Biermarkt in der Krise? Nicht bei Waldhaus. Chef Dieter Schmid sagt: Die Zukunft gehört den kleineren Brauereien.

Der Bierabsatz in Deutschland geht runter, der Umsatz der Brauerei Waldhaus hoch. Was ist da los? Wir sprachen mit Inhaber Dieter Schmid über den neuen Hang zur Schnelllebigkeit, die Philosophie des Craft-Biers und warum Alkoholfreies zwar Ergänzung, aber nicht Ersatz sein kann.
In Deutschland wird immer weniger Bier getrunken – vor allem bei der Gen Z scheinen Hopfen und Malz verloren. Was läuft da schief?
Bier war einmal ein fester Bestandteil unserer Alltagskultur – Symbol für Gemeinschaft, Genuss und Lebensfreude. Heute erleben wir, dass gerade die junge Generation oft den Bezug dazu verliert. Warum? Weil vieles beliebiger geworden ist. Weil Fast Fashion, Fast Food und auch Fast Drinks den Moment bestimmen. Bier hingegen braucht Zeit, Liebe, Herkunft – Werte, die heute wieder neu entdeckt werden müssen. Ich bin überzeugt: Es läuft nicht grundsätzlich etwas schief. Es braucht nur neue Wege, Bier wieder zu emotionalisieren, erlebbar zu machen.
Gegen den Branchentrend verzeichnet Waldhaus Umsatzzuwächse: Warum?
Weil wir bewusst vieles anders machen als unsere Mitbewerber. Während viele dem schnellen Trend folgen, setzen wir bei Waldhaus seit jeher auf kompromisslose Qualität – bei unseren Rohstoffen, in unserer Braukunst und im Umgang mit unseren Kunden. Wir machen keine mengengetriebenen Preisaktionen, sondern stehen für echten Wert statt schnellem Rabatt.
Sie bieten knapp 20 verschiedene Biersorten – warum diese Kleinteiligkeit?
Weil Bier Leidenschaft ist – und Leidenschaft lebt von Vielfalt. Jeder Moment, jede Stimmung verlangt nach einem anderen Bier.
Noch ein Gedanke zu dieser Sortenvielfalt: Wie sehen Sie die Craft-Bier-Welle? Die scheint so langsam wieder abzuebben …
Vielleicht als kurzfristiger Hype – ja. Aber die Grundidee dahinter, nämlich Individualität, Charakter und echtes Handwerk wieder in den Vordergrund zu stellen, bleibt. Für uns war Craft-Bier nie ein Trend, sondern eine Philosophie – und alle unsere Biere sind im Grunde Craft-Biere, weil sie mit Liebe und Leidenschaft gebraut werden.
Mit etwa 100 000 Hektolitern Bierausstoß pro Jahr und 70 Mitarbeitern gehört Waldhaus zu den kleineren Brauereien in Deutschland. Wie schätzen Sie die Zukunft der kleineren und kleinen deutschen Brauereien ein?
Die Zukunft gehört den Brauereien wie uns – denen, die stolz auf ihre Unabhängigkeit sind und nicht den Konzernen hinterherlaufen. Während bei den Großkonzernen durch kurzfristige Gewinnmaximierung oder wertschöpfungsgetriebene Vorstände oft der Blick für das Wesentliche verloren wird, können wir uns auf das konzentrieren, was wirklich zählt: Qualität, Handwerk und die Beziehung zu unseren Kunden. Kleine Brauereien sind in der Lage, flexibel zu agieren, echte Innovationen zu schaffen und sich mit Persönlichkeit abzuheben – genau das macht uns zukunftsfähig.
Haben es die kleinen im Vergleich zu Konzernen wie Inbev oder großen Playern wie Paulaner derzeit leichter oder schwerer?
Die großen Konzerne haben sicherlich ihre Vorteile: Sie verfügen über enorme Ressourcen, eine riesige Logistik und können durch ihre Größe von Skaleneffekten profitieren. Doch diese Vorteile gehen oft auf Kosten des Charakters und der Authentizität ihrer Produkte und Marke. Die Biere der großen Marken sind häufig nur noch nass, kalt und gelb – und vor allem eines: austauschbar. Die Konzerne können den Markt mit billigen Massenprodukten überschwemmen – aber sie können nicht bieten, was wir bieten: ein echtes Erlebnis, ein Bier, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Alkoholfreies Bier wird in Deutschland immer beliebter, auch bei Waldhaus. Kann der Absatz alkoholfreien Biers den des alkoholischen irgendwann überholen oder dessen Rückgang vollends kompensieren?
Ich glaube nicht, dass alkoholfreies Bier den klassischen Biergenuss verdrängen wird – aber es wird weiterhin stark wachsen. Alkoholfreie Biere sind eine großartige Ergänzung, weil sie Genuss und bewussten Lebensstil vereinen.
Mit Waldi ist ihr neuestes Produkt gar kein Bier – sondern ein Spezi. Ist das mehr als ein Trend? Müssen aus Brauern Limonadenmischer werden?
Waldi ist eine Antwort auf den Wunsch nach Erfrischung, Heimatgefühl und Natürlichkeit – ganz ohne Alkohol. Aber nein, wir werden keine Limonadenmischer. Wir bleiben Brauer aus Leidenschaft. Waldi ergänzt unser Sortiment, ohne unsere DNA zu verwässern. Es geht darum, neue Wege zu gehen, ohne die Wurzeln zu vergessen.
Waldhaus hat in der Region einen guten Ruf und tut im Marketing auch viel dafür. Was investieren Sie hier pro Jahr?
Danke für die Blumen! Marketing ist wirklich eine Herzensangelegenheit für mich. Jeden Tag arbeiten wir mit voller Leidenschaft daran, noch origineller, authentischer und aufmerksamkeitserregender zu sein. Und wir investieren
5 bis 7 Prozent unseres Jahresumsatzes in Marketing. Für uns ist Marketing aber nicht nur Werbung – es bedeutet Begegnung, Emotion und Glaubwürdigkeit. Ob beim Sponsoring regionaler Veranstaltungen, bei Social Media oder beim persönlichen Kontakt auf Festen.
Die Brauerei Waldhaus wurde 1833 gegründet: Welche Pläne haben Sie, um auch künftig bestehen zu können?
Tradition bewahren und Zukunft gestalten – das ist unser Anspruch. Wir investieren kontinuierlich in modernste Technik, in Nachhaltigkeit und in die Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Gleichzeitig setzen wir auf regionale Rohstoffe und langfristige Partnerschaften. Für uns gehört dazu auch, offen für neue Ideen zu bleiben, ohne unsere Werte zu verraten.
Waldhaus ist ein Familienbetrieb und die fünfte Generation steht mit Ihren Kindern schon an der Theke: Verraten Sie mir, wie Sie es geschafft haben, die beiden vom Einstieg zu überzeugen – gerade bei der eher angespannten Lage der Branche…
Man kann und sollte seine Kinder nicht zwingen, eine Leidenschaft zu übernehmen – sie müssen sie selbst in sich spüren. Janina und Yannik haben früh erlebt, was es bedeutet, Teil von Waldhaus zu sein: Verantwortung, Herzblut, Stolz. Wir haben sie nie gedrängt, sondern ihnen Freiraum gelassen und haben ihnen viele Jahre vor allem die positiven Seiten des Unternehmertums verdeutlicht. Dass sie sich freiwillig entschieden haben, ihre Ausbildungen in Richtung Brauhandwerk, Betriebswirtschaft, Management und Kommunikation auszurichten, macht mich unendlich stolz. Sie sehen, dass wir hier Echtes gestalten dürfen – für Menschen, die uns vertrauen. se
Zur Person
Seit 1997 ist der Betriebswirt und Braumeister Dieter Schmid (57) Geschäftsführer von Waldhaus. Die Privatbrauerei setzte 2024 rund 14,5 Millionen Euro um – vor zehn Jahren waren es noch 8,2 Millionen.