Seit der Unterzeichnung des Vertrags von Lugano im Jahr 1996 werden beim Ausbau der Schienenachse zwischen Stuttgart und Zürich auf deutscher Seite kaum spürbare Fortschritte erzielt. Die Wirtschaft entlang der Strecke begrüßt daher den neuen Anlauf beider Regierungen für einen leistungsfähigeren Schienenverkehr über die Alpen – fordert nach Jahrzehnten des Stillstands aber Verbindlichkeit und überprüfbare Fortschritte ein.
Bereits vor einigen Wochen hatte die Wirtschaft zwischen Stuttgart und Zürich die Kandidierenden zur Bundestagswahl in die Pflicht genommen: Die Schieneninfrastruktur zwischen Stuttgart und Zürich muss zu einem leistungsfähigen und umweltfreundlichen Korridor für den Personen- und Güterverkehr mit internationaler Bedeutung ausgebaut werden. Vor diesem Hintergrund begrüßt das grenzüberschreitende Wirtschaftsbündnis jetzt auch grundsätzlich die neue deutsch-schweizerische Vereinbarung über leistungsfähigere Zuläufe zur neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT). Dazu zählen neben der Achse Stuttgart-Zürich beispielsweise auch die Rheintal- und die Südbahn sowie die Hochrheinstrecke.
Gleichzeitig stellen die Kammer- und Verbandsspitzen wie Birgit Hakenjos, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Schwarzwald-Baar-Heuberg, klar: „Nach der ersten Vereinbarung von Lugano 1996 wird jetzt das dritte Papier innerhalb von zwei Jahren unterzeichnet. Diese Erklärungen sind unverbindlich und nur etwas wert, wenn sie auch tatsächlich umgesetzt werden. Insbesondere das Bundesverkehrsministerium und die Deutsche Bahn AG müssen beim Deutschlandtakt nach wie vor Infrastruktur und Fahrplan auf der Achse Stuttgart-Zürich aufeinander abstimmen und schrittweise viele offene Fragen beantworten.“
Auf Grundlage des neuen Abkommens könnten die beiden Verkehrsministerien in Berlin und Bern nach Ansicht der Wirtschaft prüfen, eine Arbeitsgruppe explizit zur Schienenachse Stuttgart-Zürich zu etablieren. Die Verbände und Kammern hatten bereits in der Vergangenheit zu einem verbindlichen und regelmäßigen Format wie beispielsweise einer „Fortschrittskonferenz“ aufgerufen. Gemeinsam mit der Wirtschaft müsse es gelingen, den Ausbau mindestens einmal im Jahr mit allen relevanten Akteuren aus Deutschland und der Schweiz, mit klaren Verantwortlichkeiten und mit einem verbindlichen Zeitplan voranzutreiben.
Stimmen aus der Wirtschaft
Birgit Hakenjos betont: „Eine bessere Abstimmung beider Länder auf der Schiene ist dringend erforderlich. Es kann nicht sein, dass – wie zuletzt im August – an Rheintal- und Gäubahn gleichzeitig gebaut wird und der Schienengüterverkehr aus Italien und der Schweiz über die dafür nicht geeignete Schwarzwald-Bahn geleitet werden muss.“
Thomas Conrady, Präsident der IHK Hochrhein-Bodensee ergänzt: „Das Folgeabkommen sollte genutzt werden, um tatsächlich konkrete Verbesserungen zu erzielen. Dabei geht es nicht nur um Infrastruktur und aufeinander abgestimmte Planungsprozesse, sondern auch um die Digitalisierung im Schienenverkehr und eine bessere internationale Zusammenarbeit.“
Hintergrund
Die Wirtschaft entlang der Schienenachse Stuttgart-Zürich fordert den unverzüglichen Ausbau für den Personen- und Güterverkehr. Auf Initiative der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg haben sich deshalb im Juni 2019 zwölf deutsche und schweizerische Verbände zu einem grenzüberschreitenden Wirtschaftsbündnis zusammengeschlossen. Die Wirtschaft verspricht sich davon nicht nur eine bessere Anbindung an nationale und internationale Verkehrswege. Der Ausbau ist auch dringend erforderlich, um das steigende Güteraufkommen auf der Schiene abzuwickeln, um die Straßen zu entlasten und um einen konkreten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Die IHK Nordschwarzwald begrüßt den noch in diesem Jahr geplanten Ausbau der Gäubahn zwischen Horb und Neckarhausen. Präsidentin Claudia Gläser sagt: „Das ist aber nur eine Einzelmaßnahme. Wir haben noch einen weiten Weg bis hin zu einer leistungsfähigen Zulaufstrecke für den alpenquerenden Schienenverkehr.“
Marjoke Breuning, Präsidentin der IHK Region Stuttgart, betont: „Wenn das Folgeabkommen umgesetzt wird, könnte sich die Anbindung an den internationalen Schienenpersonenverkehr tatsächlich verbessern. Aber auch für den Schienengüterverkehr ist der Ausbau der Achse Stuttgart-Zürich dringend erforderlich, um das steigende Güteraufkommen auf der Schiene abzuwickeln, die Straßen zu entlasten und einen konkreten Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.“
Regine Sauter, Direktorin der Zürcher Handelskammer: „Für eine effiziente Verbindung der beiden Wirtschaftsräume Zürich und Baden-Württemberg braucht es endlich eine funktionierende Schienenachse. Es ist unverständlich, dass dieses Projekt trotz parteiübergreifender Einigkeit immer wieder aufgeschoben wird und seit Jahren kaum Fortschritte erzielt werden. Die nun getroffene Vereinbarung muss Anlass sein, den Ausbau dieser Bahnstrecke künftig in einem regelmäßigen und verbindlichen Format mit dem Bundesverkehrsministerium und der Deutschen Bahn voranzutreiben.“
Kurt Lanz, Mitglied der Geschäftsleitung beim Schweizer Wirtschaftsdachverband Economiesuisse: „Die Schweiz ist seit jeher eine Drehscheibe für den Güter- und Personenverkehr. In der Vergangenheit haben wir viel in unsere Schieneninfrastruktur investiert und dementsprechend groß ist nach wie vor unser Interesse am Ausbau der Schienenachse Stuttgart-Zürich als funktionierende Zulaufstrecke zum Gotthard-Tunnel. Das neue Abkommen soll die Basis sein, um nun konkrete Fortschritte zu erzielen.“
„Die IHK Reutlingen hat sich in der Vergangenheit nachhaltig für den Bau der Gäubahn eingesetzt. Die Wirtschaft setzt darauf, dass mit der angekündigten Zusammenarbeit beider Länder beispielsweise bei der Entwicklung und beim Aufbau eines funktionierenden Fahrplans im internationalen Schienenverkehr entscheidende Fortschritte erzielt werden“, so Wolfgang Epp, Hauptgeschäftsführer der IHK Reutlingen.
Text: MS
Bild: Deutsche Bahn AG / Benedikt Stahl
Martin Schmidt, Fachbereich Standortpolitik
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