Lena Häsler und Alexander Vatovac von der IHK sprechen im Interview über die Auswirkungen der Coronapandemie für Handel und Tourismus in der Region.

Wie ist es dem Einzelhandel 2020 ergangen?
Lena Häsler: Das ist ganz unterschiedlich. Die Lebensmittelhändler, Möbelgeschäfte und Fahrradhändler hatten ein gutes Jahr. Bis auf das zeitweise Ausbleiben der Schweizer Kunden können sie mit dem Gesamtumsatz für 2020 zufrieden sein. Für den Einzelhandel in den Innenstädten war das Jahr dagegen ein Albtraum. Knapp vier Monate kein Umsatz wegen Lockdown und Grenzschließung, Umsatzeinbrüche von bis zu 90 Prozent waren keine Seltenheit. Dann ein unerwartet guter Sommer mit vielen Einkaufstouristen, und dann der nächste Schock – Teillockdown und schließlich kompletter Lockdown. Zwar durften die Einzelhändler unter Auflagen erstmal weiter geöffnet bleiben, aber es zeigte sich sehr schnell: Ohne die Gastronomie bleiben die Kunden aus. Laut Handelsverband waren zum Jahreswechsel 45 Prozent der Händler in der Innenstadt in ihrer Existenz bedroht.

Wie haben Unternehmen in der Gastronomie und im Tourismus das Jahr 2020 erlebt?
Alexander Vatovac: Es war ein Jahr voller Unsicherheiten. Dabei ist es im Vergleich zum Vorjahr 2019 gut gestartet. Doch mit dem Lockdown kam von heute auf morgen der Stillstand, Umsatzeinbrüche bis zu 100 Prozent. In dieser Zeit gab es Ad-hoc-Hilfen, die sehr gut angenommen wurden. Die Unternehmen in der Gastronomie, Hotellerie und in der Freizeitwirtschaft haben Hygienekonzepte erarbeitet und in Umbauten investiert. Es folgte ein guter Sommer, volle Restaurants, volle Hotels, am Bodensee ein bisschen besser als am Hochrhein. Mit dem zweiten Lockdown kehrten die Unsicherheit und die Existenzangst zurück. Unternehmen zögern nun mit neuen Ideen und Konzepten, weil keiner heute weiß, welche Regeln morgen noch gültig sind. Laut dem Dehoga sehen sich 70 Prozent der gastgewerblichen Betriebe aufgrund der erheblichen Umsatzverluste in ihrer Existenz gefährdet. In der Eventbranche sieht es nicht besser aus.
Zur Person
Lena Häsler ist Handelsreferentin bei der IHK Hochrhein-Bodensee, Alexander Vatovac Geschäftsführer und Leiter des Fachbereichs Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK Hochrhein-Bodensee.
Hat Corona die genannten Branchen verändert?
Alexander Vatovac: Ganz sicher sogar. Die Unternehmensstruktur in den einzelnen Branchen wird nach der Pandemie eine andere sein als vorher. In der Gastronomie wird ein Lieferdienst in Zukunft bei jedem Geschäftsmodell dabei sein. Die Unternehmen müssen online sichtbarer werden, sich besser vernetzen und auch neue Einkommensquellen erschließen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zum bisherigen Konzept passen. Das gilt für den Handel genauso wie für die Gastronomie. In der Coronakrise haben die Unternehmen schmerzhaft gespürt, dass es ein enormer Nachteil ist, wenn man online nicht stattfindet. Auch die Reise- und Eventbranche wird nicht einfach so weitermachen können wie vor der Pandemie. Corona hat andere Werte in den Mittelpunkt gerückt. Dazu gehört alles, was dem Sicherheitsgefühl der Kunden dient. Konjunktur haben Campingplätze und Ferienwohnungen sowie Konzepte, die Abgeschiedenheit und Naturerlebnisse ermöglichen.
Lena Häsler: Gleiches gilt für den innerstädtischen Handel. Die Coronakrise hat unser Einkaufsverhalten deutlich Richtung Onlineshopping verschoben. Das heißt, ohne Onlinekonzept wird es bei vielen Händlern nicht mehr gehen. Die Händler können nicht mehr nur an ihr eigenes Geschäft, sondern an die ganze Stadt denken. Dafür müssen sie mit der Stadtverwaltung, den Wirtschaftsförderern, der Gastronomie und den Dienstleistern in Kontakt kommen. Gemeinsam Konzepte für die Innenstadt entwickeln: Darum wird es jetzt gehen.
Alexander Vatovac: Was besonders deutlich während der Pandemie wurde: Der Tourismus bedingt den Handel, der Handel bedingt den Tourismus. Das sind Zahnrädchen, die ineinandergreifen. Wir können sie nicht mehr losgelöst voneinander betrachten.
Wie kann die IHK diese Branchen unterstützen?
Alexander Vatovac: Die IHK ist Ansprechpartner in allen unternehmerischen Fragen. Wir vernetzen unterschiedliche Akteure, die voneinander profitieren könnten und vertreten die Interessen unserer Mitgliedsunternehmen gegenüber dem Land und dem Bund. Wir ersetzen keine Unternehmensberater, aber wir greifen auf ein sehr großes Wissen innerhalb der IHK-Organisation sowie unseres Netzwerkes zurück. Wir wissen viel, aber nicht alles, aber wir wissen immer, wer weiterhelfen kann. Die Coronakrise hat Unternehmen aus der Gastronomie, dem Tourismus und dem Einzelhandel besonders hart getroffen. Deswegen werden wir in den kommenden Monaten stärker über diese Branchen berichten und über Themen informieren, die diese Unternehmen interessieren. Dazu gehören unter anderem spezielle Förderprogramme und Sonderprogramme, Chancen durch Digitalisierung, Entwickeln beziehungsweise Weiterentwickeln neuer und bestehender Geschäftsmodelle oder wie eine Insolvenz abläuft und was danach kommen kann. Hinzu kommen Themen, die kurzfristig aufgrund des Pandemiegeschehens oder politischer Entscheidungen relevant werden. Interview: hw
Stimmen aus Gastronomie und Handel

Manfred Hölzl, Betreiber des Konzils in Konstanz und Vorsitzender des IHK-Tourismusausschusses: „Ich blicke optimistisch auf das neue Jahr. Zwar gehe ich davon aus, dass der Lockdown noch über die Fastnachtszeit hinaus andau-ern wird, aber ab März sollte es für die Gastronomie und den Tourismus wieder aufwärts gehen. Wenn dann noch die Coronaimpfun-gen zu einer flächendeckenden Immunität führen, kann das Jahr 2021 für uns ein sehr gutes werden. Die Menschen haben ein starkes Bedürfnis, endlich wieder auszugehen und etwas zu erleben. Davon werden besonders die Gastronomie, die Hotellerie, die Eventbran-che und der Tourismus profitieren. Die Herausforderung wird sein, die Mitarbeiter in den ersten Monaten noch zu halten und halbwegs liquide zu bleiben, um dann im Frühjahr wieder gemeinsam durchzustarten.“

Manuela Böhler-Szmerlowski, Prokuristin des Autohauses Böhler in Schopfheim und Vorsitzende des IHK-Handelsausschusses: „Der Einzelhandel blickt gespalten auf das Jahr 2021. Lebensmittelhändler, Drogeriemärkte oder Fahrradhändler sind überwiegend optimistisch. Besorgt ist der Einzelhandel in den Innenstädten. Da ist die Ungewissheit, wie lange die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie noch andauern, ob es genügend Hilfsprogramme gibt und wie es gelingen kann, dass die Menschen wieder in die Innenstäd-te kommen. Währenddessen boomt der Onlinehandel – die Schließungen von Hotels, Gastronomien und Kultureinrichtungen tragen zu dieser Entwicklung bei. Die Freizeitbeschäftigung im Zentrum ohne atmosphärisches Einkaufserlebnis und Gastronomie ergibt für viele Menschen offensichtlich keinen Sinn. Wir müssen uns 2021 dafür einsetzen, dass die Innenstädte auch in Zukunft vielfältig und lebendig bleiben.“