Die Unternehmen am südlichen Oberrhein sehen die Wirtschaftspolitik als großes Risiko. Die strukturellen Probleme des Standorts Deutschland werden immer offensichtlicher.
Die deutsche Wirtschaft steckt fest in einer Konjunkturkrise, da macht auch die südbadische Region keine Ausnahme. „Wir sehen kein Licht am Ende des Tunnels“, sagte der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, Alwin Wagner, bei der Vorstellung des Konjunkturberichts zum Herbst 2024 in Freiburg. Seit rund zwei Jahren kämpfen die Unternehmen und insbesondere die Industrie am südlichen Oberrhein mit einem fallenden Auftragseingang. Die Folgen sind rückläufige Umsätze und immer weniger Unternehmen, die die eigene Ertragslage als gut bezeichnen. Wie aus der Umfrage hervorgeht, sind die Unternehmen mit guter Geschäftslage (25 Prozent) nur noch knapp in der Überzahl, schon 18 Prozent klagen über eine schlechte Geschäftslage. Der entsprechende Index über alle Branchen hinweg fällt von 18 auf 7 Punkte ab und erreicht damit den tiefsten Stand seit Jahresbeginn 2021.
Insbesondere in der Industrie fällt der Index der Geschäftslage zum ersten Mal seit vier Jahren wieder in den negativen Bereich, und zwar um 15 auf minus 5 Punkte. Lange konnte man hier noch von einem Auftragspolster zehren. Das erneute Ausbleiben konjunktureller Impulse scheint nun aber endgültig die Lage zu verschärfen. Dies macht sich auch in der Investitionspolitik der Industrieunternehmen bemerkbar. Nur noch 22 Prozent von ihnen planen die Investitionen am Standort auszuweiten, während 36 Prozent diese zurückfahren wollen. Dies unterstreicht einmal mehr, dass die Gefahr einer Schrumpfung der industriellen Basis auch für Südbaden besteht.
Das Problem fehlender positiver Dynamik verfestigt sich jedoch insgesamt. „Es gibt keine Aufbruchsstimmung. Seit fünf Jahren springt die Wirtschaft nicht mehr so richtig an, es geht im Zickzackkurs nach unten“, sagte Wagner. „Das deutet stark auf strukturelle Probleme am Standort Deutschland hin.“
Ausdruck einer großen Unzufriedenheit ist unter anderem die Entwicklung des Risikofaktors Wirtschaftspolitik. 42 Prozent aller befragten Unternehmen bestätigen, dass sie in dieser ein Risiko für das eigene Unternehmen sehen. Noch nie in den vergangenen 13 Jahren waren so viele Unternehmen unzufrieden mit der Politik.
Der Eindruck, dass in Deutschland nicht genügend Priorität auf die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit gelegt wird, verfestigt sich immer mehr. Besonders die zu hohe Bürokratiebelastung wird von den Unternehmen oft genannt, so etwa in Bezug auf Bauvorschriften, Berichtspflichten, Datenschutz oder dem Lieferkettengesetz. Aber auch die fehlende Verlässlichkeit zum Beispiel bei Fördermaßnahmen wird angemahnt. „Das alles darf einen Standort wie Deutschland nicht kennzeichnen, wo die Verlässlichkeit der Rahmenbedingungen eigentlich ein wesentliches Merkmal sein müsste“, warnte Wagner. „Wir benötigen dringend ein Reformprogramm.“tas