Hinter einer gläsernen 1990er-Jahre Fassade in der Zinkmattenstraße im Freiburger Industriegebiet Nord versteckt sich ein echter Hidden Champion: Die Madeira Garnfabrik ist Weltmarktführer für industrielles Stickgarn.

Freiburg. In der Empfangshalle von Madeira geht es bunt zu. Unzählige Fadenspulen in vielen verschiedenen Farben sind an hohen Raumteilern aufgereiht und geben dem Besucher einen Eindruck vom Sortiment, das hier entsteht. Die Garnfabrik produziert jährlich 800 Tonnen Stickgarn für Bekleidungs-, Sportartikel- und Heimtextilienhersteller in der ganzen Welt. Die Fadenspulen aus Freiburg gehen in über hundert Länder. Lange bevor Globalisierung den meisten ein Begriff war, haben die Brüder Michael und Ulrich Schmidt, die das Familienunternehmen in dritter Generation führen, seit Mitte der 1970er-Jahre ein internationales Netzwerk aufgebaut. Außer dem Hauptsitz in Freiburg, an dem das Gros der Garne produziert wird, betreiben sie ein Werk im indonesischen Batam sowie zehn ausländische Tochtergesellschaften und arbeiten mit über 50 Vertriebspartnern zusammen. Über 90 Prozent des Umsatzes erzielt Madeira im Export. Der größte Einzelmarkt sind die Vereinigten Staaten.
„Die Internationalisierung ist sicher ein Grund für unseren Erfolg“, sagt Marketingleiter Sebastian Schade. Weitere Gründe sind die Spezialisierung und die Qualität. Das Unternehmen, das 1919 als Burkhardt & Schmidt Garnfabrik gegründet wurde und in den ersten Jahrzehnten Nähgarne aus Baumwolle produzierte, verlegte seinen Schwerpunkt ab Mitte des vergangenen Jahrhunderts auf industrielle Stickgarne. Bereits in den 1960er-Jahren entwickelte und perfektionierte Rudolf Schmidt, der Sohn des Firmengründers, ein Garn aus Kunstseide, also Viskose, für industrielle Stickmaschinen – das erste weltweit. Es wurde unter dem Markennamen „Madeira No. 40“ bekannt, deshalb firmiert das Unternehmen seit 1975 als Madeira Garnfabrik. Heute noch entstehen in Freiburg viele Garne aus Viskose, mittlerweile aber auch aus Polyester und Polyamid. Zudem produziert Madeira einige Woll- und Baumwoll- sowie eine wachsende Zahl Spezialgarne. Produzieren bedeutet: Das Rohgarn wird gefärbt, gespult sowie lubriziert, also geschmeidig gemacht, und durchläuft einen umfangreichen Qualitätssicherungsprozess. Ins Farbbad taucht es auf großen durchlöcherten Spulen, damit die Farbe alle Schichten gleichmäßig durchdringen kann. Am Ende landet es auf konisch geformten Spulen. Die typische Verkaufsgröße für Industriekunden sind 1.000 Meter. Seit Ende der 1980er-Jahre hat Madeira zudem ein separates Produktsortiment für Privatkunden.
„Sticken ist die nobelste Veredelungstechnik“, sagt Schade. Und es ist die beständigste, zumindest bei hochwertigen Garnen. „Unsere Farben sind chargenübergreifend sehr konsistent – auch über viele Jahre hinweg“, betont der Marketingchef. Madeira gilt als Premiumprodukt, deshalb kommt es auch weniger in Asien, mehr in Europa und Amerika zum Einsatz. Verschiedene Siegel und Zertifikate bezeugen die Qualität, beispielsweise Ökotex, FSC und ISO 9001. Die Färberei ist wahrscheinlich die umweltfreundlichste weltweit, sagt Schade. Bei den Kundensegmenten rangieren Mode, Sport, Arbeits-, Vereins- und Schulkleidung sowie Werbeartikel recht gleichberechtigt nebeneinander. Dazu kommen Heimtextilien wie Bettwäsche, Hand- oder Tischtücher. Madeira beliefert in der Regel direkt die Stickereibetriebe, pflegt aber den Kontakt zu den Designern der Textilhersteller, um Trends zu erkennen und zu beeinflussen.
Eine wichtige Entwicklung, bei der die Freiburger mitmischen, sind smarte Textilien. „Wir haben das erste leitfähige Stickgarn auf den Markt gebracht“, berichtet Schade. Damit können Stoffe mit smarten Funktionen ausgestattet werden, also beispielsweise heizen, leuchten oder Musik machen. Auch Elektroden können gestickt werden, und viele weitere Anwendungen sind denkbar. Das Segment könnte sich in den kommenden Jahren exponentiell entwickeln. Branchenkenner rechnen damit, dass in 20 Jahren fast jedes zweite Textil smart ist. „Da können und wollen wir mit dabei sein“, sagt Schade. Der Standort Freiburg garantiere kurze Wege zwischen Entwicklung und Produktion, das ermögliche Flexibilität und schnelles Reagieren.
Etwa 200 der insgesamt 450 Madeira-Mitarbeiter sind in Freiburg beschäftigt. In den USA arbeiten 85 Männer und Frauen für den Garnhersteller, die anderen verteilen sich auf die Standorte weltweit. Madeira wächst jährlich im oberen einstelligen Prozentbereich. Absolute Umsatzzahlen publiziert das Unternehmen, das nach wie vor komplett in Familienbesitz ist, nicht. Es gehe nicht um schnelles, sondern um gesundes Wachstum, erläutert Marketingleiter Schade. Madeira wolle weiterhin Marktführer bleiben, deshalb könne es keine Kompromisse bei der Qualität geben.
kat