Pfizer investiert kräftig in Freiburg: Innerhalb von drei Jahren fließen rund 190 Millionen Euro in den Standort. Damit wird die Arzneimittelproduktion automatisiert und beschleunigt.
Freiburg. Es war ein großer Bahnhof zur offiziellen Einweihung der jüngsten Investition von Pfizer in Freiburg. Zweihundert Gäste hatte man zum Festakt geladen, Ministerpräsident Winfried Kretschmann reiste aus Stuttgart an, der deutsche Pfizer-Chef Peter Albiez von der Zentrale in Berlin, und Kevin Nepveux, Vice President der Konzernmutter, kam sogar aus Connecticut geflogen. Dieses „Commitment“, wie der Freiburger Werksleiter Axel Glatt es nannte, zeigte die Bedeutung, die der Standort innerhalb des Konzerns hat. „Zukunftswerk“ nennt Pfizer seine Niederlassung in Freiburg, deren Schwerpunkt auf der Entwicklung und Markteinführung neuer fester Arzneimittel liegt. Freiburg hat sich als sogenannter Launch-Standort etabliert, an den die Produktion neuer Arzneien vergeben wird. Es ist einer der wichtigsten Produktionsstandorte innerhalb des Konzerns. Pfizer fertigt hier jährlich rund fünf Milliarden Tabletten und Kapseln in 200 Millionen Verpackungen. Zudem ist Freiburg das weltweit größte Abpackwerk fester Arzneiformen. Über 200 verschiedene Medikamente, vom Schmerzmittel bis zum Krebstherapeutikum, gehen von Freiburg in mehr als 150 Länder. Die Exportquote liegt bei 95 Prozent. Mit rund tausend Mitarbeitern ist Pfizer der zweitgrößte private Arbeitgeber der Stadt. Nur der Haufe-Verlag beschäftigt mehr Menschen.
Pfizers Commitment für Freiburg wird in den Investitionszahlen deutlich: Die Ausgaben an dem größten deutschen Standort summieren sich innerhalb von nur drei Jahren auf etwa 190 Millionen Euro. Jeweils etwa 40 Millionen kosteten die jetzt eingeweihte (Bild oben) und die erste Anlage, die vor gut einem Jahr ihren Betrieb aufgenommen hat. Eine dritte, für deren Bau Anfang November der offizielle Startschuss groß gefeiert wurde, wird wohl mit 110 Millionen Euro zu Buche schlagen.
Zahlen
Pfizer gilt als größtes Pharmaunternehmen der Welt
- Konzern: Gründung: 1849 Hauptsitz: New York Umsatz: 52,5 Milliarden Dollar (2017) Mitarbeiter: 97.000
- Pfizer Deutschland: Gründung: 1958 Standorte: Berlin (Hauptsitz und Verwaltung), Karlsruhe (Distributionszentrum) und Freiburg (Produktion) Hergestellte Verpackungen: 200 Millionen (2017) Mitarbeiter: 2.500
- Pfizer Freiburg: Gründung: 1866 als Gödecke Arzneimittelwerk, 1920er: Übernahme durch die amerikanische William W. Warner Company, seit 2000 Teil des Pfizer-Konzerns Mitarbeiter: 1.000
Die hohen Investitionskosten liegen vor allem in den langen Entwicklungszeiten begründet. Zehn Jahre hat Pfizer allein an der jetzt eingeweihten Anlage getüftelt. Der Preis ist ihr nicht anzusehen, sie wirkt klein in der großen neuen Halle. Doch sie kann viel. PCMM heißt die Anlage, das steht für „Portable, continuous, miniature, modular“ und bezeichnet ein Produktionsverfahren, das mobil, kontinuierlich, mit geringen bis mittleren Produktionsmengen und modular konzipiert wurde. Auch die ein Jahr ältere und die im Bau befindliche Anlage basieren auf der sogenannten Continuous Manufacturing Technology (CMT), also der kontinuierlichen Fertigung. Sie ermöglicht es, einzelne Herstellungsschritte – von der Anlieferung der Rohstoffe bis zur Auslieferung des fertigen Produktes – ohne Unterbrechungen aneinanderzureihen. Das spart Zeit, reduziert mögliche Fehlerquellen und verbessert somit die Qualität.
Der Unterschied zur herkömmlichen Herstellung von Medikamenten ist riesig. Traditionell werden Tabletten und Kapseln auf mehreren Geräten, in verschiedenen Räumen und nacheinander ablaufenden Schritten gefertigt. Das dauert. Im Gegensatz dazu produziert die PCMM-Anlage in einem komplett geschlossenen und eigenständigen System. Die einzelnen Schritte vom Wiegen übers Mischen und Granulieren bis zum Pressen laufen vollautomatisch und schnell ab. Was sonst Tage dauert, geschieht innerhalb weniger Minuten. Noch dazu arbeitet die Anlage stufenlos und flexibel, das heißt, es gibt keine festen Chargengrößen mehr, die Produkte können schnell gewechselt werden, und auch die Herstellung kleinster Mengen lohnt sich. „Das ermöglicht uns eine völlig andere Agilität“, sagte Axel Glatz bei der Eröffnung. Die neue Anlage eigne sich insbesondere für hochpotente Wirkstoffe beispielsweise in der Krebstherapie und für den Zukunftsmarkt der personifizierten Medikamente. Ein identisches Modell steht in der Pfizer-Entwicklungszentrale in Connecticut. Dadurch entfällt das sogenannte Scale-up, also das Übertragen der Maßstäbe von der Entwicklung auf die Produktion, und neue Produkte können sofort in Freiburg hergestellt werden.
Damit ist die PCMM Gegenstück und passende Ergänzung zu der CMT-Anlage (Bild links), die Pfizer 2017 in Betrieb genommen hat und die auf große Mengen ausgelegt ist. Die dritte Anlage, die jetzt gebaut wird, vereint Vorteile der beiden anderen. Sie soll Tabletten und Kapseln aus hochwirksamen Wirkstoffen in größeren Maßstäben produzieren können. „Mit den neuen Anlagen bauen wir unsere technologische Vorreiterrolle in Freiburg aus“, betonte Glatz. Pfizer-Vize Kevin Nepveux bezeichnete sie als „Demonstration von Industrie 4.0“ und als Meilenstein der Pharmaproduktion. Zukunftsweisend ist nicht nur die Intelligenz der Anlagen, sondern auch ihre Nachhaltigkeit. Bei der PCMM entfällt beispielsweise die sonst bei Produktwechseln nötige Reinigung, und die Abfälle sind minimal. So beschreitet Pfizer Freiburg seinen Weg als grüner Leuchtturm innerhalb des Konzerns und der Pharmaindustrie weiter. Mehr als 200 umweltschonende Maßnahmen hat der Standort bereits umgesetzt, die benötigte Energie stammt zu über 90 Prozent aus regenerativen Quellen. Dafür sorgen unter anderem der europaweit größte Holzpelletheizkessel sowie die geothermische Heizung und Kühlung. Die grüne Hochtechnologie gefiel dem Ministerpräsidenten. „Die Digitalisierung erlaubt es uns, etwas als und zu denken, was lange Zeit nur ein entweder-oder war“, sagte Kretschmann. „Ökonomie und Ökologie gleichermaßen wie Wettbewerb und Klimaschutz.“
kat