Um Auftragsspitzen zu bewältigen, setzen viele Unternehmen auf Überstunden. Genau hier setzt ein Vorhaben der Bundesregierung an: Überstundenzuschläge sollen steuerfrei werden. Klingt besser, als es ist, sagt dazu unser Fachautor.

Arbeitgeber sollen Zuschläge für Überstunden künftig steuerbegünstigt an Arbeitnehmer zahlen können. Das soll insbesondere Teilzeitkräfte motivieren, ihre Arbeitszeit vorübergehend aufzustocken. Für Unternehmen klingt das zunächst vielversprechend: Mehr Flexibilität im Personalbestand etwa bei kurzfristigen Engpässen, zusätzliche Arbeitsleistung aus dem vorhandenen Team und das alles bei steuerlicher Entlastung. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail.
Ein häufiger Irrtum
Es ist nicht geplant, die komplette Überstundenvergütung steuerfrei zu stellen. Nur Zuschläge, die der Arbeitgeber über das Grundgehalt für geleistete Überstunden zahlt, sollen nach den Vorstellungen der Regierung steuerfrei werden. Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit 17,20 Euro Stundenlohn erhält für drei Überstunden 51,60 Euro und muss diesen Betrag versteuern. Lediglich die Zuschläge, zum Beispiel in Höhe von zehn Prozent wären steuerfrei. Das macht in unserem Beispiel 5,16 Euro. So etwas ist schon bekannt aus der Handhabung von Nacht- oder Feiertagszuschlägen.
Soweit Überstunden nur mit dem regulären Stundenlohn und ohne besonderen Zuschlag vergütet werden, profitieren Arbeitnehmer nicht von steuerlichen Vorteilen. Auch wenn Überstunden durch Freizeitausgleich abgegolten werden, greift die Steuerbefreiung nicht. Gleiches gilt bei der Anlage eines Arbeitszeitkontos, das zum Beispiel im Rahmen der Altersteilzeit genutzt werden kann, um früher in Rente zu gehen.
Eine zentrale Hürde der geplanten Regelung betrifft die Frage: Ab wann sollen Überstundenzuschläge steuerlich begünstigt sein? Dies soll nur für solche Überstunden gelten, die über eine bestimmte Vollzeit-Grenze hinausgehen. Nach den aktuellen Plänen soll die aber nicht einheitlich sein. In Arbeitsverhältnissen, die sich nicht auf tarifliche Regelungen stützen, sollen pauschal 40 Wochenstunden als Vollzeit gelten. Und zwar auch dann, wenn im Arbeitsvertrag nur 37,5 Stunden als Vollzeit-Kontingent vereinbart sind. Selbst wer also schon vertraglich voll arbeitet und dann zwei Stunden extra macht, würde nicht in den Genuss der steuerlichen Vorteile kommen – weil die „magische 40“ nicht erreicht wurde. Anders sieht es bei tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen aus: Hier reichen schon 34 Stunden, um als Vollzeit zu gelten…
Ein weiterer Punkt ist, dass Teilzeitbeschäftigte oft nicht profitieren werden. Denn wer in einer klassischen 20-Stunden-Woche arbeitet, wird es kaum schaffen, über die Vollzeitgrenze zu kommen. Nur in seltenen Fällen, etwa bei einer 30-Stunden-Woche und sehr vielen Zusatzstunden, kann die Regelung greifen. Doch das bleibt die Ausnahme. Es ist auch nicht zu erwarten, dass Teilzeitkräfte plötzlich auf Vollzeit aufstocken wollen, denn die meisten haben einen Grund, weshalb sie Teilzeit arbeiten.
Um eine höhere Arbeitszeit zu erreichen, wäre es also wirksamer, bei den Zuschlägen nicht zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten zu unterscheiden. Das ist nicht nur schwer zu vermitteln – es ist auch rechtlich fragwürdig. Denn das europäische Arbeitsrecht schreibt vor, dass Teil- und Vollzeitkräfte nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden dürfen. Genau das droht hier. Das BAG hat kürzlich entschieden, dass die Gewährung von Überstundenzuschlägen nur gegenüber den in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmern zu Schadensersatzanspruch führen kann.
Fazit
Für Arbeitgeber stellt sich bei der geplanten Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen eine entscheidende Frage: Lohnt sich der Aufwand? Sie sind auf jeden Fall eine Motivation für betroffene Arbeitnehmer – allerdings kein Allheilmittel für Arbeitgeber. Um Auftragsspitzen abzufedern, sollte man auch an andere arbeitsrechtliche Instrumente wie Befristung, Leiharbeit oder Arbeitszeitkonten denken. Wer die Vorteile aus den steuerfreien Überstundenzuschlägen nutzen will, muss vorher rechnen. Denn nur wenn durch die Steuerersparnis echte Kapazitätsgewinne entstehen, kann sich dieses Instrument für beide Seiten lohnen.
Unser Autor
Alexander Gräßel ist Anwalt für Arbeitsrecht bei Advant Beiten in Freiburg