4 | 2018
Wirtschaft im Südwesten
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Praxiswissen
Koalitionsvertrag II
Vorhaben im Unternehmensrecht
D
er Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung
enthält etliche Überlegungen zu Änderungen und
Anpassungen im Wirtschaftsrecht, die wir kurz darstel-
len möchten:
Grenzüberschreitende Sitzverlegung, Europäische Pri-
vatgesellschaft:
Die Große Koalition will sich dafür ein-
setzen, dass zwei seit Langem diskutierte europäische
Projekte umgesetzt werden: die Sitzverlegungsrichtlinie,
die die grenzüberschreitende Sitzverlegung von (Kapi-
tal-)Gesellschaften innerhalb der EU erleichtern soll,
sowie das Schaffen eines europäischen Pendants zur
GmbH, die sogenannte Europäische Privatgesellschaft.
Offen bleibt allerdings, wie die Koalitionäre die in der
EU bestehenden sehr unterschiedlichen Positionen zur
Arbeitnehmermitbestimmung auflösen wollen.
Onlineanmeldung von Gesellschaften:
Gesellschaften
werden auch künftig nicht einfach per Internet gegrün-
det werden können. Onlineanmeldungen von Gesell-
schaften lehnt der Koalitionsvertrag ausdrücklich ab; er
spricht sich für präventive Kontrollen und zuverlässige
Identitätsprüfungen aus. Beide Funktionen werden bis-
lang vom Notar wahrgenommen. Und daran dürfte sich
in den nächsten vier Jahren nicht viel ändern.
Reform des Personengesellschaftsrechts:
Ob es im
Personengesellschaftsrecht Bewegung gibt, bleibt ab-
zuwarten. Jedenfalls ist eine Expertenkommission zur
Modernisierung des Personengesellschaftsrechts ge-
plant. Dies dürfte insbesondere die Außengesellschaft
bürgerlichen Rechts (BGB-Außengesellschaft) betreffen,
die in den vergangenen 15 Jahren durch richterliche
Rechtsfortbildung der offenen Handelsgesellschaft
(OHG) stark angenähert wurde.
Beschlussmängelrecht im Gesellschaftsrecht,
Spruchverfahren:
Das aktienrechtliche Beschlussmän-
gelrecht soll überprüft und verbessert werden. Offen
bleibt, welche Defizite gesehen wurden und behoben
werden sollen. Handlungsbedarf besteht eher bei GmbH
und Personengesellschaften, wo ein vergleichbares ge-
setzliches Instrumentarium zur Beschlussanfechtung
fehlt. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Große Koa-
lition sich nicht nur auf die Reform des Aktienrechts
beschränken wird. Zu begrüßen ist jedenfalls, dass
CDU/CSU und SPD eine Evaluierung des „teuren und
langwierigen“ Spruchverfahrens ankündigen.
Überprüfung des AGB-Rechts im B2B-Bereich:
Beifall
verdient auch die Absicht, die Anwendung des Rechts
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Recht)
im unternehmerischen Rechtsverkehr (B2B) zu über-
prüfen. Die Gerichte wenden die ursprünglich für den
Verbraucherschutz erdachten Regeln sehr weitgehend
auch im B2B-Bereich an. Unternehmer- und Anwalts-
verbände haben bislang erfolglos dagegen argumen-
tiert. Das deutsche AGB-Recht, das beispielsweise
auch im B2B-Bereich kaum Haftungsbeschränkungen
ermöglicht, hat sich inzwischen zum echten Nachteil
des Rechtsstandorts Deutschland entwickelt. Die Klau-
selkontrolle künftig auf Fälle zu beschränken, in denen
ein Vertragspartner seine überlegene wirtschaftliche
Position ausnutzt, wäre ein richtiger Schritt.
Strengere Ahndung von Rechtsverstößen durch Un-
ternehmen:
Straftaten, die aus Unternehmen heraus
begangen werden, sollen künftig schärfer sanktioniert
werden. Unter anderem soll bei Unternehmen mit mehr
als 100 Millionen Euro Umsatz die Höchstgrenze künftig
bei zehn Prozent des Umsatzes liegen (statt bislang 10
Millionen Euro). Angekündigt sind auch „weitere Sank-
tionsinstrumente“, zum Beispiel dass verhängte „Sank-
tionen an geeigneter Stelle bekannt gemacht werden“
sollen (sogenanntes naming and shaming). Gesetzliche
Vorgaben für „Internal Investigations“ und gesetzliche
Anreize zu deren Durchführung sowie der Veröffentli-
chung der Ergebnisse sollen die Aufklärung verbessern.
Fazit: Das Programm der CDU/CSU und SPD für die
kommende Legislaturperiode enthält im Unternehmens-
recht viel Altbekanntes, aber auch einige neue Impulse.
Es bleibt zu hoffen, dass die Große Koalition ihrem ei-
genen Anspruch gerecht wird und die aufgeworfenen
Themen offensiv angeht.
Barbara Mayer, Friedrich Graf von Westphalen
Viel Altbekanntes
und einige
neue Impulse
Bild: SimonLukas