Bei fast der Hälfte der kleinen Betriebe im Regierungsbezirk Freiburg ist der Chef älter als 55 Jahre, sollte also das Thema Nachfolge in den Blick nehmen. Einige taten dies jüngst auf der Veranstaltung „Unternehmensnachfolge im ländlichen Raum“, zu der die drei IHKs im Regierungsbezirk gemeinsam ins Kurhaus Titisee eingeladen hatten. Rund hundert Teilnehmer zählten die Veranstalter, etwa 60 Prozent davon waren potenzielle Übergeber.

Die Farbe des Punktes, den die Besucher sich ans Revers kleben konnten, verriet den Grund für ihre Teilnahme: Orange trugen diejenigen, die sich für die Übergabe eines Unternehmens interessierten, hellblau die potenziellen Übernehmer. Orange war leicht in der Überzahl. Was wenig verwunderlich ist, wie Zahlen des Instituts für Mittelstandforschung (IfM) zeigen, die Michael Bertram, Leiter des Geschäftsbereichs Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK Südlicher Oberrhein, präsentierte. Demnach gehen in Baden-Württemberg zwischen 2018 und 2022 rund 22.000 Betriebe mit zusammen etwa 370.000 Beschäftigten die Nachfolge an. Auf den Regierungsbezirk Freiburg dürften etwa ein Viertel davon, also gut 5.000 Betriebe mit rund 90.000 Mitarbeitern, entfallen. Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen (53 Prozent) findet laut IfM einen Nachfolger in der Familie, 29 Prozent gehen an einen externen Nachfolger, 18 Prozent an einen eigenen Mitarbeiter in Form eines Management-Buy-outs. Dementsprechend gelte es, das Thema Nachfolge aus drei Blickwinkeln zu betrachten, sagte Bertram: Erstens natürlich aus der des Übergebers, der sein Lebenswerk in möglichst gute Hände geben will. Zweitens aus Sicht des Übernehmers, für den die Nachfolge eine Gründung ist und der darin die Chance sieht, ein eingeführtes Unternehmen weiterzuführen, es aber auch für neue Herausforderungen wie die Digitalisierung fit zu machen. Und drittens ist Nachfolge natürlich auch ein regionales Thema. Denn die Fortführung des Unternehmens und die Sicherung seiner Arbeitsplätze tragen zum Wohl der Region bei. „Daran ist auch die IHK interessiert, deshalb gibt es diese Veranstaltung“, betonte Betram.
Eigene Zahlen zum Thema Nachfolge hat die darauf spezialisierte Unternehmensberatung K.E.R.N. erhoben. Sie hat alle 79 IHK-Bezirke in Deutschland analysiert und bei den drei IHKs im Regierungsbezirk Freiburg (Hochrhein-Bodensee, Schwarzwald-Baar-Heuberg und Südlicher Oberrhein) rund 12.500 kleine und mittelständische Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 250.000 Euro und fünf Millionen Euro erfasst. Bei 42 Prozent dieser Betriebe ist der Chef älter als 55 Jahre, sollte also an die Nachfolge denken. Bis 2022 steigt der Anteil übergaberelevanter Unternehmen auf 62 Prozent. Karl Rehfuss von K.E.R.N präsentierte familienin- und externe Nachfolgemodelle sowie Mischformen – von der klassischen Übergabe sowohl der Anteile als auch der Führung an Familienmitglieder, über Management-Buy-ins und -Buy-outs, also entweder an Externe oder an ehemalige Mitarbeiter, bis zu Fremdmanagement mit dem Verbleib des Kapitals in der Familie sowie der Beteiligung von Investoren bei familieninterner Geschäftsleitung. Und er gab Tipps, die unabhängig vom jeweiligen Nachfolgemodell gelten. Ein wichtiger Faktor ist die Zeit. „Es ist nie zu früh, an später zu denken“, sagte Rehfuss. Der richtige Zeitpunkt, die Nachfolge anzugehen, sei gerade dann, wenn man denkt „ich habe noch Zeit“. Auch Bertram Paganini, Geschäftsführer Existenzgründung und Unternehmensförderung der IHK Hochrhein-Bodensee, mahnte, die Zeit im Blick zu haben: „Die Fachkräftesituation in der Region sorgt dafür, dass die Übergabe vielleicht länger dauert.“
Das darf aber laut Rehfuss nicht bedeuten, dass man Investitionen aufschiebt, denn das mache sich am Ende beim Preis bemerkbar. Übergeber sollten vielmehr die Halle noch bauen, die Maschinen noch kaufen, also weitermachen, als wollten sie ihr Unternehmen noch weitere zehn Jahren führen. So stellen sie dessen Zukunftsfähigkeit sicher. Gleichzeitig aber geht es darum, loszulassen und zu delegieren. „Schon kleinste Schritte, die man anderen übergibt, bringen Sie einen großen Schritt nach vorne“, appellierte der Nachfolgeexperte an die Übergeber. Auch die potenziellen Käufer müssten sich gut vorbereiten, am besten ein Profil erstellen, was genau sie können und was sie suchen. Und sie müssten sich Gedanken über finanzielle Aspekte machen. Rehfuss hat schon häufig beobachtet, dass Übernehmer, die Jahresgehälter von mehreren 100.000 Euro beziehen, von den kargen Salären, die sich manch ein Firmeninhaber auszahlt, sehr überrascht sind. Deshalb stellt er zu Beginn seiner Beratung gerne die grundlegende Frage: „Weiß Ihre Frau über Ihre Pläne Bescheid?“
In die gleiche Richtung zielte Michael Ulmer vom RKW Baden-Württemberg, der den Workshop Industrie leitete. „Zu einem Zwanzig-Mann-Betrieb kann kein geschasster Manager vom Daimler kommen, der meint, er bekommt wieder zwei Assistenten“, sagte der Unternehmensberater. Chefs von kleinen Betrieben müssten auch „im Blaumann mitanpacken können“. Das führe allerdings dazu, dass der Übergeber sich meist genau denjenigen aussucht, der das Unternehmen am wenigstens finanzieren kann.
Der richtige Preis ist überhaupt ein großes Thema, und die Vorstellungen darüber differieren naturgemäß zwischen dem Übergeber und dem Übernehmer. Zudem hängt er von der Nachfrage und vom Markt ab, der in manchen Branchen wie der Medizintechnik derzeit ähnlich aufgeheizt ist wie der Immobilienmarkt. „Die Unternehmensbewertung ist nur die Verhandlungsbasis“, betonte Markus Jäkle von der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg, die auf Nachfolgefinanzierungen spezialisiert ist. Er riet als Faustformel: „Der Wert des Unternehmens kann nur durch die Ertragslage begründet werden.“ Und: „Wenn ein Kaufpreis innerhalb von acht bis zehn Jahren finanzierbar ist, dann ist er plausibel.“ Hilfestellung bei der Bewertung des Unternehmens kann der KMU-Rechner im Internet (www.kmurechner.de) bieten, empfahl Michael Bertram.
Wenn ein Nachfolger gefunden und ein Preis vereinbart ist, kommt der vielleicht schwierigste, weil emotionale Teil: die eigentliche Übergabe. „Man sollte sich als Nachfolger bewusst sein, dass man das Baby von jemandem übernimmt“, sagte Karlchristian Dischinger, der das Speditions- und Logistikunternehmen Karldischinger aus Ehrenkirchen seit 2016 in fünfter Generation leitet. Diese Erkenntnis hat er erst kürzlich wieder gewonnen, als Karldischinger den Zuschlag für ein österreichisches Unternehmen bekommen hat, das mangels Nachfolger einen Käufer suchte. Für den Übergabeprozess des eigenen Familienbetriebs hatten sich sein Vater Karlhubert Dischinger und er fünf Jahre Zeit sowie externe Beratung genommen. „Es war ein langer Prozess, der absolut notwendig war“, berichtete der Junior in Titisee und zählte seine drei Bedingungen für die Übernahme auf: Der Vater sollte im Betrieb bleiben („Manche Kunden wollen einen Silberrücken“), das Unternehmen eine neue Struktur bekommen („Ein Unternehmen ist wie ein Mobile: Wenn man die Teile nur umhängt, wackelt schon alles“) und einen neuen Geschäftszweig. Businessservices heißt der und umfasst Dienstleistungen abseits der Straße, ohne die es das Unternehmen vielleicht schon nicht mehr gäbe.
kat
Ansprechpartner zum Thema nachfolge bei den IHKs
Hochrhein-Bodensee
Bertram Paganini
Telefon: 07531 2860-130
E-Mail: bertram.paganini@konstanz.ihk.de
Schwarzwald-Baar-Heuberg
Marlene Hauser
Telefon: 07721 922-348
E-Mail: hauser@vs.ihk.de
Südlicher Oberrhein
Christian Müller
Telefon: 07821 2703-641
E-Mail: christian.mueller@freiburg.ihk.de