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9 | 2016

Wirtschaft im Südwesten

9

Heimat liegt im Trend. Warum?

Weil sich die Dinge auf der Welt verändern.

Die aktuellen Ereignisse geben einem das

Gefühl von Unsicherheit und lassen uns nach

Sicherheit und Geborgenheit suchen. Zudem

wecken die Digitalisierung, die technischen

Entwicklungen überhaupt und eine struktu-

relle Labilität das Bedürfnis nach Entschleu-

nigung. Heimat ist Entschleunigung, Stabilität

und Vertrauen.

Wie lässt sich diese Sehnsucht nach Hei-

mat ins eigene Marketing integrieren?

Eine gute Marke suggeriert auch Sicherheit

und Verlässlichkeit, weil der Kunde da weiß,

was er bekommt. Die Marke kann also auch

Heimat sein. Entscheidend sind die Werte,

denn langfristig kann man nur über Werte

verkaufen, nicht über das eigentliche Produkt.

Für welche Branchen kann es sinnvoll

sein, mit der Heimat, also mit dem

Schwarzwald zu werben? Was bringt das

beispielsweise einem kleinen metallver-

arbeitenden Betrieb mit ausschließlich

gewerblichen Kunden?

Natürlich ist es für B2C-Firmen, also solche

mit Endkundengeschäft naherliegender, mit

der Marke Schwarzwald zu werben. Aber

auch für andere kann das sinnvoll sein – vor

allem, wenn die Werte der Firmenphilosophie

den Werten des Schwarzwalds entsprechen,

wie es bei traditionellen, inhabergeführten

Familienunternehmen häufig der Fall ist.

Bleiben wir bei der kleinen Stanzerei:

Wie geht sie vor, wenn sie den Standort

Schwarzwald für ihr Image nutzen will?

Sie muss die Werte, die der Schwarzwald

transportiert, in ihre Produkte, ihre Mar-

keting- und Kommunikationsstrategie inte-

grieren und das auf eine authentische Art

und Weise. Sie sollte also zum Beispiel die

Feinwerktradition des Schwarzwalds oder

das Tüfteln nach dem Optimum betonen. Das

funktioniert natürlich nur bei entsprechender

Qualität. Ramschprodukte sollte man nicht

mit Schwarzwälder Traditionen bewerben.

Welche Zielgruppe erreicht ein Unterneh-

men mit der Marke Schwarzwald?

Eher die Wohlsituierten, also jene, die die

selben Vorstellungen haben und Wert auf

Qualität legen. Die Werte, mit denen das

Unternehmen wirbt, sollten natürlich mit den

Werten seiner Zielgruppe übereinstimmen.

Mit welchen Schwarzwaldbildern sollte man

arbeiten - klassischen oder modernen?

Das kann ein Mix sein, aber auch hier gilt:

Es muss zu den Werten der eigenen Marke

passen. Wenn sich das Unternehmen innova-

tiv und modern präsentiert, bieten sich auch

eher moderne Schwarzwaldbilder an.

Kann es sein, dass zu viele Firmen in der

Region sich gegenseitig mit dem Schwarz-

wald umwerben?

Ich glaube nicht. Es sind ja gar nicht so viele,

auf die diese Werte richtig passen, die da voll

dahinter stehen können. Je authentischer die

Produktkette ist und je nachvollziehbarer, des-

to besser. Denn es wird schwieriger, sich als

Schwarzwälder Firma zu positionieren, wenn

beispielsweise die verarbeiteten Materiali-

en nicht aus der Region stammen, oder der

Eigentümer nicht von hier ist. Bei Bionade*

beispielsweise, die als regionales Produkt sehr

erfolgreich war, hat der Verkauf an Radeberger

für herbe Einbrüche gesorgt.

Interview: kat

CAROLIN DODERER

Carolin Doderer wurde 1982 in Freiburg

geboren und ist in Königsfeld im

Schwarzwald aufgewachsen. Sie mach-

te ihr Abitur an den dortigen Zinzendorf-

schulen und ging im Anschluss nach

Königstein im Taunus, wo sie im Hotel

Kempinski Hotelfachfrau lernte und als

Bankett-Assistentin arbeitete. Nach ei-

nem einjährigen Aufenthalt in Neusee-

land kehrte Carolin Doderer 2006 in die

Heimat zurück und stieg in die Werbe-

agentur Gruppe Drei ein, die ihr Vater

Alexander Doderer 1990 in Villingen

gegründet hat. In einem Abendstudium

bildete sie sich zur Marketingfachwirtin

weiter und rückte 2012 in die Geschäfts-

führung der Agentur auf. Ihre Stärken

sind Tourismus- und Standortstrategien

sowie Marketing- und Kommunikations-

fragen. Seit 2013 gehört Carolin Doderer

der Vollversammlung sowie dem Berufs-

bildungs- und Tourismusausschuss der

IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg an.

»

Schwarzwald muss

zu den eigenen

Werten passen

«

Für das Gastgewerbe, für

Brauereien oder beispielsweise

Schinkenhersteller liegt es nah,

mit dem Standort Schwarzwald

zu werben. Aber inwiefern kann

das auch für Betriebe anderer

Branchen sinnvoll sein?

Das haben wir die Marketing-

und Standortexpertin Carolin

Doderer von der Agentur

Gruppe Drei in Villingen gefragt.

*Anm. d. Red.: Ursprünglicher Eigentümer und Erfinder der Bio­

nade war die Peter Brauerei aus dem fränkischen Ostheim/Rhön.