10 | 2016
Wirtschaft im Südwesten
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Ganter Interior stellt sich breiter auf
Über den Ladenbau hinaus
WALDKIRCH.
Ganter Interior will mehr als
Ladenbauer sein. „Es wäre fatal zu glauben,
dass wir mit dem Einzelhandel weiter wach-
sen können“, sagte Firmengründer und -inha-
ber Michael Ganter im September bei einer
Pressekonferenz in Waldkirch. Das zeigen
auch die aktuellen Zahlen: Im Geschäftsjahr
2015/16 (bis 30. Juni) ist der Umsatz auf 107
Millionen Euro zurückgegangen. Das habe
einerseits mit Großprojekten wie einem Hotel
in Wien zu tun, das erst dieses Geschäfts-
jahr fertig wird. Zudem spüre man die Kri-
sen in der Welt und ein deutlich langsameres
Wachstum der Luxusmarken. Ganter Interior
startete 1995 und wuchs rasch mit seinen
individuellen Ideen für Einzelhändler. Bald
gesellten sich Markenstores zu den Kunden,
und Ganter dehnte sein Geschäft weltweit
aus. Zur Unternehmensgruppe zählen Toch-
tergesellschaften und Niederlassungen in
Frankreich, der Schweiz, Italien, Großbri-
tannien, China und den USA.
„Wenn Zalando und Amazon dem stationären
Handel immer mehr das Wasser abgraben,
wo bleiben wir dann?“, fragt sich Michael
Ganter. Die Antwort auf diese Frage sind
für ihn neue Geschäftsfelder. Er will sein
Unternehmen zum Bau- und Immobilien-
dienstleister umbauen, sagte er den Jour-
nalisten. „Wir nehmen keinen Abschied vom
stationären Einzelhandel, aber wir glauben,
dass es da kein großes Potenzial mehr gibt.“
Gewerbliche Kunden anderer Branchen, pri-
vate Bauherren und Immobiliengeschäfte
sollen dem Unternehmen künftig Wachstum
sichern. Die dafür nötigen Kontakte vor allem
zu Architekten weltweit haben die Waldkir-
cher schließlich.
Der Umstruktierungsprozess ist voll im Gange.
Bereits seit einigen Jahren baut Ganter nicht
nur Läden, sondern auch andere Geschäfts-
räume aus und um wie Hotels, Restaurants,
Banken oder Büros. In jüngster Zeit hatte man
zudem private Kunden ins Portfolio genom-
men und beispielsweise exquisite Penthäu-
ser oder Villen ausgestattet. Nun kommt als
weiterer Geschäftszweig das Immobilienge-
schäft hinzu. Dafür wurde Anfang des Jahres
die neue Tochterfirma Property Development
gegründet. Ganter baut also nicht mehr nur im
Auftrag anderer, sondern betätigt sich auch
selbst als Bauherr. So will man die Wertschöp-
fungskette ausdehnen – vom Kauf und der
Entwicklung eines Objekts über den eigent-
lichen Bau bis zum Verkauf oder Betrieb der
Immobilie. Auch die Betreuung der Gebäude,
neudeutsch: Facility Management, zählt nun
zum Dienstleistungsangebot.
Mehrere Projekte in den neuen Geschäfts-
feldern hat Ganter bereits gestartet. So
beteiligen sich die Waldkircher beispiels-
weise an der Umgestaltung des Schweizer
Wintersportorts Andermatt zur Nobeldesti-
nation. Sie bauen dort ein Appartementhaus
und verkaufen anschließend die Luxuswoh-
nungen. Auch in Tauberbischofsheim betä-
tigt sich Ganter als Investor. Eine Lagerhalle
und sechs Gebäude der ehemaligen Bundes-
wehrkaserne hat das Unternehmen gekauft.
In einem ist die eigene Sparte „Commercial“
untergebracht, andere werden saniert oder
abgerissen und neugebaut, um sie als Büros
zu vermieten. Knapp 40 Mitarbeiter beschäf-
tigt Ganter bereits in Tauberbischofsheim,
250 sind es in Waldkirch und weitere 120 in
den internationalen Tochtergesellschaften.
Das personelle Wachstum soll vor allem in
Tauberbischofsheim stattfinden, weil der
Stammsitz an seine Grenze gekommen ist.
Im Umsatz haben sich die neuen Geschäfts-
felder noch nicht niedergeschlagen – bislang
erwirtschaftet Ganter Interior 85 Prozent im
klassischen Ladenbau. In zehn Jahren, so der
Plan, sollen alle Segmente ähnlich gewichtet
sein. „Sie sind längerfristiger angelegt“, sagt
Michael Ganter. „Das sind Investitionen in die
Zukunft.“
kat
Noch erzielt Ganter
Interior den größten Teil
seines Umsatzes mit
klassischem Ladenbau
wie dem Uhrengeschäft
Drubba in Titisee
(unten), hat aber auch
begonnen, selbst Im-
mobilien zu vertreiben
wie diese exquisite
Ferienwohnung in
Andermatt (links).