Die neue Regierung steht, doch der Pessimismus bei den Unternehmen am südlichen Oberrhein hält noch an. Fehlende Nachfrage wird gerade zum größten Risikofaktor.

Für das Jahr 2025 stehen die Zeichen nicht auf Wachstum. Das zeigen nicht nur die Gutachten von Wirtschaftsforschern, auch die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Südlicher Oberrhein weist bestenfalls auf Stagnation hin. Hohe Energiepreise, bürokratische Lasten und demografischer Wandel lassen die Unternehmen an langfristigen Investitionen zweifeln. Noch fehlt den Entscheidern in den Betrieben die Überzeugung, dass mit der neuen Bundesregierung eine Trendwende eingeläutet wird.
„Seit zwei Jahren sehen wir uns jetzt einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung gegenüber. Dieses Szenario droht auch 2025. Deutliches Wachstum ist überhaupt nicht in Sicht, maximal Stagnation“, bewertet Alwin Wagner, der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, die Ergebnisse aus der aktuellen „Konjunkturumfrage zum Frühsommer“. „Wir beschäftigen uns immer noch mit hohen Energiepreisen, mit viel zu viel Bürokratie und mit zu hohen Steuerlasten.“
Unsicherheiten bei ausländischen Standorten
Der Index der aktuellen Geschäftslage zeigt kaum eine Veränderung. Lag dieser im vergangenen Herbst und zu Jahresbeginn noch bei sieben Punkten, sind es jetzt acht. 27 Prozent der Unternehmen haben eine gute Geschäftslage, 19 Prozent sind mit ihr unzufrieden. Wesentlich schlechter wurde die konjunkturelle Lage in den vergangenen zehn Jahren nur zu Beginn der Covid-19-Pandemie bewertet. „Die Unternehmen haben es mit ziemlich vielen Variablen zu tun, die sehr herausfordernd sind und auf die sie sich mit immer schnellerer Geschwindigkeit einstellen müssen. Seien es die internationalen Konflikte oder die globale Handelspolitik, die unseren Mitgliedsbetrieben große Sorgen bereiten. Das merken wir auch bei unseren Beratungen im internationalen Bereich. Hier ist die Nachfrage deutlich angestiegen, weil bei den Unternehmen sehr viele Unsicherheiten bezüglich ausländischer Standorte, internationaler Warenströme und Zollfragen bestehen.“

Auch die Erwartungen an die kommenden Monate bleiben verhalten. Jedes vierte Unternehmen glaubt, dass es wirtschaftlich weiter bergab geht, während nur 14 Prozent mit besseren Geschäften rechnen. Von Aufbruchsstimmung kann am südlichen Oberrhein daher keine Rede sein. Wagner: „Die Auftragseingänge fehlen, es gibt noch kein Licht am Ende des Tunnels.“
Noch knapp in der Rezession
Die Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen werden zum IHK-Konjunkturklimaindex kombiniert. Dieser kann Werte zwischen null und 200 annehmen, wobei Werte über 100 Wirtschaftswachstum anzeigen und Werte unter 100 auf eine Rezession hindeuten. Der Index steigt zwar zum zweiten Mal in Folge um zwei Punkte, befindet sich mit 98 Punkten aber noch immer knapp im rezessiven Bereich.
Dass das Grundvertrauen in den Standort Deutschland noch nicht wieder zurück ist, zeigt vor allem der Blick auf das Investitionsklima. Zwar steigt der Index der Inlandsinvestitionen im Vergleich zum Jahresbeginn immerhin wieder um vier Zähler auf minus drei Punkte. Langfristig gesehen jedoch verliert der Index an Niveau. So lagen die Werte vor der Covid-19-Pandemie noch stabil um den Wert 20, während sich das Niveau heute eher rund um den Wert 0 einpendelt. Unternehmen, die mehr Investitionen im Inland planen, und solche, die sie zurückfahren wollen, halten sich aktuell fast wieder die Waage. Interessant ist dabei auch der Blick auf die Investitionsmotive. 67 Prozent geben an, dass sie aus Gründen des Ersatzbedarfs investieren, während nur 19 Prozent Kapazitätserweiterung als Motiv angeben. Dieser Wert liegt deutlich unter dem zehnjährigen Mittelwert von 27 Prozent. Die Zeichen stehen derzeit also nicht auf Expansion.

„Made in Germany“ hat an Wert verloren
Worin sehen die Unternehmen die größten Risikofaktoren in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung? Die fehlende Inlandsnachfrage stellt für die Betriebe derzeit das größte Problem dar (62 Prozent). „Das Nachfrageproblem ist klar sichtbar“, sagt Wagner. Das gelte auch in Exportmärkten. „Die heimische Wirtschaft ist in vielen Bereichen nicht mehr wettbewerbsfähig. Das Label ‚Made in Germany‘ ist nicht mehr automatisch gesetzt, andere Länder haben deutlich aufgeholt und bieten ebenfalls gute Qualität.“ Während zahlreiche Volkswirtschaften in Europa und der Welt die Auswirkungen der Covid-Krise längst weggesteckt hätten und starkes Wachstum zeigten, verharre Deutschland seit vielen Jahren in einer Strukturkrise.
Das Thema Arbeitskosten ist für 55 Prozent der Unternehmen ein gewichtiger Risikofaktor. Bereits seit sieben Umfragen in Folge gibt mehr als die Hälfte der Unternehmen an, dass Arbeitskosten ihnen Sorgen bereiten. Nach Daten des Statistischen Bundesamts kostet eine Arbeitsstunde inzwischen durchschnittlich 43,40 Euro, das sind zehn Euro mehr als im europäischen Durchschnitt. Dazu dürften die vergleichsweise hohen Lohnabschlüsse der vergangenen Jahre beigetragen haben, aber nicht zuletzt auch die permanent steigenden Lohnnebenkosten (aktuell: 23 Prozent für Arbeitgeber). Schreibt man die demografische Entwicklung fort, ist zu erwarten, dass sich die Sozialabgaben auch in Zukunft Jahr für Jahr erhöhen dürften. „Die Politik ist gefordert, die Sozialsysteme zu stabilisieren, es muss für die Unternehmen finanzierbar bleiben“, sagt Wagner.
Fehlendes Vertrauen in die Politik
Allerdings trauen viele Betriebe den politischen Entscheidungsträgern auch nach der Bundestagswahl nicht zu, die Strukturprobleme im Land in den Griff zu bekommen. 43 Prozent sehen in der aktuellen Wirtschaftspolitik weiterhin ein Risiko für ihre Unternehmensentwicklung. Dies ist von besonderem Interesse, weil die Bildung der Bundesregierung und die Präsentation des Koalitionsvertrags in den Umfragezeitraum fiel. Es ist offensichtlich, dass die bisher geplanten Anstrengungen, Deutschland wieder auf Wachstumskurs zu bringen, von der Unternehmerschaft als noch nicht ausreichend bewertet werden. „In meinen persönlichen Gesprächen spüre ich schon die Hoffnung bei den Unternehmen, dass die Probleme jetzt angegangen werden“, sagt Wagner. „Aber die neue Regierung bleibt erst einmal schuldig, die im Koalitionsvertrag herausgearbeiteten Themen auch umzusetzen. Erst ab 2028 soll eine Unternehmenssteuerreform angegangen werden. Das ist viel zu spät, denn zu diesem Zeitpunkt sollten wir längst aus der Krise raus sein. Wirtschaftspolitik braucht jetzt einfach Vorfahrt.“ tas/up