Im Juni steht die Wahl zum Europäischen Parlament an. Sie hat auch Auswirkungen für die Unternehmen in der Region, werden doch viele Wirtschaftsregeln nicht in Berlin oder Stuttgart, sondern in Brüssel gemacht.

Ein Gespräch mit Petra Steck-Brill, Projektleiterin für das Enterprise Europe Network (EEN) bei der IHK, einem Netzwerk der Europäischen Kommission zu Unterstützung der Firmen im EU-Binnenmarkt, über positive EU-Richtlinien, bürokratische Pflichten und die Vorteile eines EU-Binnenmarkts.
Frau Steck-Brill, viele Unternehmer denken bei EU zunächst an bürokratische Hürden. Aber fangen wir mal positiv an: Über welche Verordnung sollten Betriebe, die in der EU Geschäfte betreiben, froh sein?
Petra Steck-Brill: Eine echte Erfolgsgeschichte und schon viele Jahre alt ist die CE-Kennzeichnung. Sie hat den Handel in der EU eindeutig vereinfacht. Vom Elektrogerät über die Brille bis zum Kinderspielzeug. Die CE-Kennzeichnung gilt sogar über EU-Grenzen hinaus. So gibt es etwa Abkommen mit der Schweiz oder der Türkei. Und auch in Großbritannien, obwohl nicht mehr in der EU, reicht die CE-Kennzeichnung. Diese Harmonisierung stellt eine enorme Erleichterung für den grenzüberschreitenden Handel der Unternehmen dar.
Harmonisierung klingt gut. Trotzdem sind viele Unternehmer nicht gerade gut zu sprechen auf die EU und ihre Regelungen.
Das liegt wohl daran, dass mit vielen Regelungen eben auch Pflichten verbunden sind, die wiederum mehr Bürokratie mit sich bringen. Das ist auch der EU-Kommission klar. Deshalb hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Frühjahr angekündigt, dass sie 25 Prozent der Berichtspflichten für Firmen streichen will. Allerdings ist es bisher bei dieser Ankündigung geblieben.
Über zu viel Bürokratie beschweren können sich die Unternehmer bei der EU-Kommissionspräsidentin leider nicht…
Nicht direkt, das ist richtig. Aber die Europäische Kommission hat einige Instrumente ins Leben gerufen, damit sie von den Problemen, Erfahrungen und Kritikpunkten der Unternehmen und Bürger erfährt. Unternehmen können so der EU-Kommission direkt berichten, was im EU-Binnenmarkt funktioniert und was verbessert werden sollte.
Petra Steck-Brill
Projektleiterin, Enterprise Europe Network, IHK Südlicher Oberrhein
Klingt erstmal gut, aber auch nicht unbürokratisch.
Noch einfacher geht es mit einem Anruf bei mir oder eine Mail an mich. Das ist ein Service, den das EEN den Mitgliedern der IHK Südlicher Oberrhein bietet. Wir dienen dabei als Sprachrohr für Unternehmen, insbesondere für die kleinen und mittleren Betriebe.
Das klingt besser. Und unkompliziert. Nutzen die Betriebe den direkten Draht auch?
Leider viel zu wenig. Aber im Rahmen der Beratungen, die meine Kollegen und ich durchführen, erfahren wir schon, wo der Schuh drückt. Da biete ich dann an, die genannten Probleme anonymisiert nach Brüssel zu transportieren.
Bringt das überhaupt etwas?
Auf jeden Fall! Wir sehen schon, dass es immer mal wieder Erleichterungen gibt. Nehmen Sie das Thema Entsendung. Das war einfach unverhältnismäßig und eben nicht bis zum Ende durchdacht. Jedes Land hat sein eigenes Anmeldeportal. Die EU-Kommission will nun ein EU-weit einheitliches Portal auflegen. Dazu soll es zunächst ein Pilotprojekt geben.
Jetzt sagen Sie selbst, dass das „nicht bis zum Ende durchdacht“ war. Können Sie da die Kritik der Unternehmer nachvollziehen?
Natürlich, wenn man nur diesen einen kleinen Ausschnitt rund um die Europäische Union sieht, ist das nachvollziehbar. Aber die EU ist eben mehr als Bürokratie. Sie tut so viel mehr für die Wirtschaft.
Jeder, der schon einmal Waren in die Schweiz exportiert hat, weiß, wie wertvoll die Regelungen innerhalb der EU sind. Wir haben den Binnenmarkt, eine einheitliche Währung. Viele dieser Dinge werden als selbstverständlich wahrgenommen. Die tatsächlichen Errungenschaften, die dahinterstecken, stehen nicht mehr im Fokus.
Also besser kein Zurück zur Kleinstaaterei?
Auf gar keinen Fall. Dabei geht es auch um die Stärke nach außen. Da gibt es keine Alternative. Im Gegenteil: Wir müssen als EU viel stärker und einheitlicher auftreten, sonst werden wir zerrieben im Spannungsfeld zwischen den USA und China. Wir müssen ein starkes Gegengewicht bilden.
Und eine Vergrößerung, also eine EU-Erweiterung?
Die Integration der Länder des westlichen Balkans in die EU halte ich für wichtig. Ich denke, es würde die Region stärker befrieden, auch weil es für mehr Wohlstand sorgen würde. Und ich glaube, dass es auch für demokratische Bestrebungen in den Ländern sorgen würde.
Das Gespräch führte Natalie Butz.
Bild: Adobe Stock/ Kristina Blokhin
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