Ein Familienunternehmen übernehmen ist nie leicht. Wenn man gleichzeitig auch noch zweifache Mutter ist, kommen noch einige Herausforderungen hinzu. Fabienne Maier von Maier Reisen hat uns erzählt, wie sie ihre Zeit einteilt, schwierige Entscheidungen trifft und dennoch erfolgreich ist.

Die gelben Sessel hat Fabienne Maier für ihr Büro ausgesucht, weil die Farbe sie an eine Bushaltestelle denken lässt – als würde sie nicht schon genug über Busse nachdenken.
Schon bevor man das Büro der Geschäftsführerin von Maier Reisen betritt, ahnt man, was für ein Unternehmen sich am Rande von Villingen angesiedelt hat. Jede einzelne der weißen Türen im Gebäude trägt eine Beschriftung im Firmen-Blau und ein Haltestellen-Symbol. Maier Reisen ist ein Busunternehmen mit zwei Standbeinen. Das eine Standbein sind weiße Reisebusse, die für Tagesausflüge oder Klassenfahrten gebucht werden können. Das andere Standbein sind blaue Linienbusse, mit denen die Firma Maier als Auftragnehmer den Nahverkehr bespielt.
Fabienne Maier führt weiter durch das Gebäude. Zehn Uhr morgens und nur ein Mitarbeiter sitzt im Aufenthaltsraum. „Gerade ist unsere Hauptverkehrszeit“, erklärt Maier. Da ist auf dem Parkplatz mehr los.
Beim Durchqueren der Werkstatt riecht es nach Gummi und Metall, Abgasen und Kraftstoff. Im Raum dahinter ist die eigene Waschstraße. „Wir waschen mit Regenwasser“, erklärt Fabienne Maier stolz. Dann geht die Tür auf und drei dunkelblaue Linienbusse strahlen mit dem Frühlingshimmel um die Wette. Ein vierter Bus fährt gerade durch das Tor. Fahrer und Fabienne Maier lächeln sich zu.
Der Generationenwechsel
Seit drei Jahren ist Maier Geschäftsführerin des Familienunternehmens, das ihr Ur-Urgroßvater 1920 gegründet hat. Schon als Schulkind war sie „die mit den Bussen“, erzählt sie. Es klingt, als sei ihre Karriere schon vorgezeichnet gewesen. „Ich habe mich erst mit 32 Jahren wirklich entschieden“, widerspricht die heute 42-Jährige. Ihre Ausbildung hat sie bei einer Bank gemacht, bevor sie in den Familienbetrieb wechselte und Tür an Tür mit ihrem Vater arbeitete. Schon damals wusste sie, dass sie eine andere Art Geschäftsführerin werden würde – „das habe ich meinem Vater vor der Übernahme auch gesagt“, erzählt sie und lacht. Und dennoch ist der Generationenwechsel in der Firma geglückt. Denn Vater Maier hat einen klaren Strich gezogen. „Das ist unser Glücksrezept“, sagt die Tochter. So haben sie keine regelmäßigen Gespräche über Bilanzen, Mitarbeiter oder Investitionen – und somit auch keine Konflikte über unterschiedliche Ansichten. Ein Rat, den Fabienne Maier weitergeben möchte. „Nur wenn sich die alte Generation ganz aus dem Unternehmen löst, kann man Neues umsetzen“, ist sie überzeugt.
Sie ist stetig dabei, ihre eigene Linie ins Unternehmen zu bringen. Anfangs war sie besorgt, ob nach dem Wechsel der Geschäftsführung alle 60 Mitarbeiter bleiben würden. Insbesondere als junge Frau in der Branche sei es nicht immer leicht, sagt sie. Doch die Sorge hat sich nicht bestätigt. Alle Mitarbeiter sind geblieben.
Maier ist eine Powerfrau, das sagt sie selbst über sich. Als der Ärmel von ihrem Blazer hochrutscht, wird ein neon-orangenes Armband an ihrem Handgelenk sichtbar. Ihre Tochter hat es geknüpft, erzählt sie. Denn neben ihrem Unternehmen meistert sie auch noch ihre Rolle als Mutter. „Es braucht mehr Frauen, die sich trauen, Kinder zu bekommen und trotzdem in die Unternehmensnachfolge einzutreten“, findet Fabienne Maier. Sie hat den Schritt gewagt – einen „täglichen Kraftakt“ nennt sie es. Damit alles funktioniert, kommt die zehnjährige Tochter täglich nach der Schule zu ihr ins Büro, sitzt neben ihr am Schreibtisch und macht Hausaufgaben. Am Nachmittag macht Maier eine lange Pause, um Zeit mit dem sechsjährigen Sohn zu verbringen, bevor sie sich abends wieder der Arbeit widmet. Ihr ist es wichtig, dass ihre Kinder mitbekommen, was und wie sie arbeitet. Wenn es nach ihrer Tochter ginge, dann stünde die sechste Generation schon in den Startlöchern, erzählt Maier und lacht. Erstmal ist aber die Mutter an der Reihe.

Die Epoche der E-Mobilität
Schon bei der Firmenübergabe wusste sie, welche Herausforderungen ihr Vater mit übergeben hat. „Meine Epoche wird unter der Überschrift ‚E-Mobilität‘ stehen“, fasst sie zusammen. Bis die ersten E-Busse der Firma Maier rollen, wird es allerdings noch eine Weile dauern. Derzeit finden noch organisatorische Prozesse statt: Infrastruktur prüfen, Machbarkeitsstudien durchführen, Optionen abwägen, zählt Fabienne Maier auf. Dabei muss sich die Firma auch mit ihren Auftraggebern abstimmen. „Wir freuen uns auf die Entwicklungen“, sagt Maier. Denn ihr Ziel sei es, die Firma nachhaltig und erfolgreich zu führen und ihre Zukunft zu sichern. Auch Digitalisierung, eine moderne Flotte und die kontinuierliche Anpassung an neue Entwicklungen seien essenziell, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Wenn Fabienne Maier wichtige Entscheidungen treffen muss, trifft sie diese aus dem Bauch heraus, meist beim Joggen. Dreimal die Woche schnürt sie die Schuhe und dreht eine Runde. Oft begleiten ihre Kinder sie auf dem Fahrrad. Beim Laufen kann sie am besten denken und Vor- und Nachteile abwägen. „Ich frage mich, was das Schlimmste ist, das passieren kann, und dann gehe ich die Sache an“, fasst sie zusammen.
Auch die Mitarbeiter bezieht sie in Prozesse ein und erklärt Entscheidungen und Hintergründe, damit sich alle eingebunden fühlen. Und wenn sie doch einmal Unterstützung brauchen würde, wäre auch ihr Vater noch als Ratgeber zur Stelle. Doch gerade genießt er seinen Ruhestand und reist viel – allerdings nicht mit den firmeneigenen Bussen. Die hat er in seiner Zeit als Geschäftsführer schon genügend gesehen. Carolin Johannsen