Wirtschaft im Südwesten
2 | 2017
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bahn zwar auch für den Ausbau vorgesehen, dieser
erfolgte aber nicht. Die von der DB ständig beschrie-
bene Unwirtschaftlichkeit der Gäubahn wurde jetzt in
einer Berechnung des Bundesverkehrsministeriums
mit einem Faktor von 2,7 versehen. Zu diesem guten
Ergebnis trug vor allem der Güterverkehr bei.
Die Beteiligten bei der IVG-Sitzung vereinbarten, dass
die anstehenden Fragen – Doppelspurinseln, Betriebs-
konzept, Neigetechnik – jetzt zügig angegangen wer-
den sollen. Auch die Eisenbahnunternehmen (DB und
SBB) sollen weitere Betriebskonzepte erarbeiten. Ein-
ziger Hemmschuh bleibt, dass sich die DB nicht für
Neigetechnikzüge erwärmen kann. Dies könnte dazu
führen, dass die Anbieterneutralität beim Fernverkehr
auch einem anderen Bahnunternehmen den Vorzug
einräumen könnte, zwischen Stuttgart und Zürich den
Fernverkehr zu betreiben.
Der Vertreter des Schweizer Bundesamts für Verkehr
aus Bern erklärte bei der Sitzung, dass die Schweiz
überhaupt nicht vorhätte, sich von der Neigetechnik
zu verabschieden. Ganz im Gegenteil: Der Rückzug
von Neigetechnikzügen auf einzelnen Strecken in der
Schweiz hänge einzig damit zusammen, dass die Ka-
pazität der ETR 610-Neigetechnikzüge beschränkt ist
und weitere Trassen nicht zur Verfügung stehen. Die
SBB wird zukünftig auf Doppelstockzüge ausweichen
müssen. Bei diesen Doppelstockzügen setzt man auf
die Wank-Kompensations-Technik (Wako). Insgesamt
erwartet man in der Schweiz bis 2040 eine Nachfrage-
steigerung im Schienenverkehr um weitere 50 Prozent.
Dafür arbeitet man gegenwärtig ein Programm aus,
wie dieser Verkehr ab 2030 bewältigt werden soll. Der
Anteil des öffentlichen Verkehrs (Modalsplit) beträgt
dann zwischen 25 und 27 Prozent.
Zur Gäubahn meinte der Berner Vertreter, dass auf
Schweizer Seite die Ausbauten termingerecht erfolgt
seien. 12 Milliarden Franken seien in die Nord-Süd-
Achse investiert worden. Der größte Brocken war dabei
das Gotthardbasistunnel. Mit der Betriebsaufnahme
des Gotthard-Basistunnels werden die ETR 610-Neige-
technikzüge mehr und mehr von der Strecke genom-
men. Auf den Ausbaustrecken, vor allem in den Tunnels
benötigt man keine Neigetechnik mehr. Nach 2019
kommt dann der erste Schweizer Hochgeschwindig-
keitszug „Giruno“ von Stadler Rail (Bussnang) zwischen
Mailand-Lugano, Zürich, Basel, Freiburg bis Frankfurt
zum Einsatz. Die Spitzengeschwindigkeit beträgt 250
km/h. Die Zuglänge beträgt 400 Meter, kann aber auch
verdoppelt werden. Vorstellbar aus Schweizer Sicht
wäre auch eine Wiedereinführung von durchgängigen
Zügen von Stuttgart bis Mailand. Ab 2020 soll der
Cenneri-Tunnel zwischen Bellinzona und Lugano fertig
sein, sodass man dann eine ganze Stunde ab Stuttgart
oder Zürich gewinnen wird. Die ETR 610-Neigetechnik-
züge könnten auf der Gäubahn eingesetzt werden. Die
Deutschlandzulassung gibt es bereits. Von Zürich nach
München soll der ETR 610 auch fahren.
Interimsfahrplan auf der Gäubahn
Seit Dezember 2015 wurden auf der Gäubahn die
Fern- und Nahverkehrszüge in der stündlichen Fahr-
zeit gedreht. Damit erhofft sich DB-Fernverkehr eine
bessere Auslastung der Intercityzüge, da vor allem in
Stuttgart bessere Fernverkehrsanschlüsse bestehen.
Der Nachteil dabei ist, dass die Bahnknoten Rottweil
und Singen nach Tuttlingen versetzt wurden. So gibt
es keine direkten Anschlüsse mehr für Reisende aus
Konstanz, dem Hochrhein oder Villingen-Schwennin-
gen an den Gäubahn-Intercity in beide Richtungen.
Durch Wartezeiten verlängern sich die Fahrzeiten. Der
Interimsvertrag soll bis 2025 laufen.
Hemmschuh
bleibt, dass die
DB sich nicht für
Neigetechnik
erwärmen kann
Der ICET-Neigetechnikzug (linkes
Bild links) beschleunigte die Reise-
zeit zwischen Stuttgart und Zürich.
Technische Probleme zwangen
2010 zu seiner Einstellung. Den
Intercity-Doppelstockzug (linkes
Bild rechts) will die Deutsche Bahn
ab Dezember einsetzen.
Der Neigetechnikzug ETR 610 der
Schweizerischen Bundesbahnen
SBB (rechtes Bild) könnte den
Verkehr wieder beschleunigen.