„Das neue Junghans-Terrassenbaumuseum ist zweifelsohne ein Leuchtturm in der Schramberger Museumslandschaft.“ Dies hatte der Schramberger Unternehmer und Junghans-Eigentümer Hans Jochem Steim bei der Eröffnung im Sommer 2018 hervorgehoben. Nun, etwa ein halbes Jahr später, zeigt sich: Er hat Recht behalten. Das Museum im historischen Terrassenbau der Uhrenfabrik begeistert die Besucher.
Steim ist der Initiator und Eigentümer des Junghans-Terrassenbaumuseums und der Uhrenfabrik Junghans. Die große Uhrenmarke, die mit dem Namen Schramberg untrennbar verbunden ist, hatte Steim 2009 gemeinsam mit seinem Sohn Hannes aus der Insolvenz gekauft und damit vor dem Untergang bewahrt. Auf dem riesigen Firmenareal an der Geißhalde in Schramberg produzierten in den besten Zeiten in den 1940er- und 1950er-Jahren bis zu 7.000 Menschen Taschen- und Armbanduhren, Wecker sowie Großuhren. In den Weltkriegen war Junghans aber auch in der Rüstung tätig und stellte Millionen Zünder für Bomben und Granaten her.
Mit dem Niedergang der Uhrenindustrie im Schwarzwald ab den 1970er-Jahren geriet auch Junghans in die Krise. Zunächst verschlief man den Wechsel zur Quarzuhr und nach der Wiedervereinigung den Trend zur mechanischen Luxusuhr. Nach mehreren Eigentümerwechseln schien Junghans 2008 am Ende. Nur noch etwa 90 Mitarbeiter zählte das Unternehmen. Es war eine Frage der Zeit, bis irgendjemand den Markennamen Junghans aufkaufen und die Produktion nach Fernost verlegen würde. Da griff die Schramberger Unternehmerfamilie Steim zu. Den Steims gehört Kern-Liebers – ein Weltkonzern, der Zubehör für Textilmaschinen, aber auch Federn produziert. Der frühere Zulieferer für Junghans übernahm die traurigen Reste der Uhrenfabrik und sanierte die Traditionsmarke, die heute wieder in der Uhrenwelt einen Namen hat.
2012 hat die Firma Diehl, zu der Junghans viele Jahrzehnte gehört hatte, die Grundstücke an der Geißhalde an einen Investor aus München verkauft. „Allerdings hatte der nicht an allen Gebäuden Interesse“, sagt Steim. Zwei Gebäude, in denen die Uhrenfabrik Junghans produzierte, hatte Steim damals gemietet. Bei den folgenden Verhandlungen sei man auch auf den leerstehenden Terrassenbau gekommen. „Nach eingehenden Verhandlungen haben wir mehrere Gebäude auf dem Areal gekauft, darunter auch den Terrassenbau.“ Damals hatte Steim noch keine Idee, was man mit diesem zwar bauhistorisch sehr bedeutsamen, für eine heutige Nutzung aber ziemlich unpraktischen, 100 Jahre alten Gebäude anfangen könnte. Die auf neun Terrassen in den Hang gebaute Fabrik hatte der berühmte Industriearchitekt Philipp Jakob Manz aus Stuttgart speziell für die Uhrmacherei konzipiert. Jeder Arbeitsplatz hat direktes Tageslicht. Das Problem: Die Terrassen sind schmal und nur über zwei Treppenhäuser zu erreichen. Neun Stockwerke ohne Aufzug? Die Nutzung als Erlebnisgastronomie oder Diskothek scheiterte an praktischen Problemen wie Brandschutz oder Barrierefreiheit. Steim selbst hatte während seiner Zeit als Landtagsabgeordneter von 1996 bis 2006 die Idee, man könnte hier die Außenstelle einer wissenschaftlichen Institution ansiedeln. Aber auch das ließ sich nicht umsetzen.
Mit dem Kauf des denkmalgeschützten Terrassenbaus hatte Steim auch die Verpflichtung übernommen, diesen zu erhalten. Weil die Räume seit den 1990er-Jahren nicht mehr genutzt worden waren, befanden sie sich in einem ziemlich schlimmen Zustand. Steim war klar, „dass sich die Gebäudesubstanz weiter verschlechtern würde, wenn man hier nichts unternimmt“. Aber was? Da half ein Zufall: Heinz Engelmann, ein Uhrensammler aus dem niedersächsischen Vechta, wollte seine bedeutende Sammlung von historischen Schwarzwalduhren verkaufen. Davon hatte Steim erfahren und Ende 2014 diesem Sammler ein Angebot gemacht: „Im Terrassenbau boten sich ideale Rahmenbedingungen für die Uhrensammlung – und wir sind uns auch schnell einig geworden.“ Etwa 300 Objekte – von Automaten-, Stand- und Musik- sowie natürlich auch klassischen Kuckucksuhren bis hin zu außergewöhnlichen Orchestrien – kamen so von Vechta in den Schwarzwald.
Die Sammlung Engelmann bietet den Einstieg in das neue Museum. Auf den oberen Terrassen, die man über einen bequemen Schrägaufzug erreicht, erhält man so einen Einblick in die Entwicklung der Uhrenherstellung im Schwarzwald vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert. Steim war aber auch die Junghans-Familien- und Firmengeschichte wichtig. „Schließlich war Junghans über viele Jahrzehnte prägend für die Stadt, hat die Industrialisierung Schrambergs eingeleitet“, sagt er. Aus dem firmeneigenen Magazin stammen viele Objekte, die die Entwicklung der Uhrenfabrik bis in die Neuzeit zeigen: von mechanischen über elektrische Uhren bis zur Funk-Solar-Uhr.
Weil sein Unternehmen Kern-Liebers als Federnhersteller ursprünglich ein klassischer Zulieferer der Uhrenfabriken war, hat sich Steim auch diesen Bereich vorgenommen. Deshalb ist eine Terrasse den Zulieferern gewidmet, insbesondere im Bereich der Federherstellung für Uhren. Am Ende des Rundgangs finden die Besucher in Terrasse 2 den neuen Junghans-Shop mit dem Werksverkauf.
Das neue Museum soll nicht nur die Uhrenliebhaber ansprechen, betont Museumsleiter Arkas Förstner, der auch für die Gestaltung der Ausstellung mitverantwortlich war: „Wir wollten einen Ort gestalten, den sich die Besucher selbst erschließen können.“ Dabei gebe es viele Möglichkeiten, die bestehende Dauerausstellung durch Sonderschauen zu ergänzen und zu erweitern. „Wir sind überzeugt, dass man beim ersten Mal bei weitem nicht alles entdecken und erleben kann.“ Mit der Resonanz seien sie zufrieden, versichert Förstner nach einem halben Jahr. Die Besucherschar ist bunt: ehemalige Mitarbeiter mit ihren Familien, Uhrenfans, Architekturinteressierte und Touristen aus aller Welt, wie das Gästebuch zeigt. Einträge auf chinesisch und niederländisch finden sich da neben einem Dankeschön „für den rollstuhlgerechten Ausbau“ oder ganz knapp: „Extraordinnaire“ und „Thanks Junghans“.
Martin Himmelheber
Das Junghans-Terrassenbaumuseum ist dienstags bis sonntags
von 10 bis 18 Uhr geöffnet,
letzter Einlass ist um 17 Uhr.
Der Eintritt kostet 8 Euro, ermäßigt 4 Euro.
Gruppenführungen sind nach vorheriger Anmeldung möglich.
Junghans-Terrassenbaumuseum,
Lauterbacher Straße 68, 78713 Schramberg
www.junghans-terrassenbau.de