First in, last out – die Veranstaltungswirtschaft war von den Einschränkungen rund um die Pandemie mit am stärksten betroffen. Erst seit April können Messen, Feste, Konzerte und Co. wieder ganz ohne Auflagen stattfinden. Wir haben uns bei Unternehmen quer durch die Branche umgehört, wie es ihnen im Restart jetzt geht und auf was für eine Zukunft sie – und damit auch wir als ihre Kunden – zusteuern.
Auch 35 Grad im Schatten konnten die Fans des Southside-Festivals nicht abhalten. 65.000 waren Mitte Juni nach Neuhausen ob Eck nahe Tuttlingen gepilgert, um nach zweijähriger Zwangspause wieder zu Rock, Reggae und Hip-Hop zu feiern. Und überall im Land tun es ihnen die Menschen seit Wochen gleich. Viele – vor allem die Jüngeren, die Älteren sind noch etwas zurückhaltend – drängt es nach draußen, auf Stadtfeste, Konzerte, Messen oder in Ausstellungen und Lesungen. Mindestens ebenso groß wie ihr Aufatmen ist das der Macher auf der anderen Seite der Events: bei Konzertagenturen, Messebauern, Diskothekenbetreibern, Veranstaltern, Locations, Caterern und Künstlern. Nach zwei Jahren mit coronabedingten Lockdowns und stetig wechselnden Auflagen ist die Veranstaltungswirtschaft heilfroh, wieder zurück im Rennen zu sein – auch wenn so mancher nicht ganz sicher ist, ob sein Aufseufzen der Freude oder dem aktuellen Arbeitspensum geschuldet ist.
Das ist die Veranstaltungswirtschaft*
- 243.000 Unternehmen, davon 128.000 Kleinstunternehmen
- 43 Prozent Soloselbstständige
- 1,1 Millionen Erwerbstätige, davon 28.000 Auszubildende
- Über 100 Wirtschaftszweige
- 81 Milliarden Euro Umsatz
- 43,6 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung
- 76,6 Prozent Umsatzverlust in 2020
* Bundesweite Erhebung über die Akteure, die unmittelbar an der Planung und Produktion von Veranstaltungen beteiligt sind. Nicht enthalten sind Ausstrahlungseffekte auf andere Branchen wie Gastronomie und Tourismus.
Quelle: Studie „Landkarte Veranstaltungswirtschaft“ der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft e.V. mit dem R.I.F.E.L. e.V. und der TU Dresden, 8/2021
Denn tatsächlich steppt an der Eventfront aktuell der Bär. Das Jahr – und insbesondere der Sommer – hat gar nicht genug Wochenenden für all die angepeilten Feste.
„Ich bin froh, dass wir unser Festival für Mai angesetzt hatten und trotz kleinerer Engpässe alles an Personal und Equipment noch zusammen bekommen haben“, sagt dazu Dirk Bamberger. Er ist Geschäftsführer der Top-10-Diskotheken in Balingen, Singen und Konstanz, Veranstalter des jährlichen „Elements“-Festivals für elektronische Musik und Vizepräsident des Bundesverbands deutscher Discotheken und Tanzbetriebe im Dehoga. „Ich möchte jetzt im Juli keine Veranstaltung machen müssen. Keine Ahnung, wie das funktionieren soll.“
Denn bundesweit trifft Geschobenes auf Neues. 80.000 – diese Zahl hat Tilo Buchholz vom Büro für Popmusik und Nachtkultur bei der Stadt Freiburg von einer Branchentagung im November mitgebracht: „Bis zu diesem Zeitpunkt waren 80.000 Veranstaltungen in Deutschland verschoben oder abgesagt worden. Und für diese 80.000 waren noch Tickets im Umlauf. Eine Mammutaufgabe für die Branche, diese Events in absehbarer Zeit abzuarbeiten.“ Neue Veranstaltungen und Nachwuchskünstler werden es da erstmal schwer haben, eine Lücke zu finden. „Wer heute ein Album herausbringt, muss sich ernsthaft fragen, wann er es schafft, damit auf Tour zu gehen“, meint Buchholz, der selbst in einer Rockband spielt.
Kaum noch Luft nach oben
Diese gewaltige Bugwelle – vielfach begleitet von ungeduldigen und fordernden Auftraggebern – trifft dabei nicht nur auf eine Branche, die bei aller Freude über den Restart nach zwei Jahren Auszeit oft erstmal wieder in ihre Live-Routinen zurückfinden muss. Sie trifft auch auf einen akuten Mangel an allem: von Personal – seien es Bühnenarbeiter, Sicherheitskräfte, Schankpersonal oder Licht- und Tontechniker – bis zu Absperrzäunen, Lichttechnik, Bierbänken oder Lkw. Hinzu kommen die gestiegenen Kosten für Personal, Material und Energie für Events, die man preislich oft noch vor Corona kalkuliert hatte.
Nachdem jüngst einige Traditionsfeste in Freiburg abgesagt worden waren, weil die ehrenamtlichen Organisatoren das nötige Sicherheitspersonal nicht mehr finanzieren konnten, will die Stadt nun einen Fonds mit Hilfsgeldern für solche Fälle auflegen.
Auch Manfred Hölzl, Vorsitzender des Tourismusausschusses der IHK Hochrhein-Bodensee und lange Geschäftsführer des Konzils, einer Tagungs- und Eventlocation in Konstanz, bittet die Kommunen und Genehmigungsbehörden um Nachsicht, wenn sich insbesondere Ehrenamtliche aktuell bei der Organisation von Wein- oder Dorffesten in den Details verheddern. „Nach zwei Jahren Pause sitzen in den Vereinen oft ganz neue Köpfe. Und der Rest ist aus der Übung“, merkt er an.
Für seine ehemals eigene Veranstaltungssparte, den Tagungs- und Incentivebereich, erwartet er mit den größten Wandel, „der aber schon 2018, 2019 eingesetzt und in der Pandemie an Fahrt gewonnen hat.“ Man werde dort künftig moderner, nachhaltiger, zeitsparender werden müssen. „Unternehmen stellen fest, dass sie sich nicht bei vier von vier Treffen live sehen müssen. Auch Gastredner wird man nicht mehr zwingend einfliegen.“ In Zukunft wird mehr digital dazugeschaltet, mit allen Folgen, die das für ein Tagungsangebot hat.
Mehr Verbindlichkeit wichtig
Den unbedingten Drang sich wieder vor Ort zu treffen, erkennt dagegen Henning Könicke, Vorsitzender das Fachverbands Messen und Ausstellungen, kurz „FAMA“, bei seinem Klientel. „Die Unternehmen möchten sich dringend wieder mit ihren Leistungen und Produkten einem Publikum zeigen und ihre Netzwerke pflegen.“ Alle Messeplätze feilten deshalb mit Hochdruck an alten und neuen Veranstaltungen. „Die größte Herausforderung dabei ist aktuell, mit den Anspruchshaltungen aller Beteiligten klarzukommen“, sagt er. „Alle wünschen sich eine deutlich schnellere Rückkehr, aber das ist nicht so einfach.“
Auch hier die gleichen Restriktionen: Personal, Lieferketten, Rohstoffe. „Wir können uns nicht mit einem Fingerschnippen nach 2019 zurückbeamen, einer damals sehr stabilen Zeit.“ Der Restart erfolge in einer instabilen Umgebung, mit Corona und dem Ukraine-Krieg als Damoklesschwertern. Und Messen benötigen eben ihre Vorlaufzeiten und kalkulierbare Zusagen. „Da würden wir uns im Moment ein bisschen mehr Geduld und Entgegenkommen von allen Seiten wünschen“, bittet Könicke.
Doch wie geht es mit den Unternehmen der Veranstaltungswirtschaft weiter, jenseits des Sommers, wenn der aktuelle Hype sich mal gelegt hat? Was braucht es, damit Auftraggeber auch jenseits der coronafreundlichen Sommermonate wieder verbindlich und zu für beide Seiten akzeptablen Konditionen Veranstaltungen buchen? Damit sich die Branche finanziell von den strapaziösen Coronajahren erholen kann? – Planungssicherheit zuallererst, so der einhellige Tenor.
Informationen
IHK Hochrhein-Bodensee:
Alexander Vatovac
Telefon: 07531 2860-135
Mail: alexander.vatovac@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Daniela Hermann
Telefon: 07721 922-136
Mail: hermann@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
Christina Gehri
Telefon: 0761 3858-142
Mail: christina.gehri@freiburg.ihk.de
Genesung wird dauern
„Die Begeisterung über den vermeintlichen Neustart gerät derzeit etwas in den Hintergrund, weil keiner einschätzen kann, ob das dauerhaft so bleibt. Im schlimmsten Fall ist die jetzige Phase nur ein kurzes Aufatmen, ohne die Schäden der vergangenen Jahre aufarbeiten zu können“, stellt Sandra Beckmann fest, zuständig für die politische Interessenvertretung beim „fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft e.V.“.
Erneute Einschränkungen würden sich auch weiter auf die ohnehin schon fatale Personalausstattung und die Lage der Kleinstunternehmen in der Branche auswirken: „Viele der Selbstständigen aus den rund 150 Branchenzweigen und Tätigkeitsfeldern, sind aufgrund mangelnder Hilfen und der Länge der einschränkenden Maßnahmen abgewandert. Ein Großteil wird dauerhaft verloren sein. Für uns bedeutet das, ein hohes Maß an Fachexpertise verloren zu haben, wenn man bedenkt, dass 42,8 Prozent aller Erwerbstätigen in der Branche selbstständig sind.“
Einen positiven Effekt aber hatte die Pandemie: Ohne sie wäre sich die Branche ihrer Größe, Wirtschaftskraft und der enormen Ausstrahlungseffekte auf andere Sektoren immer noch nicht bewusst geworden. Geschweige denn die Politik. Erst während der Pandemie erfolgten diverse Bestandsaufnahmen der Kleinteiligkeit, die in Summe aber ein sehr großes Ganzes ergeben (siehe Grafik Seite 7). Umso wichtiger also, gut darauf aufzupassen.
Text: Ulrike Heitze
Bilder: Adobe Stock, studiostoks/Adobe Stock, jemastock
Trend Factory, Rottweil
„Traut euch auch im Herbst“
„Vergangene Woche hatten wir in Spanien ein Event mit gut drei Dutzend Menschen aus der Mobilfunkbranche, die ihrem Telefon ja traditionell sehr nahestehen. Und außer für ein paar Fotos hat keiner an dem Tag sein Smartphone gezückt. Eine außergewöhnliche Erfahrung“, berichtet Mike Wutta, Mit-Geschäftsführer der Rottweiler „trend factory marketing und veranstaltungs GmbH“. „Alle waren voll bei der Sache.“ Auch wenn es momentan schwieriger sei, die Menschen aus ihrem neuen – und bequemen – Coronatrott zu holen, „wenn sie diese Hürde erstmal genommen haben, sind die Menschen im Moment einfach so dankbar für gute Liveevents.“
Trend Factory deckt die gesamte Bandbreite von Veranstaltungen ab, von Firmenevents über Kultur und Messen bis zu Konzerten, Partys und Festivals unter anderem im hauseigenen „Kraftwerk“ in Rottweil. Weil man schon sehr früh auch auf digitale Veranstaltungen gesetzt hat, ist das Unternehmen ganz passabel durch die Pandemie gekommen und sieht sich für eine gemischte Zukunft aus digitalen, Live- und hybriden Events gut gerüstet.
Mit Blick auf den Herbst und die Zukunft der Branche appelliert Wutta an die Unternehmerschaft: „Plant Managementmeetings, Kickoffveranstaltungen und Jubiläen auch für die Zeit zwischen November und März.“ Seine Erfahrung: Zurzeit wird veranstaltet bis zum Umfallen, mit den bekannten Bremsspuren durch Mangel an Terminen, Locations, Mitarbeitern und Equipment. Bis Oktober fühlen die Kunden sich sicher. Für die Wintermonate sind die Planer dagegen abwartend, nehmen sogar in Kauf, dass später vielleicht vieles nicht mehr so schnell zu planen sein wird.
Gift für die Veranstaltungswirtschaft, meint Wutta: „Die Branche ist noch nicht so weit, dass sie von einem Saisongeschäft leben kann. Wir sind kein Skigebiet.“ Zudem sei eine solche Zögerlichkeit auch völlig unnötig: „Macht Events – und lasst uns gemeinsam verschiedene Szenarien dafür andenken“, ermuntert Wutta. Die Bandbreite der Optionen liege doch auf dem Tisch. Auf alles könne man sich vorbereiten. „Das ist herausfordernd für die Branche und beratungsintensiv für uns als Agenturen, aber ich denke, das zu leisten, lohnt sich für alle Beteiligten.“
uh
Insel Mainau, Konstanz
Die Besucher sind zurück
Viele Hochzeiten und Geburtstage werden dieser Tage auf der schmucken Insel im Bodensee nachgeholt, berichten Bettina Gräfin Bernadotte und Björn Graf Bernadotte, Geschäftsführer der Insel Mainau. Der Betrieb habe sich so weit belebt, dass man inzwischen ohne Kurzarbeit auskomme. „Derzeit sind wir bei etwa 85 Prozent des Vor-Corona-Niveaus“, sagt Gräfin Bettina. Im Bereich der Gruppenreisen stellen die beiden noch deutlich weniger Betrieb also vor der Pandemie fest. Unklar ist noch, ob das Ausdruck von Zurückhaltung oder eine anhaltende Marktveränderung ist. Die beiden Geschäftsführer rechnen damit, dass es vier bis fünf Jahre dauern wird, bis der Betrieb die Coronaauswirkungen überwunden hat. Derzeit suchen die Mainauer für Gas-tronomie und Verkauf nach Mitarbeitern. Bis die neuen Kollegen gefunden sind, wird der Engpass mit variierenden Öffnungszeiten überbrückt. Die pausierten Investitionen und Projekte werden Schritt für Schritt wieder aufgenommen. „Zum Beispiel planen wir an der weiteren baulichen Entwicklung der Insel- und Festlandfläche weiter,“ sagt Gräfin Bettina. Mit Blick auf den Christmas Garden Mainau, der ab Ende November spielen soll, wurden mögliche Restriktionen mitgedacht. „Wir erwarten, dass Attraktionen im Freien besonders gut funktionieren sollten.“ Zudem denke man über eine Ausweitung der Geschäftstätigkeiten außerhalb der Insel nach, sodass ein etwaiger eingeschränkter Besucherbetrieb nicht zu sehr ins Gewicht fällt – etwa den Handel mit Gartenprodukten oder auch die Planung von Gartenanlagen für externe Auftraggeber. „Gut gefällt uns die Entwicklung hin zu noch mehr regionaler Produktion in den verschiedensten Bereichen“, sagt Graf Björn. Das mache widerstandsfähiger und habe großes Potenzial für den Klimaschutz. Der Ukraine-Krieg mache sich im Moment hauptsächlich durch Lieferschwierigkeiten bei bestimmten Produkten und steigenden Preise, auch bei Nahrungsmitteln, bemerkbar. „Das stellt eine gewisse Herausforderung dar, da wir unsere Preise möglichst stabil halten wollen, um nicht die Inflation noch zusätzlich anzutreiben.“ Für den Winter rechnen die Betreiber damit, nur eine sehr begrenzte Menge Gas beziehen zu können und sind hier schon in konkreten Vorbereitungen für entsprechende Maßnahmen. Denn die wertvollen Pflanzensammlungen und das Schmetterlingshaus brauchen es warm.
db
Gloria-Theater, Bad Säckingen
Der Insolvenz mit Schwung von der Schippe gesprungen
Ausverkauftes Haus im April, volle Ränge im Mai – kurz: Im Gloria-Theater in Bad Säckingen herrscht Aufbruchstimmung, auch wenn der Spielbetrieb selbst 2020 und 2021 nicht komplett stillstand. „So oft es ging, sind wir auf die Bühne, was nicht immer wirtschaftlich war. Aber als Künstler sind wir davon getrieben, Menschen eine schöne Zeit zu schenken“, sagt Jochen Frank Schmidt, Co-Geschäftsführer, Komponist und Intendant. Rückblickend habe die Coronakrise sein unternehmerisches Handeln fundamental verändert. „Als nicht-subventioniertes, privates Theater im ländlichen Raum haben wir zunächst keine staatliche Förderung erhalten, 2021 drohte uns die Insolvenz.“ Ein Crowdfundingprojekt und neue Förderkriterien wendeten diese zwar ab, dennoch mussten Schmidt und sein Team „einige unschöne Entscheidungen treffen.“ Etwa soziales Engagement zurückzufahren, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Seit Kurzem finanziert das Gloria-Theater Investitionen auch eher über Kredite als über Rücklagen, da erstere in jüngster Vergangenheit staatlich unterstützt wurden. Künftig möchten die Betreiber auch nicht mehr nur von einem Standort abhängig sein. Daher bauen sie derzeit das Kurhaus Badenweiler gemeinsam mit der Gemeinde zum Festspielhaus um. Schmidt rechnet mit Kosten von rund zwölf Millionen Euro in den nächsten zehn Jahren. Personalmangel, explodierende Heizkosten, fehlende Ersatzteile und steigende Übernachtungspreise für die Künstler: Trotz großer Herausforderungen blickt Jochen Frank Schmidt positiv in die Zukunft: „Als BWLer weiß ich, dass sich alles in Kurven bewegt.“ Damit es schnell wieder bergauf gehen kann, appelliert er an die Politik, mehr Werbung für die Kulturbranche zu machen, Coronaverordnungen differenzierter auszugestalten und nicht alle Veranstaltungshäuser gleich zu behandeln.
Text: ks
Bild: Alexander Kaemmer
Offline und Kulturaggregat, Freiburg
Hip-Hop eine neue Bühne geben
In Zeiten, in denen viele Akteure aus der Branche um ihre Zukunft bangen, sind Darwin Zulkifli und seine zwei Kompagnons mit ihrer neuen Veranstaltungsagentur Offline Concerts schon etwas Besonderes. Anfang April gingen sie mit ihrem ersten Event, einem Konzert des Wittener Rappers Lakmann One im Freiburger E-Werk an den Start. „Die Idee zu Offline ist während Corona entstanden“, berichtet Darwin Zulkifli, der im Brotberuf Produktionsleiter für eine Schweizer Veranstaltungsagentur ist und zudem mit einem Freund in Freiburg den Schlaf- und Rucksackshop „7Sachen“ betreibt. „Zum einen tut sich beim Hip-Hop zurzeit enorm viel, und das Thema ist zwischen Karlsruhe und Zürich noch nicht so bespielt. Zum anderen wollen wir den Leuten zeigen, dass offline wieder was möglich ist. Daher auch der Name.“ Wie man kreativ und coronakonform Kulturevents on- und offline veranstaltet, weiß Zulkifli aus erster Hand vom Künstlerkollektiv Kulturaggregat, dessen Vorsitzender er ist. „Der Verein ist zwar zu zwei Dritteln institutionell gefördert, aber wenn wir den Rest nicht selbst erwirtschaften, können wir unsere Räume in der Hildastraße nicht finanzieren“. Also überwand man zu Beginn der Pandemie zügig die Zukunftsangst und baute um. Die Location erhielt neue Lüftungsanlagen, die Webseite neue Onlineformate, zum Beispiel Hildav5 – eine digitale Nachbildung der echten Ausstellungsfläche – inklusive Twitchkanal zum Streamen von Konzerten. „Und damit auch online ein gemeinschaftliches Erleben möglich ist, haben wir ein Tool adaptiert, mit dem man sich per Avatar vor Bildern oder im Konzertfoyer mit anderen treffen und unterhalten kann“, erklärt Zulkifli und berichtet von langen Vernissageabenden, an denen er alte Freunde getroffen hat, die aus ganz Deutschland virtuell vorbeigebummelt waren. Diese digitalen Möglichkeiten will man nach dem Restart weiter nutzen, um auch Menschen zuzuschalten, die wegen Krankheit, eines Handicaps oder weil sie an einen anderen Ort gebunden sind, sonst nicht dabei sein könnten. „So schaffen wir für mehr Menschen Teilhabe am kulturellen Leben.“
uh
My Kaiserstuhl, Breisach am Rhein
Vom Weingut ins Wohnzimmer und zurück
Seit Sommer 2020 organisiert „myKaiserstuhl“ Events, sei es auf Weingütern oder digital in den Wohnzimmern der Region. Mit diesem zweigleisigen Ansatz hat es das Team rund um die Gründer Bernd Hau, Max Schneckenburger und Jakob Hau geschafft, sein Veranstaltungskonzept flexibel an die pandemische Lage anzupassen. „Wir feiern gerne persönlich mit unseren Gästen, aber Infektionsschutz geht vor. Im Winter 2020 haben wir daher erstmals Weinpakete gepackt, Experten eingeladen, den Teilnehmern die Sorten per Livestream vorzustellen und einen DJ gebucht, der mit passender Musik für Partystimmung sorgt“, fasst Max Schneckenburger die Idee hinter den Onlineweinproben zusammen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass sich My Kaiserstuhl in der Region etabliert hat. Konnten sie im Sommer 2020 immerhin vier Weinpartys veranstalten, organisieren sie zwei Jahre später rund zehn Mal so viele. Wer möchte, kann nahezu jede Woche ein Event besuchen. Dabei laden die Organisatoren nicht immer nur zu Winzern ein, sondern manchmal auch auf ein Partyboot. Die Nachfrage sei so groß, sagt der 30-Jährige, dass es immer wieder Wartelisten gäbe. „Wir möchten den Kaiserstuhl in Gänze stärker vermarkten, das heißt Freizeit, Wirtschaft und Kultur weit über die Grenzen hinaus bekannt machen. Deshalb bieten wir unseren Kunden verschiedene Partnerangebote.“ Ein Baustein sind die My-Kaiserstuhl-Partys. Dass Weinfeste dieser Tage wegen Sicherheitsauflagen ausfallen, versteht er nicht: „Organisatoren könnten darin auch eine Chance sehen, um mit Kommunen und anderen Akteuren neue Konzepte zu entwickeln und Gästen frische Ideen zu präsentieren.“ Zumal die Ticketverkäufe sowohl bei der Planung helfen als auch Mehrkosten für Sicherheitsdienste auffangen können.
ks
Tanzlokal Okay, Donaueschingen
Gelassen kommt weiter
Wie heißt es in einem legendären Fußballerzitat: „Zuerst hatten wir kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu“. So etwas in der Art muss Ralf Bürger gedacht haben, als er sich im April daranmachte, sein frisch aufgemöbeltes Tanzlokal Okay in Donaueschingen nach mehreren Monaten Coronapause wieder zu öffnen. Denn die neue LED-Anlage für den kleineren der beiden Dancefloors schwappte immer noch im Container auf den Weltmeeren und der Umbau konnte nicht abgeschlossen werden. Deshalb sind jetzt erstmal nur der Mainfloor und das Restaurant für rund 1.200 Gäste geöffnet. „Aber das passt schon,“ sagt der erfahrene Clubbetreiber und merkt an, dass es anfangs sogar ganz gut war, weniger Fläche zu bespielen. „Wir hatten noch nicht wieder genug Mitarbeiter an Bord und zugleich hat uns im April und im Mai die Kundschaft die Bude eingerannt.“ Spannenderweise hauptsächlich die junge Generation. Eine Erfahrung, die Bürger schon im Herbst gemacht hat, wo der Club einige Wochen geöffnet war. Ü30-Abende liefen auch da schon nicht mehr gut, deshalb der Umbau des zweiten Dancefloors – der im Laufe des Juli dann in neuem Licht erstrahlen soll.
Was bleibt von den vergangenen zwei Jahren? „Auf jeden Fall eine neue Gelassenheit“, sagt der Chef von zwölf Festangestellten und rund 40 Aushilfen. „Es gibt manchmal Dinge, die man nicht ändern kann, und dann ist es gut, es einfach so zu nehmen“. Ein Beispiel: „Mein Großhändler kann aktuell Moët Ice, das absolute In-Getränk zurzeit, nur in winzigen Mengen liefern. Es ist überall ausverkauft. Früher wäre ich bis in die Schweiz oder nach Stuttgart gefahren, um doch noch etwas aufzutreiben. Heute lass ich es schneller gut sein.“ Auch die Kunden seien verständnisvoller geworden. Alle wissen um Lieferengpässe und Preissteigerungen. „Wie sie allerdings reagieren, wenn ich zum Jahresende den neuen Mindestlohn und meine Einkaufspreise weitergeben muss, ist ungewiss. Aber schauen wir jetzt erstmal, wie der Sommer wird, und dann kümmern wir uns um den Herbst.“
uh