Wirtschaft im Südwesten
12 | 2017
24
REGIO
REPORT
IHK Hochrhein-Bodensee
Konstanzer Frauenwirtschaftstag zum Thema „Wirtschaft und Arbeit 4.0“
Wenn der Pilot verschwindet
D
er diesjährige elfte Konstanzer Frauenwirtschafts-
tag setzte sich mit dem Thema „Wirtschaft und
Arbeit 4.0“ auseinander. Die Fragestellung „Schöne
neue (Arbeits-)Welt – Was erwartet Unternehmen und
Mitarbeitende?“ zog sich durch das Programm und
wurde im Rahmen von Impulsvorträgen, Interviews und
einer Podiumsdiskussion aufgegriffen.
IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx erläuterte
bereits während der Begrüßung, dass es außer Frage
stehe, dass die Digitalisierung die (Arbeits-)Welt verän-
dern werde. Die Frage nach dem Wie sei hingegen die
entscheidende. Er veranschaulichte den Prozess der
Digitalisierung anhand eines Flugzeugs: „Heute sitzt
der Pilot vor drei Bildschirmen, während dieser früher
noch über Drahtseile mit dem Flugzeug verbunden
war.“ In der heutigen Zeit schaue der Pilot lediglich dem
Flugzeug beim Fliegen zu und kontrolliere die Vorgänge,
so Marx weiter. „Die reale Welt migriert in ein digitales
Abbild, und der Pilot wird nur noch aus emotionalen
Gründen benötigt. Die Passagiere brauchen den Pi-
loten, da das Vertrauen in die Digitalität noch nicht
ausreichend ist“, argumentierte Marx. Es sei aber nur
eine Frage der Zeit, bis der Pilot ganz verschwinde und
durch ein digitales Abbild ersetzt werde. „Die Flugbe-
gleiterin hingegen bleibt“, so Marx. Sie könne nicht
durch ein digitales Abbild ersetzt werden, da dieses
beispielsweise nicht in der Lage sei, bei einem unvor-
hergesehenen Zwischenfall Panik zu vermeiden. „Klar
ist, dass sich die Arbeitswelt und auch unsere Welt
verändern wird, aber genauso liegt es auch in unserer
Verantwortung, die Digitalisierung als entsprechendes
Werkzeug zu nutzen“, endete Marx.
IHK-Ehrenpräsidentin Ingrid Hempel knüpfte in ihrem
Grußwort an die Aussage von Claudius Marx an und
unterstrich die Wichtigkeit, den Prozess der Digitali-
sierung positiv zu nutzen. Sie könne die Angst vor der
Veränderung nachvollziehen, da dieser Prozess auch
Ungewissheit mit sich bringe, „aber nichtsdestotrotz
müssen wir uns darum kümmern und aktiv werden“, so
Ingrid Hempel. Wichtig hierbei sei, die menschlichen
Werte nicht aus den Augen zu verlieren und den eigent-
lichen Sinn in einer digitalen Welt zu bewahren.
Sandra Berenbold, Geschäftsführerin der Energy Fac-
tory in St. Gallen, beschrieb in ihrem Impulsvortrag die
Arbeitswelt im Umbruch. Die Unsicherheit sei bereits
spürbar, da laut einer Umfrage lediglich vier Prozent
der Unternehmen sich auf den Wandel gut vorbereitet
fühlen. Und nur sechs Prozent seien in der neuen Ar-
beitswelt erfolgreich. In diesem Zusammenhang wur-
de die Rolle von Führungskräften in der Arbeitswelt
4.0 thematisiert. Künftig sollten Führungskräfte eine
Leuchtturmfunktion übernehmen und die Führung in
Teams verlagern, argumentierte die Geschäftsführerin
weiter. Die Aufgabe des Managements bestehe darin,
Orientierung und ein gemeinsames Ziel zu schaffen.
Dies wurde ebenfalls in der anschließenden Podi-
umsdiskussion verdeutlicht und zusammengefasst.
Entscheidend sei, dass Unternehmer die angestrebte
Perspektive vorleben, Führung abgeben und mutiger
werden, so Sandra Berenbold.
Andreas Owen, Vorstandsvorsitzender des Vereins
„cyberLAGO“, unterstrich diese Aussage. Das Absitzen
der Arbeitszeit und die Kontrolle des Arbeitnehmers
werden an Bedeutung verlieren, relevant seien aus-
schließlich die erzielten Ergebnisse. „Der Schnelle
frisst den Langsamen“, so Owen und erinnerte die
Unternehmen daran, dass sie wissen müssen, was
sie wollen.
LK
Auf dem Konstanzer Frau-
enwirtschaftstag: Alexandra
Thoß (IHK), Andreas Owen,
Vorstandsvorsitzender
„cyberLAGO“, IHK-Ehren-
präsidentin Ingrid Hempel,
Claudius Marx (IHK), Sandra
Berenbold, Geschäftsführerin
der Energy Factory St. Gallen,
Lucia Falkenberg, Chief Peo-
ple Officer des Verbands der
Internetwirtschaft, Modera-
torin Kerstin Melzer und Silke
Masurat, Geschäftsführerin
der Zeag GmbH (von links).
»Die menschli-
chen Werte nicht
aus den Augen
verlieren«