Die IHK nimmt eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Aufgaben auf unterschiedlichen Feldern der Wirtschaft wahr und entlastet damit den Staat. In dieser Serie stellen wir die Aufgaben vor. In der ersten Folge widmen wir uns der Außenwirtschaft und haben dazu mit Uwe Böhm, Leiter des Geschäftsbereichs International der IHK, gesprochen.

Herr Böhm, nach Paragraf 1 Absatz 3 des IHK-Gesetzes gehört die „Ausstellung von Ursprungszeugnissen, Carnets und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienende Bescheinigungen“ zu den hoheitlichen Aufgaben der IHK. Was genau bedeutet das?
Das klingt erstmal sehr formal, dahinter stecken aber für die Exportwirtschaft wichtige Dokumente. Nehmen wir zum Beispiel das Ursprungszeugnis. Wo wurde denn eine Ware letztlich hergestellt? Für unsere Wirtschaft ist es wichtig, nachzuweisen, woher das Produkt wirklich stammt. Denn eine deutsche Maschine hat in der Welt einen sehr guten Ruf. Und ein Ursprungszeugnis gibt darüber Auskunft. Der Ursprung einer Ware wird nach der letzten wesentlichen Be- oder Verarbeitung bestimmt, die an einem Produkt vorgenommen wurde. Und unsere Entscheidung wird weltweit anerkannt. Aber auch bei Handelsware bestätigen wir den handelspolitischen Ursprung. Andere Bescheinigungen, die wir ausstellen, sind Handelsrechnungen, Eigenerklärungen von Firmen zu CE-Kennzeichnungen, Qualitätsstandards, Firmenprofile aber auch Halal- oder Koscherbestätigungen und so weiter. Es kann auch mal sein, dass für eine internationale Ausschreibung bestätigt werden muss, dass ein Geschäftsführer ein ehrbarer Kaufmann ist. Im wahrsten Sinne des Wortes sind es wirklich alle Bescheinigungen, die für Geschäfte im Ausland benötigt werden. Wir prüfen die Unterlagen und stellen die Bescheinigungen aus. Unser Zeugnis hat auf der ganzen Welt Gültigkeit und ist oft Grundlage für die Geschäftsanbahnung, aber auch für Auszahlungen durch Banken bei Akkreditiven nach der Auslieferung der Ware. Ein anderer Bereich sind die Carnets. Sie sind eine Art Reisepass für Waren zur vorübergehenden Verwendung. Im einfachsten Fall ist dies Berufsausrüstung wie Werkzeug oder auch ein Messestand, die für einen Einsatz ins Ausland ein- und anschließend wieder ausgeführt werden. Es kann aber auch ein Springpferd sein, das an den Olympischen Spielen teilnimmt, oder ein Kunstwerk, das auf einer Ausstellung präsentiert wird. Dabei kommen schnell Werte von mehreren hunderttausend Euro zusammen. Carnets dienen den ausländischen Zollbehörden als Sicherheit für die Eingangsabgaben und vereinfachen die Zollformalitäten. Und das sind nicht gerade wenige.
Wie viele Ursprungszeugnisse und Bescheinigungen stellen Sie denn im Jahresschnitt aus?
Es ist ein Massengeschäft, im Jahr 2019 waren es genau 19.188 Bescheinigungen – so viele wie noch nie. Auch 2020 war die Zahl trotz der Pandemie mit circa 17.600 Bescheinigungen vergleichsweise hoch, vergleichbar mit 2018er-Zahlen. In Spitzenzeiten kommen schon mal über 100 Ursprungszeugnisse und Bescheinigungen pro Tag zusammen. Um dies zu stemmen, ist das ganze Team des Geschäftsbereichs International dann entsprechend dafür im Einsatz.

Worin sehen Sie den Vorteil, dass die IHK diese Aufgabe vom Staat übertragen bekommen hat?
Wir sind sehr nah an den Firmen dran. Wir wissen, was und wie sie produzieren. Das ist besonders für die Ursprungszeugnisse wichtig, denn wir können natürlich nur das bestätigen, was wir auch wissen beziehungsweise nachprüfen können. Deshalb gehen wir immer wieder vor Ort in die Unternehmen und überprüfen die getätigten Angaben. Wir sehen uns jedoch mehr als Servicestelle beziehungsweise Dienstleister für unsere Unternehmen denn als Kontrollbehörde. Wir unterstützen Unternehmen dabei, auf internationalen Märkten Fuß zu fassen und helfen ihnen bei der reibungslosen Abwicklung ihres Außenwirtschaftsverkehrs. Wir versuchen stets, flexibel für sie da zu sein und eine wirtschaftsfreundliche Lösung zu erzielen, wenn irgendwie möglich. Das bedeutet für uns, dass wir beispielsweise auch mal am Abend nach den offiziellen Erreichbarkeitszeiten eine Bescheinigung ausstellen, wenn sie dringend benötigt wird. Es kommt schon vor, dass Firmen um 17 Uhr anrufen und sagen, der Lkw stehe schon im Hof und sie benötigen dringend ein Ursprungszeugnis. Da versuchen wir natürlich zu helfen, denn in manchen Ländern verweigert sogar der Zoll den Import ohne die entsprechenden Papiere. Da bleibt der Lkw an der Grenze sonst mitunter tagelang stehen.
Wie kann denn zum Beispiel ein Ursprungszeugnis beantragt werden?
Seit 2019 geht das elektronisch, das hat es gerade in Zeiten der Pandemie sehr viel einfacher gemacht. Ursprungszeugnisse werden nur noch in Sonderfällen und mit Termin vor Ort in Papierform ausgestellt. Über 90 Prozent der Vorgänge laufen inzwischen online über die passwortgeschützte Antragstellung ab. Die Firmen nehmen diesen Service gerne an, gerade auch wenn die Mitarbeiter selbst im Homeoffice sind und nicht in die Firma kommen. Wir prüfen die Anträge und bewilligen sie dann online. Danach können die Dokumente mit IHK-Dienstsiegel und Unterschrift selbst ausgedruckt werden. Wunsch ist, dass die Beantragung von Carnets auch elektronisch abläuft, da sind wir gerade dran. Das muss aber weltweit abgestimmt werden, Länder wie die Schweiz, aber auch China und Russland sind aber ebenfalls sehr daran interessiert.
Interview: doe
Bild (oben): Eine IHK-Mitarbeiterin stellt ein Ursprungszeugnis aus. Das Team International der IHK stempelte 2020 circa 17.600 Außenwirtschaftsbescheinigungen.