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Wirtschaft im Südwesten

1 | 2017

44

Themen & Trends

V

iele Absolventen eines beruflichen

Gymnasiums besetzen heute verant-

wortungsvolle Positionen in Wirtschaft

und Gesellschaft und einige davon waren nach

Fellbach eingeladen worden. Zum Beispiel

Muhterem Aras. Die Grünen-Politikerin stammt

aus einer anatolischen Bauernfamilie, kam im

Alter von zwölf Jahren nach Stuttgart und be-

suchte zunächst die Haupt-, dann die Real-

schule. Nach der Mittleren Reife wechselte sie

aufs Wirtschaftsgymnasium, machte dort ihr

Abitur und studierte Wirtschaftswissenschaf-

ten in Hohenheim. Sie wurde Steuerberaterin,

engagierte sich in der Kommunalpolitik, zog

2011 per Direktmandat in den Landtag ein und

ist seit Mai 2016 dessen Präsidentin. „Beruf-

liche Gymnasien tragen ganz wesentlich zur

Bildungsgerechtigkeit bei und erfüllen damit

unsere Landesverfassung“, sagt Aras mit Blick

auf ihren eigenen Werdegang.

Indem sie Jugendlichen die Chance bieten,

nach dem mittleren Bildungsabschluss die

allgemeine Hochschulreife zu erreichen,

schaffen die beruflichen Gymnasien Bil-

dungswege für Schüler, die zuvor eine Re-

alschule, Werkrealschule, zweijährige Be-

rufsfachschule, Gemeinschaftsschule oder

ein allgemeinbildendes Gymnasium besucht

haben. „Das berufliche Gymnasium ist das

Paradebeispiel für die Durchlässigkeit in

unserem Bildungswesen“, betont deshalb

Kultusministerin Susanne Eisenmann. Dar-

über hinaus ermögliche es einen Weg zum

Abitur in neun Schuljahren und komme so

dem Wunsch vieler Eltern nach einer länge-

ren Lernzeit für ihre Kinder entgegen.

Die Vorzüge der beruflichen Gymnasien

finden auch bildungswissenschaftliche Be-

stätigung. „Sie unterstützen die Interessen-

differenzierung, erhöhen die Durchlässigkeit

zum Abitur für Schüler aus weniger privile-

gierten sozialen Schichten und setzen dabei

hohe Leistungsstandards um. Das bestätigen

unsere Studien“, sagt Ulrich Trautwein. Der

Professor für Erziehungswissenschaften am

Hector-Institut für Empirische Bildungsfor-

schung der Universität Tübingen sieht die

beruflichen Gymnasien daher als „innovati-

ves Erfolgsmodell“. Es werde aber wichtig,

die vom beruflichen Gymnasium angebotene

Form der ‚beruflichen Allgemeinbildung‘ in

innovativer Weise weiterzuentwickeln. Der

Anfang dafür ist gemacht: Von diesem Schul-

jahr an wird der Bildungsplan fürs berufliche

Gymnasium grundlegend überarbeitet, um

wirtschaftliche und technologische Verän-

derungen abzubilden.

ine

Seit 50 Jahren gibt es berufliche

Gymnasien in Baden-Württem-

berg. Heute verteilen sich 225

Schulen mit zusammen rund

60.000 Schülern übers ganze

Land, und jeder dritte Abiturient

kommt inzwischen von einem

beruflichen Gymnasium. Das

Jubiläum dieses bundesweit ein-

maligen Erfolgsmodells wurde

jüngst mit einem Fachkongress

in Fellbach gefeiert.

Land feiert 50-jähriges Bestehen der beruflichen Gymnasien, die inzwischen jedes dritte Abitur abnehmen

Paradebeispiel der Durchlässigkeit

Bild: Christian Schwier - Fotolia