Dass man aus Farben Feuerstein auch einen Molotow-Cocktail für Kreative machen kann, beweist Jürgen Feuerstein seit mehr als 25 Jahren. Jetzt aber geht es um die nächste Revolution.

Es sind oft die kleinen Dinge, die unsere Welt nachhaltig verändern. Ein Stift zum Beispiel. Ein wechselbarer Sprühkopf, für den ihn die Graffiti-Szene bis heute feiert. Farben ohne Gift oder eine Galerie für Graffiti. Hinter all dem steckt ein Mensch aus Lahr, der nicht so recht in gängige Schubladen passt: Jürgen Feuerstein. Echter Pionier. Erfolgreicher Unternehmer. Überzeugter Idealist. Besessener Tüftler, Freund der Kunst und einer, dessen Kopf vor Ideen nur so sprüht. Seit mehr als
25 Jahren macht er mit seiner Marke Molotow die Welt nicht nur bunter, sondern auch nachhaltiger und intelligenter. Im Lahrer Osten hat er alte Panzergaragen der Kanadier gekauft. Seine Version von Schwertern und Pflugscharen halt. Wo früher Soldaten marschierten, hat heute die Kunst das Kommando. Könnte man sich stundenlang drüber unterhalten, schon klar. Und doch: Heute soll es mal nicht um Banksy und Strumbel gehen oder um die Galerie K31, mit der Feuerstein seinen Beitrag dazu leistete, Urban Art und Graffiti weltweit salonfähig zu machen.
Feuersteins Kokain ist der Erfolg. Die Freude daran, etwas zu verändern. Also treibt er an, schiebt an und polarisiert. Innovationswut nennt er das selbst und greift nach einer Packung Stifte. Im ersten Moment denkt man: Naja, noch ein Stift. Kaum etwas Besonderes, wenn man schon 2600 Artikel im Sortiment hat, oder? „Von wegen“, lacht Feuerstein. Dieser Fine-Art-Filzstift für Architekten, Modeschöpfer und Designer ist technologisch eine andere Liga als die bisher üblichen Einwegstifte mit getränkten Tampons – setzt sich am Markt aber nicht recht durch. „Leider werden 99 Prozent aller Malgeräte weggeschmissen, wenn sie leer sind“, sagt Feuerstein dazu. „Und in diesem Segment scheint das auch so zu bleiben.“
Also aufgeben? Mitschwimmen im großen Strom derer, die in China billig produzieren lassen und dann via Temu ihr Zeug verchecken? Nicht mit Feuerstein. Dafür ist er viel zu stur. Also liefert er seine erfolgreichen One4All-Acrylmarker künftig generell mit Nachfüllhilfe aus – was es für die Kunden billiger macht und weil die Hände sauber bleiben, wenn man den Stift so tankt.
„Wir haben uns gefragt: Wie wird ein technisches Massenwerkzeug zu einem nachhaltigen Produkt?“, sagt Feuerstein. „Unser Ziel ist es, einen nachfüllbaren Pumpmarker mit wechselbaren Spitzen zu entwickeln, den man 50-mal nachfüllen kann.“ Das vermeidet Plastikmüll, schont den Geldbeutel und hat zu einem Umdenken geführt. Feuerstein: „Damit haben wir die Urban-Art-Szene wirklich für Nachhaltigkeit sensibilisiert.“ Allein 2023 sparte man 32 Tonnen Kunststoff ein – mit 2,5 Millionen Markern. Und wie ernst es Feuerstein mit seiner Nachhaltigkeitsmission ist, zeigte sich auf der größten internationalen B2B-Messe für Malbedarf. Kurz vor Messestart hat er sein Konzept noch mal komplett über den Haufen geworfen, umgedacht und ein radikales Statement gesetzt: mit einem komplett leeren Messestand als Symbol für Ressourcenbewusstsein und nachhaltiges Denken. Mission: Maximize Creativity. Minimize Footprint. Ulf Tietge