In mehr als 40 Jahren hat Karlhubert Dischinger die gleichnamige Spedition seines Vaters groß gemacht. Wie es für ihn ist, dass sein Sohn jetzt am Steuer sitzt, und warum er keine Zeit für den Ruhestand hat, hat uns der heute 74-jährige erzählt. Denn erzählen, das kann er…

Viele Unternehmerkollegen dürften sich noch erinnern: Wenn Karlhubert Dischinger als IHK-Präsident in Freiburg seine Neujahrsansprache hielt, dann kam darin stets eine Geschichte vor. Etwa von der Löwin
und der Gazelle, die, um zu überleben, beide schneller sein müssen als die andere. Oder von zwei Schuhverkäufern, die in Afrika, wo alle barfuß liefen, entweder einen riesigen oder gar keinen Markt sahen. Dischingers Botschaft während seiner zehnjährigen IHK-Präsidentschaft von 2001 bis 2011 war stets: Wer mit Optimismus und Mut ans Werk geht, kann vieles möglich machen.
Optimismus und Mut hat der heute 74-Jährige auch selbst öfter gebraucht. Denn bereits als 25-Jähriger übernahm er 1975 in vierter Generation die 1879 gegründete Spedition in Ehrenkirchen. Aufgrund der langen schweren Krankheit des Vaters unterstützte der junge Karlhubert bereits früh seine Mutter bei den Geschäften. „Schon als Schüler hatte ich meinen Lkw-Führerschein“, erinnert er sich, „um sonntags den Milchwagen zu fahren“. Die Milchwagen fahren indes noch heute: Seit 1933 gehört Schwarzwaldmilch zu Dischingers ältesten und treuesten Kunden.
Die Nachfolge ist geregelt
Es folgten 41 Jahre, in denen Karlhubert Dischinger das Unternehmen zum erfolgreichen Logistiker mit heute mehr als 100 Lkw und 200.000 Quadratmetern Lagerfläche ausbaute. Etwa 1.000 Mitarbeiter verteilen sich auf rund 16 Standorte in Europa, im Schwerpunkt aber in Deutschland und Österreich. Umsatzzahlen gibt das Unternehmen offiziell keine heraus.
Vor kurzem wurde in Ehrenkirchen „100 Jahre Lkw“ gefeiert, mit zahlreichen Kunden und einer Grußbotschaft des ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Denn 1924 ergänzte ein erster Lkw, ein Benz Gaggenau, die damaligen Pferdegespanne.
Vor nunmehr acht Jahren hat Karlhubert Dischinger das Familienunternehmen an seinen Sohn Karlkristian übergeben – und ist doch immer noch täglich dabei. Mit dem Fahrrad kommt er ins Büro, kümmert sich um Flotten-erneuerung, Immobilien und einiges mehr. „Allerdings alles ohne Verantwortung“, wie der Seniorchef betont, der nicht gern so genannt wird. „Ich mache lediglich Vorschläge, die Entscheidungen trifft mein Sohn.“
Denn eines habe er während seiner Jahre als IHK-Präsident gelernt: „Wie man die Übergabe eines Familienunternehmens nicht regeln sollte.“ Zu viele unglückliche oder gescheiterte Generationenwechsel habe er erlebt, dass ihm klar wurde: „Das wollte ich besser machen.“ Und so hatte er, als klar war, dass Karlkristian, das jüngste seiner drei Kinder, ins Unternehmen einsteigen würde, fünf Jahre lang gemeinsam mit ihm geübt, bevor er die Verantwortung per Handschlag auf einer Bergtour abgab.
Volles Vertrauen
Gleich danach sei er vom großen Chefbüro in das kleinere im ersten Stock gezogen – wo er heute noch sitzt – und habe den Stift in Dischinger-Grün, mit dem traditionell nur der Chef unterzeichnet, übergeben. „Seither war ich auch auf keiner Geschäftsführungs- oder Strategiesitzung mehr.“ Dass ihm dies nicht ganz leicht gefallen ist, daraus macht er keinen Hehl. Auch nicht daraus, dass die beiden keineswegs immer einer Meinung sind. „Wir sind eben eine ganz normale Familie.“ Doch: „Nur einer trägt die Verantwortung“, und er habe „volles Vertrauen“.
Vertrauen ist offenbar auch etwas, das Karlhubert Dischinger draußen genießt, ob es um Rat oder die Übernahme von Verantwortung geht. So ist er auch zu seinen zahlreichen Ehrenämtern gekommen, von denen er nun eines nach dem anderen wieder abgibt. Als junger Mann hat er die Kreisjugendfeuerwehr Breisgau-Hochschwarzwald aufgebaut, später den Feuerwehrverband geleitet. Er war der erste badische Präsident des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg – vom stolzen Badener zeugt seine Gürtelschnalle mit badischem Wappen – und sitzt nach wie vor im Präsidium des Vereins Unternehmer Baden-Württemberg. 2013 bekam er für sein Engagement sogar das Bundesverdienstkreuz.
In der IHK Südlicher Oberrhein war Karlhubert Dischinger 2001 der jüngste Präsident und ebenso einer der jüngsten in ganz Deutschland. Mit einer bewegenden Rede beendete er damals sogar die jahrelangen Befindlichkeiten zwischen den beiden IHK-Regionen Freiburg und Offenburg, die bis dahin peinlichst darauf achteten, im steten Wechsel den Präsidenten zu stellten. „Nord und Süd vereint“ titelte damals das Offenburger Tageblatt.
Ruhestand? Keine Zeit!
Doch wird es nach einem so reichen Arbeitsleben nicht Zeit für den Ruhestand? „Ich arbeite nur noch halbtags, also maximal acht Stunden“, scherzt der Senior. Auch seine Frau, die ihn zeitlebens im Unternehmen unterstützt habe, sei dort nach wie vor aktiv. Hat er denn keine Hobbys? „Doch, ich sammle Lkw-Modelle von Speditionen, die es nicht mehr gibt.“ Es sind etliche, die sich zu Hause in Vitrinen aneinanderreihen. Nun dürfe aber keines mehr hinzukommen, seine Frau habe ihn gebremst.
„Ja, das Geschäft ist härter geworden“, sagt der Senior zur Logistikbranche. Doch es gebe auch immer wieder neue Chancen. Karldischinger sei mittlerweile ein umfassender Logistikdienstleister und bietet neben Transport-, Lager- und Umschlagsleistungen auch Value-Added-Services in Form von Kontraktlogistik an. Der reine Lkw-Transport trage nur noch einen Bruchteil zum Umsatz bei. Und Sohn Karlkristian bringt gerade die ersten E-Lkw in die Flotte.
Wobei das nicht ganz stimmt: Bereits Mitte der 1990er-Jahre hatte Dischinger eigens einen Hybrid-Lkw bauen lassen, um damit die Freiburger City-Logistik aufzubauen – damals eine visionäre Idee. Diese „abendfüllende Geschichte“ würde er gerne erzählen, doch das Telefon klingelt, er muss los. Denn auch wenn er keinerlei Verantwortung mehr trägt, Aufgaben hat Karlhubert Dischinger in seinem früheren Unternehmen noch genug. „Es wird nie langweilig“, lacht er zum Abschied. Die Geschichte von der City-Logisitik erzähle er ein anderes Mal. Jürgen Baltes
Fotos: Michael Bode