Die gemeinsame Sitzung der beiden IHK-Ausschüsse (Industrie sowie Umwelt und Energie) stand im Zeichen der Verabschiedungen von Werner Reif als Leiter des Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt (siehe Kasten) sowie von Volker Steinberg, zwischen 1993 und 2001 erster Vorsitzender des Umwelt- und Energieausschusses. Horst Weitzmann, langjähriger Chef der Badischen Stahlwerke und von 1989 bis 1993 IHK-Präsident, sprach über den Wandel in der Stahlindustrie während der vergangenen 50 Jahre und Heiner Schanz, Professor für Environmental Governance an der Uni Freiburg, berichtete über Nachhaltigkeitsentwicklungen im Unternehmen. Jochen Kopitzke, Vorsitzender des Industrieausschusses, ging auf die Zielsetzung des Treffens im Weingut Franz Keller in Oberbergen ein: Rückblick und Ausblick aus Sicht sowohl der industriellen als auch der Umweltbelange.
Horst Weitzmann schilderte die Entwicklungen der Badischen Stahlwerke, die als erstes Mini-Elektrostahlwerk von Willy Korf Ende der Sechzigerjahre im Rheinhafen in Kehl errichtet wurden. Der günstige Transport des Rohstoffs Schrott über das Wasser und der Einsatz von Elektrolichtbogenöfen waren Voraussetzungen für das Werk. Nach dem Konkurs konnten es Horst Weitzmann und Hans Seitzinger 1984 übernehmen – allerdings weitgehend ohne eigenes Geld, wie Weitzmann berichtete. Jeweils zu 50 Prozent beteiligt, gelang es den beiden, in den folgenden Jahrzehnten ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, das heute, zusammen mit Tochter- und Schwestergesellschaften, einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro erzielt, 2,5 Millionen Tonnen Stahl im Jahr produziert und über Eigenkapital von weit mehr als 500 Millionen Euro verfügt. Zurückzuführen ist der Erfolg auf eine ganze Reihe von Faktoren, so die Aus- und Weiterbildung qualifizierter Mitarbeiter (heute 1.300), technische Innovationen und ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Das Werk ist hochproduktiv, der Stromverbrauch ist im Lauf der Jahre halbiert worden. Ein Umweltprogramm in Höhe von hundert Millionen Euro wurde in den 1990er Jahren aufgelegt und hat dem Unternehmen zu Akzeptanz in der Bevölkerung verholfen, nachdem es Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre in der Kritik gestanden hatte. Weitzmann hob Reifs Engagement für die produzierenden Firmen im IHK-Bezirk hervor und auch die Gründung des Umwelt- und Energieausschusses im Jahr 1993.

Die Entwicklungen des Themas Nachhaltigkeit im Unternehmen während der vergangenen Jahrzehnte beleuchtete Heiner Schanz. Er stellte fest, dass es zwar mittlerweile über 50.000 Regelungen und Standards gebe, nach denen sich Firmen richten müssten, und dass Effizienz, Rohstoffverbrauch und Energieeinsatz vor dem Hintergrund globaler Entwicklungen wie Erderwärmung und Bevölkerungswachstum im Bewusstsein vieler Menschen eine große Rolle spielten, dass es aber im Unternehmen mehr denn je auf die Einstellung der Unternehmensführung ankomme. „Ohne Bewusstsein oben passiert beim Thema Umwelt wenig“, so Schanz. Manche erfolgreiche Unternehmen würden derzeit von der Prozessinnovation auf die Geschäftsmodellinnovation umsteigen. Das sei indessen noch sehr selten. Um herauszufinden, wohin die Reise in der umweltbezogenen Unternehmensführung geht, gibt es an der Uni Freiburg einen eigenen Studiengang: „Umweltwissenschaften/Environmental Sciences“. Schanz hob Reifs Engagement für die Umwelt in der Wirtschaft hervor, besonders das Mesor-Netzwerk (Material- und Energieeffizienz), das auf Reifs Initiative hin bereits sehr früh wesentliche Ansatzpunkte zur Nachhaltigkeit aufgriff.
Wechsel in der Leitung
Zum Jahreswechsel ist Werner Reif (67) in den Ruhestand getreten. Er hat mehr als 30 Jahre lang die Verantwortung für den Umweltbereich bei der IHK getragen. In Bahlingen am Kaiserstuhl aufgewachsen und bis heute wohnhaft, hatte er zunächst Maschinenschlosser gelernt und dann ein Maschinenbaustudium an der FH Offenburg absolviert. Er war anschließend fünf Jahre lang beim Technischen Dienst der Deutschen Post, dann kurze Zeit als Betriebsleiter bei einem Industrieunternehmen und schließlich acht Jahre lang beim Gewerbeaufsichtsamt Freiburg tätig.
Diese Beamtenlaufbahn tauschte er 1988 gegen die neue Aufgabe bei der IHK ein. Aufgrund seines Engagements und seiner Expertise hat sich Reif hohes Ansehen erworben. Zu den Highlights seiner IHK-Laufbahn zählen die Umwelt-/Ecowerkstatt, die Gründung des Umweltausschusses, das BVG-Urteil gegen die Sonderabfallabgabe im Jahr 2000 (Rückgabe von 100 Millionen Mark an die Wirtschaft), die Federführung Umwelt im baden-württembergischen IHK-Tag, das Freiburger Forum Nachhaltigkeit und der Ausbau seines Teams auf heute neun Mitarbeiter. Vor vier Jahren kam zum Geschäftsbereich Umwelt die Innovation dazu. Innerhalb dieses Tätigkeitsgebietes war die Einrichtung einer Lernfabrik Industrie 4.0 bei der Gewerbeschule in Offenburg ein Höhepunkt.
Mit dem Jahreswechsel hat André Olveira (32) die Nachfolge von Werner Reif angetreten. Olveira ist seit knapp sieben Jahren im Umweltteam der IHK tätig und war bislang für die Themen Energie und Resourceneffizienz zuständig. Olveira stammt aus Löffingen im Schwarzwald, hat an der Universität Stuttgart Technologiemanagement studiert und als Diplomingenieur abgeschlossen. Er ist begeisterter Fußballer und war lange Zeit Co-Trainer bei der Frauenbundesligamannschaft des SC Freiburg.
Werner Reif berichtete von seinen 30 Jahren IHK-Tätigkeit im Umweltbereich, wobei er den Nutzen für die Mitgliedsbetriebe und konkrete Hilfestellungen in den Vordergrund rückte (siehe Kasten). Michael Faller, Vorsitzender des Umweltausschusses, nannte Reif einen Macher und Kümmerer für die Unternehmen im Kammerbezirk, der immer wieder wertvolle Unterstützung geleistet habe. Faller verabschiedete auch Volker Steinberg aus dem Ausschuss. Er erinnerte an die Geburtswehen und Widersprüche dieses Ausschusses, betonte, wie effektiv dieser inzwischen arbeite und hob hervor, dass Steinberg auch nach seiner Zeit als Vorsitzender immer Mitglied des Ausschusses gewesen sei.
Ein Videogrußwort aus Brüssel richtete EU-Kommissar Günther Oettinger an die zu der Sitzung versammelten 50 Mitglieder der beiden Ausschüsse. Er habe Reif vor über 20 Jahren wegen des Themas Sonderabfall – und in den Folgejahren als guten Ratgeber bei vielen Umweltfragen – kennengelernt. Nahezu jedes Jahr habe man sich getroffen. Reif habe sich erfolgreich bemüht, Ökonomie und Ökologie zusammenzubringen, also als Brückenbauer zwischen Industrie und Umweltschutz zu wirken.
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