Im Februar hatten wir zum ersten Mal über das neue Fachkräfte-einwanderungsgesetz berichtet. Es soll es Unternehmen einfacher machen, Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten, den sogenannten Drittstaaten, zu gewinnen. Mitte August wurden die neuen Rahmenbedingungen final verkündet. Erste Regelungen sind seit November in Kraft. Der Rest folgt stufenweise in 2024. Doch wie funktionieren die neuen Verfahren? Was ist neu? Was bleibt alt? Erste Antworten.
Was gilt bereits seit November?
Seit dem 18. November gilt neu, dass eine Fachkraft aus dem Ausland mit einem voll anerkannten Berufsabschluss nun in jedem nicht-reglementierten Beruf arbeiten darf. Es muss nicht mehr der des Abschlusses sein.Das ist hilfreich etwa für den Einsatz von Fachkräften in artverwandten Berufen, in denen ähnliche Qualifikationen benötigt werden.
Was hat es mit der Blauen Karte auf sich?
Die neue Blaue Karte EU gilt ebenfalls seit November und betrifft vor allem Akademiker aus dem Ausland. Dabei gelten unter anderem nun niedrigere Gehaltsgrenzen: Die Karte kann nun auch schon erhalten, wer mehr als 50 Prozent der jährlichen Renten-Beitragsbemessungsgrenze verdient, in 2023 sind das im Westen 43.800 Euro. Für Engpassberufe und für Berufseinsteiger liegt die Grenze bei 45,3 Prozent, sprich bei aktuell rund 39.700 Euro.
Engpassberufe sind nicht mehr nur Mint-Professionen und Humanmediziner, sondern diverse andere medizinische und pflegerische Fachkräfte, Lehr- und Erziehungskräfte sowie zum Beispiel auch Führungskräfte im Bau und in der Logistik.
IT-Spezialisten können eine Blaue Karte auch ohne Hochschulabschluss erhalten, wenn sie drei Jahre Berufserfahrung mitbringen. Ihre Gehaltsgrenze ist die für die Engpassberufe.
Bisher spielte die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen eine große Rolle. Ist das künftig auch noch so?
Grundsätzlich ja. Neu ab dem 1. März wird aber sein, dass das Verfahren, um den Abschluss anerkennen zu lassen, auch erst in Deutschland stattfinden kann. Bislang musste das bereits im Ausland passiert sein. Damit der Mitarbeiter schon vor Anerkennung hierher kommen kann, muss eine sogenannte Anerkennungspartnerschaft vereinbart werden.
Was ist eine Anerkennungspartnerschaft?
Arbeitgeber und Mitarbeiter verpflichten sich schriftlich, dass sie das Anerkennungsverfahren zügig nach der Einreise anstoßen. Die Fachkraft erhält dann einen Aufenthaltstitel für ein Jahr, mit der Option auf Verlängerung bis zu drei Jahren. In diesem Zeitraum muss die volle Gleichwertigkeit des Abschlusses erreicht werden. Bedeutet: Anerkennungsverfahren inklusive eventuell nötiger Anpassungsqualifizierung.
Was muss der Mitarbeiter für eine Anerkennungspartnerschaft im Vorfeld mitbringen?
Er muss eine zweijährige vom Ausbildungsstaat anerkannte Ausbildung oder einen entsprechenden Hochschulabschluss mitbringen sowie A2-Deutschkenntnisse. Zudem ist für die Anerkennungspartnerschaft ein Arbeitsvertrag nötig.
Was ist, wenn jemand immerhin einen Bescheid über eine teilweise Gleichwertigkeit mitbringt?
Dann kann er sich mit seinem Unternehmen über eine Anerkennungspartnerschaft und/oder eine Qualifizierungsmaßnahme an eine volle Gleichwertigkeit heranarbeiten.
Für Qualifizierungsmaßnahmen – mit dem Ziel der vollen Gleichwertigkeit – erhalten Unternehmen und Mitarbeiter ab März mehr Zeit: Aus den bisher 18 Monaten werden dann zwei Jahre, mit der Option auf ein weiteres Jahr. Zudem können Arbeitnehmer parallel zur Qualifizierung nun 20 statt bislang 10 Stunden pro Woche arbeiten.
Gibt es auch eine Beschäftigungsmöglichkeit für nichtakademische Berufserfahrene ohne Anerkennungsverfahren?
Ja, ab März können Menschen aus Drittstatten mit berufspraktischer Erfahrung für einen Job in allen nicht-reglementierten Berufen einreisen. Sie benötigen dafür einen qualifizierten Berufs- oder Hochschulabschluss, der im Ausbildungsstaat anerkannt ist oder unter bestimmten Voraussetzungen über eine deutsche Auslandshandelskammer erfolgt ist, und mindestens zwei Jahre Erfahrung im angestrebten Beruf. Die Berufsqualifikation muss in Deutschland nicht formal anerkannt werden. Wer IT-Spezialist ist, benötigt auch weiterhin keinen Abschluss.
Arbeitgeberseitig ist auch hier ein Mindestgehalt erforderlich in Höhe von 45 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung.
Wie dürfen potenzielle Azubis einreisen?
Ab März erhalten interessierte Jugendliche aus dem Ausland erweiterte Aufenthaltsmöglichkeiten zur Lehrstellensuche. Die Altersgrenze wird von 25 auf 35 Jahre angehoben, es werden nur noch B1-Sprachkenntnisse gefordert. Die Aufenthaltsdauer zur Suche wird von sechs auf neun Monate verlängert. Nebenbeschäftigungen von 20 Stunden pro Woche sind erlaubt sowie Probearbeiten von bis zu zwei Wochen.
Was kann die Chancenkarte?
Die Chancenkarte ist ab Juni für Menschen aus Drittstaaten eine weitere Möglichkeit, zur Jobsuche nach Deutschland zu kommen. Wer eine volle Gleichwertigkeit seiner Qualifikationen nachweisen kann, gilt als Fachkraft und erhält die Karte – sofern sein Lebensunterhalt gesichert ist – ohne weitere Anforderungen. Alle anderen benötigen als Voraussetzung einen Hochschulabschluss, eine Berufsausbildung – ab zwei Jahren Dauer – oder einen von einer Auslandshandelskammer erteilten Berufsabschluss sowie gewisse deutsche (A1) oder englische (B2) Sprachkenntnisse. Liegen diese Kriterien vor, kann der Kandidat nach kanadischem Modell Punkte für Sprachkenntnisse, Berufserfahrung und -qualifikation, Alter oder Deutschlandbezug sammeln. Ab sechs Punkten gibt es eine Chancenkarte.
Wie können Unternehmen die Chancenkarte nutzen?
Die Chancenkarte gilt für bis zu einem Jahr. In dieser Zeit darf der Kandidat Probearbeiten oder Nebenjobben bis 20 Stunden pro Woche, kann also von einem interessierten Arbeitgeber beschäftigt und begutachtet werden. Hat der Bewerber eine qualifizierte Beschäftigung in Aussicht, erfüllt aber noch nicht alle Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel zur Beschäftigung, kann die Karte um zwei Jahre verlängert werden.
Was wurde aus der Westbalkanregelung?
Zum einen wurde die Befristung bis Ende 2023 gestrichen. Damit können weiterhin Staatsangehörige aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien in nicht-reglementierten Berufen beschäftigt werden. Ab Juni 2024 wird das Kontingent auf jährlich 50.000 Zustimmungen der Bundesagentur für Arbeit erhöht. Die formale Qualifikation der Beschäftigten spielt keine Rolle, Aufenthaltserlaubnisse sind aber weiterhin befristet.
Wie können Asylbewerber beschäftigt werden?
Asylbewerber, die vor dem 23. März 2023 eingereist sind, einen Arbeitsplatz oder ein Angebot haben und die nötigen Qualifikationen mitbringen, können ihr Asylverfahren beenden und die Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen. Das geht ohne Ausreise und ohne erneutes Visumverfahren.
Werden Unternehmen mit den neuen Regelungen ohne Beratung durch Fachleute (siehe Kasten) zurechtkommen?
Größere Unternehmen, die viele Fachkräfte aus dem Ausland rekrutieren, werden sich wohl eine gewisse Expertise auch mit den neuen Regelungen aufbauen können. Kleinere Betriebe werden die Hilfe von Spezialisten benötigen, weil das Regelwerk nach wie vor kleinteilig ist.
Macht das neue Gesetz die Verfahren einfacher und schneller?
Weil das Gesetz noch jung ist, lässt sich das noch nicht beurteilen. Fachleute sind allerdings skeptisch, da beispielsweise die Personaldecke in den Behörden im In- und Ausland nicht groß mitgewachsen ist. Von Vorteil ist, dass mehr Kandidaten erstmal für eine Beschäftigung einreisen dürfen. Der Rattenschwanz an Formalitäten ist dagegen nicht nennenswert geschrumpft, nur anders geworden.
Text: Ulrike Heitze
Bild: Adobe Stock/Maksym Yemelyanov
Hier gibt es Infos und Beratung
- Welcome Center Schwarzwald-Baar-Heuberg: Beratungsstelle der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg und der Wirtschaftsförderung. Ramona Shedrach, Telefon: 07721 922 239 Mail: welcome@vs.ihk.de https://wirtschaftsfoerderung-sbh.de/welcomecenter
- Welcome Center Südlicher Oberrhein: Beratungsstelle der IHK Südlicher Oberrhein und der Handwerkskammer Freiburg. Olga Kuchendaeva, Telefon: 0761 3858-197 Mail: Olga.Kuchendaeva@freiburg.ihk.de, Sophie Figueredo-Hardy, Telefon: 0761 3858-198 Mail: Sophie.Figueredo-Hardy@freiburg.ihk.de, Justyna Gawron, Telefon: 0761 3858 199 Mail: Justyna.Gawron@freiburg.ihk.de www.hwk-freiburg.de/de/betriebsfuehrung/personalberatung/welcome-center-black-forest
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- Unternehmen Berufsanerkennung (UBA): Vom Bundesbildungsministerium gefördertes Projekt der DIHK und des zentralen Handwerks. Info- und Serviceportal für Arbeitgeber rund um Fachkräfteeinwanderung www.unternehmen-berufsanerkennung.de
- Aktueller Flyer „Fachkräfteeinwanderung – Möglichkeiten für Unternehmen“ der UBA als Wegweiser durch die neuen Regelungen unter www.unternehmen-berufsanerkennung.de/angebote/infomaterialien
- Make it in Germany: Info- und Jobportal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland, Unternehmen, Azubis, Studenten, in diversen Sprachen. www.make-it-in-germany.com
- IQ BW Netzwerk Integration durch Qualifizierung und die Regionale Koordinationsstellen Fachkräfteeinwanderung (RKF): Ansprechstellen vor allem für KMU zum Thema Fachkräftegewinnung und -integration. www.netzwerk-iq-bw.de/de/infoportal
- Beratungsangebote des Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur: www.arbeitsagentur.de/unternehmen/arbeitskraefte/fachkraefte-ausland
- Anerkennung in Deutschland: Infoportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen www.anerkennung-in-deutschland.de