sorge eine 100 Kilowatt
starke Photovoltaikanlage auf dem Dach und das E-Werk mit seinen Schwarzwälder Windparks. Kein
Wunder also, dass E-Werk-Vorstandschef Bernhard Palm von einem „digitalen Leuchtturmprojekt“
spricht. „Dieses Rechenzentrum dient mit seiner leistungsstarken Infrastruktur und der Option, anspruchsvolle KI-Anwendungen zu hosten als Wachstumsmotor für den Mittelstand“, sagt Palm, während Lahrs OB Markus Ibert (der einst den Business-Park rund um den Flughafen entwickelt hat) noch einen Ausblick in die Zukunft wagt. Demnach werde darüber hinaus der Industrie- und Gewerbepark rund um den Flughafen in Richtung B3 um rund 47 Hektar wachsen. Ulf Tietge
