Wenn der Autohersteller eine neue Serie startet oder der Lebensmittelkonzern auf andere Verpackungen umstellt, sprich: Wenn neue Produkte entwickelt werden, braucht es Spezialisten, die dies realisieren. Produktionstechnologen arbeiten in den Pilotbereichen der Industrie. Sie optimieren und koordinieren die Vorgaben von Produktentwicklern und Konstrukteuren, von Prozessentwicklern, Zulieferern sowie Kunden und halten das Produktionsteam zusammen. Es handelt sich um einen Querschnittsberuf, der von vielen Industriebranchen ausgebildet werden kann.

Frau Häring, Sie sind Geschäftsführerin von einem der größten und innovativsten Ausbildungsbetriebe in unserer Region. Ihr Unternehmen bildet seit vielen Jahren in verschiedenen technischen und kaufmännischen Berufen aus. In diesem Jahr kommt bei Ihnen ein neuer Beruf hinzu: der Produktionstechnologe. Warum haben Sie sich dazu entschlossen, Ihr Ausbildungsangebot um diesen Beruf zu ergänzen?
Es entspricht seit der Unternehmensgründung unserer Philosophie, auf die Stärke unserer eigenen Mannschaft zu setzen, indem wir mit der Aus- und Weiterbildung im eigenen Haus die Fach- und Führungskräfte für unser Wachstum gewinnen. Aktuell bieten wir jungen Nachwuchskräften 23 verschiedene Ausbildungsberufe und Studiengänge an. Um auf neue technologische und wirtschaftliche Herausforderungen eingehen zu können, müssen wir Veränderung schaffen. Deshalb bieten wir mit dem Industriestudium seit rund einem Jahr eine neue Art des technischen Studierens an, das durch einen immens großen Praxisanteil auf die Wünsche der Bewerberinnen und Bewerber und unsere betrieblichen Anforderungen eingeht. Die Ausbildung zur Produktionstechnologin und zum Produktionstechnologen ergänzt das Studienangebot nun auf Ausbildungsseite ideal: Einerseits treffen die Inhalte auf die Interessen der Nachwuchskräfte und stellen einen absolut interessanten Beruf dar. Andererseits passen diese Nachwuchskräfte perfekt zu den Bedürfnissen prozessorientierter Unternehmen. Eine Win-win-Situation für alle.
Den Beruf des Produktionstechnologen gibt es bereits seit 2009. In unserer Region und innerhalb Baden-Württembergs wird er bisher selten ausgebildet. Was könnten Ihrer Meinung nach die Gründe dafür sein, und warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, Produktionstechnologen auszubilden?
Seit 2009 hat sich vieles verändert – und wir alle wissen: Gerade im technischen Bereich vergeht die Zeit doppelt so schnell. Digitalisierung, Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit sind bei uns gelebter Firmenalltag. Was man dabei oft nicht direkt vor Augen hat, ist, dass bei all diesen Themen die Verbesserung von Prozessen eine große Rolle spielt. Doch um etwas Bestehendes verbessern zu können, muss man die Prozesse erst einmal verstehen und analysieren können. Und genau hier kommen die Produktionstechnologen ins Spiel. Jetzt ist daher genau der richtige Zeitpunkt für diesen Ausbildungsberuf. Was man darüber hinaus natürlich auch nicht außer Acht lassen sollte, ist die Abschaffung der Schulempfehlung. Seitdem hat die Zahl der Studierenden zwar immens zugenommen, jedoch auch die Zahl der Studienabbrecher in technischen Fächern. Eine anspruchsvolle technische Ausbildung in einem Beruf mit erheblichem Zukunftspotenzial und -bedarf ist für diese Zielgruppe ideal. Und das ist nur ein Beispiel. Die Möglichkeiten gehen weit darüber hinaus bis hin zu einer höheren Frauenquote in sogenannten MINT-Berufen. Denn ich bin mir sicher, dass sich mehr junge Frauen von Inhalten wie Analysetätigkeiten, dem Qualitätsmanagement und der technologischen Begleitung von Prozessen angesprochen fühlen.
Miriam Häring
Die studierte Sozialwirtin ist seit 2012 Geschäftsführerin der Anton Häring KG. Mit Stammsitz in Bubsheim und internationalen Standorten in Polen, China, USA und Tunesien gehört das Unternehmen zu den weltweit führenden Herstellern von Präzisionsteilen und Baugruppen in Groß- und Mittelserie für unterschiedliche Branchen. Der Familienkonzern hat aktuell rund 3.800 Beschäftigte, darunter circa 360 Auszubildende und Studierende. Miriam Häring hat sich im Unternehmen auf die Themen Informationstechnologie, Personalmanagement, Marketing, Public Relations sowie Kulturentwicklung fokussiert. Zuvor war sie in der öffentlichen Verwaltung und als Geschäftsführerin eines regionalen Wirtschaftsverbandes tätig. Neben ihrer Geschäftsführertätigkeit engagiert sich Miriam Häring sehr stark in der Region, unter anderem für Ausbildung und Fachkräftesicherung, ärztliche Versorgung, Infrastruktur und Vernetzung sowie die Attraktivität des Standorts Heuberg.
Welche Voraussetzungen müssen zukünftige Bewerber mitbringen?
Wie man sicherlich bereits heraushören konnte, ist natürlich ein Interesse an den MINT-Fächern, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, eine Grundvoraussetzung, um sich in diesem Beruf wohlzufühlen. Nur mit einem ehrlichen Interesse an den technischen Abläufen und einem Blick fürs Detail bereitet der Beruf Freude – und dann kommt der Erfolg von allein. Auf der schulischen Seite ist in unserem Unternehmen ansonsten das Abitur oder ein sehr guter Realschulabschluss Voraussetzung.
Produktionstechnologen sind Fachleute für Qualität, Zeit, Kosten. Wo sehen Sie diese Einsatzgebiete in Ihrem Unternehmen?
Wir investieren sehr viel in die Weiterentwicklung von Technologien und arbeiten mit einem Hightechmaschinenpark am Puls der Zeit. Daher gibt es für Produktionstechnologen bei uns viele mögliche Arbeitsbereiche: von der Prozessüberwachung und -optimierung, dem Qualitätsmanagement, der vernetzten Fertigungsplanung und -steuerung und der werksübergreifenden Logistik bis hin zu neuen Applikationsentwicklungen, Themen rund um Industrie 4.0 sowie künstliche Intelligenz und natürlich die Sparte Umweltmanagement.
Welche Aufstiegsmöglichkeiten hat ein Produktionstechnologe in Ihrem Unternehmen, und wie sehen Sie die Zukunft dieses Berufes generell?
Kurz gesagt: Nach oben sind engagierten Fachleuten keine Grenzen gesetzt. Für mich steht außer Frage, dass der Beruf eine wichtige Stütze für viele Unternehmen im produzierenden und produktionsunterstützenden Gewerbe einnehmen sollte und wird. Aufgrund dieser enormen Zukunftsrelevanz für den technologischen Fortschritt des Unternehmens sehe ich die Produktionstechnologen in einer Expertenlaufbahn – bis hin zu Seniorexperten. Eine solche Expertenlaufbahn kann sich selbstverständlich auch zu einer Führungslaufbahn entwickeln. Da haben wir bei Häring kein starres System, sondern gehen vielmehr individuell auf die Talente im Haus ein, wenn uns das entsprechende Engagement und Interesse gezeigt wird.
Warum ist der Beruf auch für andere Unternehmen eine attraktive Ergänzung?
Wenn man einmal hinter die Kulissen eines Unternehmens blickt, wird schnell klar, dass jeder Betrieb daran interessiert sein sollte, seine Prozesse zu optimieren. Qualität, Zeit und Kosten – je besser jede einzelne Komponente ist, desto besser wirtschaftet ein Unternehmen. Ob die verarbeiteten Materialien dabei Metall, Kunststoff oder etwas anderes sind, ist unerheblich, ebenso die Branche des Unternehmens. Auch Dienstleister und Maschinenbauer haben Prozesse. Und wo Prozesse sind, kann optimiert werden. Ganz persönlich muss ich zudem sagen, dass es mich freuen würde, wenn dem Ausbildungsberuf in unserer wirtschaftsstarken Region eine Chance gegeben wird. Für junge Nachwuchskräfte ist es ein attraktives Angebot, und ich sehe es als unserer Pflicht, junge Leute für eine Berufsausbildung zu begeistern. Genau diese Chance haben wir mit dem Beruf des Produktionstechnologen.
Interview: Alexander Fritz