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2 | 2017

Wirtschaft im Südwesten

9

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Strecke wurde in den Jahren 1866 bis 1879 von den

Königlich Württembergischen Staats-eisenbahnen er-

baut. Jedoch erhielt die Strecke erst zur Zeit der Deut-

schen Reichsbahn durch den Bau der Verbindungs-

kurve zwischen tuttlingen und Hattingen 1934 ihren

heutigen Verlauf. Zuvor fuhren die Züge von tuttlingen

nach immendingen zur Schwarzwaldbahn.

im Güterverkehr gewann die Gäubahn ebenfalls an Be-

deutung. Bereits 1897 beförderten die Königlich-Würt-

tembergischen Staatseisenbahnen rund 400.000 ton-

nen Waren. Während auf der Strecke anfangs vor allem

landwirtschaftliche Produkte aus dem Gäu nach Stutt-

gart befördert wurden, siedelten sich entlang der Gäu-

bahn zunehmend industriebetriebe an, die diese zum

Gütertransport nutzten.

in den 1880er- und 1890er-Jahren bauten die Kö-

niglich-Württembergischen Staats-eisenbahnen die

eingleisige Gäubahn nach und nach zweigleisig aus.

Nach den Ausbaumaßnahmen fuhren in den 1920er-

und 1930er-Jahren Schnellzüge von Berlin über erfurt,

Würzburg, Stuttgart, Zürich und Mailand bis nach Rom.

Zusätzlich gab es Verbindungen zwischen Berlin und

luzern sowie Stuttgart und Konstanz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1946, demontierte Frank-

reich das zweite Gleis als Reparationzahlung. Diese

eingleisige Situation besteht heute noch. Der Ruf für

den Wiedereinbau des zweiten Gleises verhallt seit

Jahrzehnten bei den Verantwortlichen. Ab 1963 be-

gann als Fortschritt die elektrifizierung der gesamten

Strecke.

Bis 1991 erhöhte sich die Zahl der Schnellzüge auf der

Gäubahn auf täglich acht Zugpaare, von denen fünf

über Zürich hinaus bis nach Mailand, Genua, lecce

oder Neapel fuhren. Der Verkehr von der Gäubahn

über Stuttgart weiter nach Norden wurde weitgehend

eingestellt. Nur noch ein Schnellzugpaar fuhr 1991

weiter bis Nürnberg.

Die Gäubahn wurde in den 1990er-Jahren für den

Neigetechnik-Zugverkehr ertüchtigt. im Abschnitt

Stuttgart–Horb ist sie zweigleisig, dann wieder von

Hattingen bis Singen.

Ab März 1998 wurden erstmals zwei von der Schweizer

Cisalpino AG betriebene Neigetechnik-Zugpaare der

Baureihe „etR 470“ von Fiat gefahren. 1999 setzte die

Deutsche Bahn iCe-Neigetechnikzüge (iCe t) auf der

Gäubahn ein. Die Fahrzeit Stuttgart–Singen verkürzte

sich so auf eine Stunde und 44 Minuten. Der Cisalpino

übernahm dabei den italien-Verkehr der Verbindung

Stuttgart–Mailand, der iCe t kam zwischen Stuttgart

und Zürich zum einsatz. im Dezember 2006 entfielen

die Cisalpino-Züge wegen erheblicher technischer

Mängel. Direktverbindungen von Stuttgart nach ita-

lien gibt es seitdem nicht mehr. Nach Problemen mit

der technik, Fahrzeugverfügbarkeit und Verspätun-

gen wurde der iCe-Neigetechnik-Betrieb auf der linie

Stuttgart–Zürich zum 21. März 2010 eingestellt und

durch intercity-Züge mit Wagen der Schweizerischen

Bundesbahnen (SBB) ersetzt. Der Fernverkehr wird

seitdem von den Schweizerischen Bundesbahnen im

Auftrag der Deutschen Bahn betrieben.

im Frühjahr 2012 wollte die Deutsche Bahn auf einer

europäischen Fahrplankonferenz den Fernverkehr zwi-

schen Stuttgart und Zürich ganz einstellen, scheiterte

aber am Veto der Schweizerischen Bundesbahnen.

DB Fernverkehr argumentierte damals mit der Unwirt-

schaftlichkeit der Strecke.

Die Gäubahn hat laut Verkehrsexperten eine steigen-

de Bedeutung im internationalen Güterverkehr. Durch

sie kann vor allem die stark befahrene Rheintalbahn

entlastet werden. Dabei dient die Gäubahn vor allem

als Durchgangsstrecke bis an die Mittelmeerhäfen.

im Jahr 2014 wurden die Ausbaumaßnahmen der Gäu-

bahn auf Schweizer Seite abgeschlossen. Zwischen

Bülach und Schaffhausen wurden 155 Millionen

Schweizer Franken investiert. Damit wurde der Vertrag

von lugano, 1996, zwischen der Schweiz und Deutsch-

land von den eidgenossen erfüllt. Auf deutscher Seite

wurde bis heute mit dem Ausbau noch nicht begonnen.

Die 2016 ins Amt gekommene grün-schwarze baden-

württembergische landesregierung setzt sich jetzt für

einen zeitnahen Ausbau der Gäubahn ein. Das land

beauftragte für rund 320.000 euro eine Untersuchung,

um mit Ausbaumaßnahmen im Umfang von 200 bis

250 Millionen euro in einer ersten Stufe eine Reisezeit

von zwei Stunden und 30 Minuten (mit Neigetechnik)

zu erreichen. ein vierstufiges Maßnahmenbündel in

zwei Varianten soll eine Reisezeitverkürzung der iC-

Züge von 19 Minuten gegenüber dem Fahrplan 2016

erreichen. Um mit dem Güterverkehr von und nach

Schaffhausen/Schweiz nicht mehr in den Hauptbahn-

hof Singen einfahren zu müssen, soll die „Singener

Kurve“ direkt von der Gäu- zur Hochrheinbahn gebaut

werden. Der Kostenrahmen liegt bei 220 Millionen euro

mit Singener Kurve oder 285 Millionen euro ohne Sin-

gener Kurve.

Der Interessenverband

Der interessenverband Gäu-, Neckar-, Bodensseebahn

(iVG) unter Vorsitz von Guido Wolf (CDU) setzt sich seit

Jahrzehnten für den Ausbau der Gäubahn ein. Hoff-

nungsvolle Versprechen der Deutschen Bahn wurden

meist nicht realisiert. im vergangenen November kam

es zu einer tagung der interessenverbände Gäu-Ne-

ckar-Bodensee-Bahn und Schienenkorridor Stuttgart

– Nürnberg. Vertreten waren außerdem das Stuttgarter

Verkehrsministerium und das Schweizer Bundesamt

für Verkehr aus Bern. Bei dieser tagung wurde eine

Zusammenarbeit aller Beteiligten geschmiedet, um den

Ausbau der Gäubahn schnell voranzubringen.

in gutem einvernehmen mit dem land, das durch den

Amtschef im Verkehrsministerium, Uwe lahl, und

zahlreiche Mitarbeiter gut vertreten war, wurde fest-

gestellt, dass man mit der inzwischen erfolgten Wieder-

aufnahme der Gäubahn in den vordringlichen Bedarf

einen ersten etappensieg errungen habe. Dieser sei

allerdings noch nichts wert, denn die 550 Millionen

euro, die für den Ausbau der Gäubahn bereitgestellt

wären, müssten auch ausgegeben werden. Beim jetzt

ausgelaufenen Bundesverkehrswegeplan war die Gäu-

Nach dem Zweiten

Weltkrieg demontierte

Frankreich das

zweite Gleis als

Reparationszahlung