Krise, Konsumflaute, Bürokratie – und mittendrin ein Weingut, das unbeirrt auf Qualität setzt. Bettina Schumann über den Mut zum eigenen Stil, den Kampf gegen Widrigkeiten und die Frage, wie badischer Wein seinen Wert behaupten kann.

2015 haben Sie mit dem Weinhaus Bettina Schumann den Schritt in die Selbständigkeit gewagt. Wie hat sich die Nachfrage nach Ihren Weinen seit diesem mutigen Start entwickelt – und was hat Ihr Profil dabei besonders geprägt?Dadurch dass wir von Anfang eine klare Philosophie in der Weinstilistik und Weinvermarktung verfolgt haben, hat sich unser Unternehmen beständig und nachhaltig weiterentwickelt. Die Coronazeit stellte für uns zwar eine große Herausforderung dar, weil wir uns bis zu diesem Zeitpunkt zum größten Teil auf die Vermarktung in der Gastronomie konzentriert hatten. Jedoch trug diese Zeit dazu bei, dass wir unser Konzept noch einmal nachfeilen und uns breiter in der Vermarktung aufstellen und dabei gleichzeitig unser Qualitätsbestreben ausbauen konnten.
Aktuell hat sich dieser Weg bewährt. Denn die Vermarktung von Wein ist in Zeiten von stark zurückgehendem Weinkonsum sehr komplex und aufwendig geworden. Dabei ist es umso wichtiger, eine klare, unverwechselbare Philosophie zu haben. Als kleines Unternehmen können wir zudem recht flexibel auf die Bedürfnisse des Marktes reagieren.
Die Weinbranche steht derzeit stark unter Druck. Welche Herausforderungen spüren Sie als kleines, qualitätsorientiertes Weingut am deutlichsten – und welche davon bereiten Ihnen persönlich am meisten Kopfzerbrechen?Allgemein finden wir es bedrohlich, welch eine große Lobby sich gegen den Weinkonsum stark macht, die dabei nicht zu bedenken scheint, was alles mit der deutschen Weinwirtschaft in Verbindung beziehungsweise in Abhängigkeit steht. Nehmen wir nur allein das Beispiel Tourismus. Der Kaiserstuhl ist interessant für Touristen wegen seiner unverwechselbar schönen Reblandschaften und Weinbaubetrieben sowie Genossenschaften. Davon profitieren Gastronomie, Hotellerie, der Einzelhandel vor Ort und es bietet natürlich Arbeitsplätze.Als kleiner Betrieb wird der Dokumentationsaufwand beziehungsweise der bürokratische Aufwand immer größer, was dazu führt, dass weniger Zeit für die eigentliche Arbeit bleibt und Überstunden für den Betriebsinhaber zur Normalität werden.
Mit Wetterextremen hatte man in der Landwirtschaft schon immer zu kämpfen, nur werden diese intensiver und auch unberechenbarer. Das beste Beispiel sind die intensiven Regenereignisse Ende August/Anfang September, die dazu führten, dass die Ernte sehr schnell vonstattengehen musste. Das bringt viele Betriebe an die Grenze des Machbaren, da man schlecht die gesamte Ernte an drei Tagen einbringen kann.
Weinvermarktung ist heute komplexer denn je. Mit welchen Strategien schaffen Sie es, Ihre Weine sichtbar zu halten und die Nachfrage konstant hochzuhalten?
Wir fokussieren uns auf eine persönliche Art der Werbung beziehungsweise der Pflege von Kontakten. Beispiele sind Weinmenüs bei unseren Gastronomiekunden, Hausmessen bei unseren Fachhändlern, verschiedene kulinarische Events direkt vor Ort in Königschaffhausen für unsere Privatkunden. Außerdem regelmäßige Besuche von Fachhandels- und Gastrokunden in Verbindung mit Verkostungen, und sollte die Zeit dafür nicht reichen, greift man einfach mal zum Handy und bringt sich in Erinnerung und tauscht Neuigkeiten aus.
Werbung auf Social Media gehört inzwischen zum Standard, wobei wir diese ebenfalls mit einer persönlichen Note versehen. Unterstützend wirken auf jeden Fall jede Art von Berichten in der Presse und guten Bewertungen unserer Weine in den einschlägigen Weinführern.
Sie beide haben zusätzliche Aufgaben außerhalb des eigenen Weinguts übernommen. Welche Rolle spielt dieses zweite Standbein – und wie ergänzt es Ihre Arbeit im Betrieb?
Ich arbeite nebenher beratend als Önologin für andere Weinbaubetriebe. Eine Tätigkeit, die mir persönlich sehr viel Spaß bereitet. Meine Frau ist Sommelière und übt diese Tätigkeit für bestimmte extern gebuchte Seminare und Masterclasses aus. Beide sind wir nicht abhängig von diesen Tätigkeiten, auf einem zweiten Bein lässt es sich entspannter stehen.
Wenn Sie an die kommenden Jahre denken: Wie beurteilen Sie die Zukunft des Weinbaus in Baden – und welche Schritte wären nötig, um die Branche aus der aktuellen Krise herauszuführen?
An dieser Stelle müsste ich sehr weit ausholen, was das Interview sprengen würde. Zusammengefasst ist der einzige Ausweg, auf höchste Qualität zu setzten. Mit dieser Qualität einhergehend müssen die durchschnittlichen Verkaufspreise deutlich angehoben werden und es muss aufgehört werden, sich durch extreme Rabattaktionen gegenseitig zu unterbieten.
Badischer Wein soll einen hohen Anspruch an Qualität und Wertigkeit als Image vermitteln: gute Qualität hat nun einmal ihren Preis. Das ist sicherlich leichter gesagt als getan, aber in anderen Regionen Europas hat das auch geklappt. Ein langer Weg, für den man bereits sein muss, Opfer zu geben.
Unterstützung ist in herausfordernden Zeiten entscheidend. Von wem wünschen Sie sich Rückenwind – und welche Maßnahmen würden aus Ihrer Sicht wirklich etwas bewegen?
Wir wünschen uns: allgemein eine positivere Werbung über das Thema Wein in den Medien (Weinkonsum als Kulturgut in Zusammenhang mit dem Genuss von Essen, nicht als Partygetränk).
Eine bessere monetäre Unterstützung der Politik für allgemeine Werbemaßnahmen des deutschen beziehungsweise badischen Weins.
Steuerliche Entlastungen vom Staat in Bezug auf Lohnkosten und Körperschaftssteuer.
Das Fortbestehen von Fördermitteln für Investitionen in innovative Kellertechniken.
Eventuell auch weitere Fördermittelbereitstellung für Marketing- und Vertriebsmaßnahmen (für die Erschließung Exportmärkten gibt hier schon welche, aber auch diese werden geringer).
Ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie sich und Ihr Weinhaus in zehn Jahren – und welche Träume treiben Sie auf diesem Weg an?
Allein schon die letzten zehn Jahre zurückblickend sorgen für einen Wow-Effekt! Ein Weingut so mitten aus dem Nichts ohne Geld im Hintergrund in so kurzer Zeit so hochzubringen und mittlerweile bei vielen bekannten Adressen der Gastronomie und des Handels gelistet zu sein, da kann man nicht meckern, würde der Berliner sagen. Wie schon in den letzten zehn Jahren werden wir weiterhin kompromisslos und zielgerichtet an der Weiterentwicklung unserer Weinqualität feilen. Wir möchten nicht in der Quantität wachsen, die Qualität steht ganz oben. Dementsprechend wird sich unser Bekanntheitsgrad steigern und wir unsere Weine noch erfolgreicher im In- und Ausland vermarkten.
Das Weinhaus Schumann
Das Weinhaus Schumann hat zwei festangestellte Mitarbeiter und ein bis zwei Aushilfskräfte je nach Saison. Etwa 60 000 bis 70 000 Flaschen werden pro Jahr abgefüllt. Eigenen Rebflächen hat das Weingut nicht, da es bei der Gründung finanziell nicht möglich war, eigene Flächen zu erwerben bzw. diese dann auch zu bewirtschaften, sagt Bettina Schumann. „Wir beziehen unsere Trauben von sechs Traubenlieferanten vom Kaiserstuhl, die durch unseren Mitarbeiter Joachim Bumen betreut werden. Hier geben wir klare, stark qualitätsorientierte Vorgaben in der Bewirtschaftung der Reben.“
Der Kaiserstuhl sei eine der spannendsten Weinregionen Deutschlands. Das vulkanische Terroir, das warme Klima und die beeindruckende Vielfalt an Böden biete perfekte Voraussetzungen für den Anbau von Burgunder-Rebsorten. „Unser Fokus liegt daher auf den klassischen Burgundersorten: Spätburgunder, Grauburgunder, Weißburgunder und Chardonnay. Sie spiegeln das Terroir des Kaiserstuhls in seiner reinsten Form wider und bieten gleichzeitig Raum für unsere kreative Handschrift. Berühmt geworden sind wir jedoch vor allem durch unsere Rosé-Weine, mit ihrem außergewöhnlichen Geschmacksbild und ihrer strukturierten Art.“
