In unserer Rubrik „Aus dem Südwesten“ stellen wir Produkte vor, die viele kennen, von denen aber wenige wissen, dass sie in der Region hergestellt werden. Diesmal: eine mechanische Stoppuhr von Hanhart aus Gütenbach.

Gestanzt, gefräst, gebohrt
Jedem Uhrenfan muss das Herz aufgehen in der Hanhart-Produktion mitten im Schwarzwald. Hier werden die mechanischen Stoppuhren noch (fast) genauso gefertigt wie vor hundert Jahren. Über 90 Prozent der rund 170 Einzelteile, aus denen eine mechanische Stoppuhr wie der abgebildete Doppelstopper besteht, produziert das Unternehmen selbst. Im Erdgeschoss des Firmengebäudes aus den 1930er-Jahren wird gestanzt, gefräst, gebohrt, gesenkt, gewindet, geschliffen und gehärtet – an Jahrzehnte alten Maschinen und in einem modernen Bearbeitungszentrum. So entstehen fast alle Teile des Uhrwerks aus Messing, Stahl und Kupfer. Einen Stock höher werden Gehäuse, Platinen, Kadraturen, Zeiger und Zahnrädchen zunächst zu Baugruppen montiert, ehe Uhrmacher alles zusammenfügen, Zifferblätter sowie Zeiger einsetzen und die Uhren penibel regulieren. Die unverbindliche Preisempfehlung für das abgebildete Modell liegt bei 580 Euro. Die günstigere Einstiegsvariante „Amigo“ mit Kunststoffgehäuse gibt es ab 120 Euro.
Für Rallyes und Labore
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Stoppuhr des Sportlehrers, an die sich jeder erinnert, aus Gütenbach stammte, ist sehr hoch. Hanhart ist Marktführer für mechanische Stoppuhren, Geschäftsführer Simon Hall kennt weltweit nur zwei weitere Hersteller. Rund 6.000 Exemplare fertigt das Schwarzwälder Unternehmen jährlich, außerdem etwa 20.000 bis 30.000 elektronische Stoppuhren. Abgesehen von der sogenannten Sanduhrklasse, also Oldtimer-Rallyes, die standesgemäß auf elektronische Zeiterfassung verzichten, kommen die Käufer von mechanischen Stoppuhren heute überwiegend aus der Industrie, vor allem der chemischen. Sie werden beispielsweise in Laboren eingesetzt, wo kein Zündfunke entstehen darf. Laut Hall bestellen einige Daxkonzerne in Gütenbach und versorgen ihre Niederlassungen weltweit mit Stoppuhren.
Auch Armbanduhren
Außer Stopp- fertigt Hanhart auch Armbanduhren. Das Unternehmen gilt als Pionier für Fliegerchronographen, die Uhrzeitanzeige und Stoppfunktion miteinander verbinden. Den ersten brachten die Gütenbacher in den 1930er-Jahren auf den Markt. Heute hat sich Hanhart, laut Geschäftsführer Simon Hall einer der wenigen Schwarzwälder Uhrenhersteller, der ohne Unterbrechung hier produzierte, auf hochwertige, mechanische Chronographen und Armbanduhren spezialisiert. Ähnlich wie die Stoppuhren entstehen diese mit viel Handarbeit am Firmensitz. Die jährliche Produktionsmenge liegt bei rund 1.000, Tendenz steigend. Der Vertrieb läuft direkt über Juweliere und Uhrenhändler, international auch über Großhändler sowie über den eigenen Onlineshop.
Historie
Hanhart wurde 1882 in der Schweiz gegründet, zog 1902 nach Schwenningen und eröffnete 1934 den Standort in Gütenbach. Das Unternehmen wuchs rasch auf 200 Mitarbeiter und erlebte seine Hochzeit in den 1960er- bis 1980er-Jahren. Es stellte sich zwar auf die Veränderungen der Quarzära ein, musste aber aufgrund des dadurch ausgelösten Preisverfalls Federn lassen: In den 1990er-Jahren gab Hanhart die Produktion von Quarzwerken auf. 2008 wurden Stoppuhren und Armbanduhren in zwei Gesellschaften aufgeteilt, und ein Schweizer Investor stieg ein. 2014 ging Klaus-Jürgen Eble, der Schwiegersohn von Willy Hanhart, in den Ruhestand. Nach Ebles Ausscheiden kaufte die Münchner Beteiligungsgesellschaft GCI, die bereits bis 2008 beteiligt gewesen war, die Anteile zurück. Die Geschäftsführung übernahmen Simon Hall und Felix Wallner. Nach der Insolvenz der Stoppuhrensparte vereinten Gesellschafter und Geschäftsführer wieder beide Firmenbereiche unter einem Dach. Heute beschäftigt Hanhart etwa zwei Dutzend Mitarbeiter, darunter viele Uhrmacher, wie Geschäftsführer Hall selbst einer ist.
kat