Offenburgs neues Gründerzentrum ist vom Start weg sehr erfolgreich – weil man nicht an der falschen Stelle spart, sondern jungen Unternehmern richtig gute Rahmenbedingungen geschaffen hat. Wie genau, das hat uns Florian Appel verraten.

Ein Lowtech-Gebäude für Hightech-Unternehmen: Offenburg zeigt mit dem Flow 1986, wie gut das zusammengeht. 14 Monate hat es gebraucht, um für 16 Millionen Euro gut 5000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche zu erbauen – und nur zwölf Wochen nach der Eröffnung ist das Existenzgründerzentrum bis auf sechs kleine Büros auch schon voll belegt. Gut 30 Firmen sind jetzt hier, mit zusammen 200 Arbeitsplätzen. „Wir könnten längst alles vermietet haben“, sagt Florian Appel. „Aber wir wollen mehr sein als nur ein Bürogebäude und ein Netzwerk aufbauen.“ Ein Ökosystem für junge Unternehmen, für Gründer, für Co-Worker, für neue Ideen. Den einen oder anderen Ankermieter im Gebäude haben, der verlässlich Miete zahlt: passt. Aber wenn morgen ein Einhorn in spe anklopft, der nächste Burda vielleicht – für den sollte man halt auch noch ein Räumchen haben. Denn als Geschäftsführer der Black Forest Innovation ist Florian Appel in Personalunion Herbergsvater und Netzwerker, Seelsorger und Sparrings-Partner, Pfennigfuchser und Projektentwickler. Da klingelt das Telefon: Beim Brunner gibt es günstig Möbel aus der Ausstellung? Dann nichts wie hin! Die passen doch sicher gut ins Foyer! Was für eine schöne Hand-on-Mentalität…

Komplett aus Holz – dem Klima zuliebe
Zurück zum Thema Lowtech und Hightech: Tatsächlich hat man beim Flow der Versuchung widerstanden, alle nur denkbare Gebäudetechnik zu verbauen. W-Lan und Netzwerktechnik sind auf dem neuesten Stand – aber wer lüften will, macht das Fenster auf. Von Hand und nicht elektrisch. Es gibt keine Klimaanlage, keine aufwendige Lüftungstechnik – stattdessen setzt man auf Verschattung durch Pflanzen, die aber erst noch wachsen müssen. Weniger Technik, weniger Energiebedarf, weniger Baukosten: Beim Flow ist weniger mehr. Das gilt auch fürs verwendete Material: Das fünfstöckige Gebäude ist komplett aus Holz errichtet worden und hat eine positive Klimabilanz. Mietpreis pro Quadratmeter: 15,50 Euro – inklusive Gemeinschaftsflächen zur Mitnutzung. Ab 80 Prozent Auslastung ist man so über den Break-even, aktuell liegt man bei fast 100 Prozent.
Bloß nicht den Anschluss verpassen
Wie gut der Flow im Flow ist, lässt sich abends gut beobachten. Wenn nach neun in vielen Büros noch Licht brennt, weil die Gründer einfach Drive haben. Picea zum Beispiel, das Biotech-Unternehmen mit 450 Quadratmeter Labor (mehr dazu auf Seite 60) oder die Techis von Querdenker Engineering, die Softwareentwicklung und Elektrotechnik in Embedded-Systems vereinen. „Offenburgs Gründergeist hat eine neue Heimat“, war dazu in der örtlichen Presse zu lesen und das dürfte vor allem bei OB Marco Steffens und seinem Wirtschaftsförderer Marco Butz gut ankommen. Beide haben im Vorfeld viel für das Flow geworben, Studien in Auftrag gegeben und ausgewertet. Ergebnis: Auch das wirtschaftsstarke Offenburg muss aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren. „Nachlassende Dynamik“ attestierte die IW Consult. Und im Prognos-Zukunftsatlas landete OG-City auf Rängen, wo man in der Fußball-Bundesliga Bochum oder Bielefeld erwarten würde…
Was im Sport die Sponsoren, sind beim Flow die Mitglieder der Stiftung Technologie und Wirtschaft (STUW), in deren Trägerschaft das Flow verankert ist. Die Stadt ist dabei, der Ortenaukreis, IHK und Handwerkskammer, die Hochschule, Volksbank und Sparkasse, die Steinbeis-Stiftung und die IG Metall. So etwas bringt Rückenwind, auch wenn die Stiftung nicht vergleichbar ist mit der Finanzkraft des Wirtschaftsbeirats von Nectanet. Und die Zeiten vorbei sind, in denen für Lothar Späth ein Horst Weitzmann oder ein Martin Herrenknecht kurz entschlossen zum Scheckbuch griffen, um die Startchancen junger Gründer zu verbessern. „Ich bin total froh, dass es die Stiftung gibt“, sagt auch Florian Appel, der viele Kollegen kennt, die Probleme damit haben, wenn sich die Auszahlung zugesagter öffentlicher Gelder verzögert. Und genau das ist mit der Stiftung als Träger und einer sauberen Finanzierung eben nicht der Fall.

150 000 Euro von der Stadt
Dass es gar nicht so einfach ist, die Sinnhaftigkeit von Wirtschaftsförderung zu erklären – diese Erfahrung hat Florian Appel aber auch schon gemacht. Zuletzt ging es im Gemeinderat darum, ob die Stadt die Arbeit von Black Forest Innovation und des Teams im Flow mit jährlich 150 000 Euro unterstützt. Viel Geld aus Sicht der Gemeinderäte – aber angesichts von jährlich >100 Millionen Euro Gewerbesteuer? „Naja, es gibt nicht so viele Unternehmer im Gemeinderat“, sagt Appel dazu. „Aber ich glaube, dass man in den nächsten Jahren schon merken wird, welche Chancen das Canvas-Areal für die Entwicklung der ganzen Stadt bietet.“
„Canvas-Areal“ meint in Offenburg den Bereich rund um den denkmalgeschützten alten Schlachthof. Gleich westlich vom Mühlbach und nur ein paar Schritte vom Bahnhof und der Innenstadt entfernt. Auch Sevdesk hat hier sein neues Hauptquartier gebaut, denn das Viertel hat einfach Charme. Beim alten Technologiepark, dem TPO, war das anders: weit draußen im Industriegebiet gelegen, eigentlich nur mit dem Auto zu erreichen, architektonisch nicht sehr inspirierend. Insofern war es eine glückliche Fügung, als Edeka das Areal kaufen wollte und so den Weg frei machte für den Bau des neuen Flows. „Es ist jetzt ein ganz anderer Vibe“, schwärmt Appel. „Früher haben wir Leute dafür bezahlt, im TPO einen Vortrag zu halten. Heute können wir Miete verlangen, wenn hier zu Vorträgen eingeladen wird, weil die Räumlichkeiten so attraktiv sind.“
Flow 1986
5000 Quadratmeter auf fünf Geschossen und Co-Working-Schreibtisch ab 279 Euro im Monat: Offenburgs neues Gründerzentrum soll für eine neue Dynamik sorgen. Dafür kooperiert man mit Baden-Campus und dem Freiburg Entrepreneurship Institute, ist eng mit der Hochschule, den Kammern und regionalen Banken vernetzt. Regelmäßig finden spannende Veranstaltungen statt – vom Sustainability Forum über die Black Forest Hackathons und How2Start bis zur FlowNight und es gibt ein prominent besetztes Mentoren-Netzwerk, das Gründern bei der Preisfindung ebenso hilft wie bei Psychologischem.
Seinen phonetisch sperrigen Namen verdankt Offenburgs neues Gründerzentrum übrigens seiner Vorgeschichte und dem 1986 eröffneten Technologiepark Offenburg, aus dem auch einige der aktuellen Flower mitgenommen wurden.
Das Flow hat eine ziemlich coole Dachterrasse mit Blick über die Stadt und auf den Schwarzwald, es gibt große und kleine Konferenzräume mit wirklich moderner Technik und sogar einen Spiel- und Aufenthaltsraum für Kinder. Kann ja sein, dass in der Kita mal wieder Not am Mann ist oder Mama und Papa als junge Unternehmer noch was fertig machen müssen.
Und die nächste Ausbaustufe im Flow? In Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe soll ein kleines Café mit gastronomischem Angebot dazukommen. Mittagstisch mit Pasta, Salat, Paninis. Zudem setzt Appel auf Kooperationen, auf Austausch. Mit anderen Starthilfegebern wie Baden Campus, mit Events wie dem Hackathon oder dem Black-Forest-Accelerator-Programm. Über die gibt es sogar ein Stipendium mit kostenfreiem Co-Working-Space, obwohl Geld allein für viele Gründer gar nicht so ausschlaggebend ist. Appel: „Uns geht es darum, Leute zu fördern. Sei es mit informellen Tipps an der Kaffeemaschine oder mit dem Flow als repräsentativer Umgebung, wo man Kunden, Kooperationspartner oder Mitarbeiter für seine Idee begeistern kann. Das ist es, was Dynamik schafft.“ Ulf Tietge
Mehr über das Flow 1986
Als Heimat für Innovation und Technologie versteht sich das Flow 1986 mit dem Team von Black Forest Innovation um Florian Appel. Mehr dazu hier.
