Was denken und wollen Azubis wirklich? Das hat die Kammer fast 1000 junge Menschen gefragt – und dabei einige Überraschungen erlebt …

Wie geht es den Auszubildenden in ihren Berufen? Was ist ihnen wichtig im Leben? Mit welchem Gefühl blicken die jungen Menschen auf die aktuellen Krisen? Die Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein hat an den Berufsschulen im Kammerbezirk einen umfangreichen Stimmungscheck gemacht. Die größte Veränderung im Vergleich zum Vorjahr: die Ängste. Ganz oben auf der Sorgenliste steht die Angst vor der schlechten Wirtschaftslage. 70 Prozent der Azubis macht die anhaltende Konjunkturkrise zu schaffen. Damit hat sich dieser Wert nahezu verdoppelt.
Optimistischer Blick auf die eigene Zukunft
Vor einem Krieg in Europa fürchten sich 67 Prozent, im Vorjahr waren es noch 20 Prozentpunkte weniger. Auch die Angst vor schweren Krankheiten belastet mit 62 Prozent deutlich mehr junge Menschen als noch 2024 (43 Prozent). Weitere Sorgen bereiten den Azubis die Gefahr von Terroranschlägen (60 statt 36 Prozent), der Klimawandel (49 statt 20 Prozent), Zuwanderung (46 statt 26 Prozent) und ein ausländerfeindliches Klima in Deutschland (46 statt acht Prozent). „Dass die Ängste so stark zugenommen haben, zeigt deutlich: Wir leben in unsicheren Zeiten. Und die jungen Menschen spüren das“, sagt Simon Kaiser, IHK-Geschäftsführer der Aus- und Weiterbildung.

Gleichzeitig aber überwiegt der Optimismus, wenn es konkret um die eigene Zukunft geht. 46 Prozent schauen zuversichtlich nach vorn, nur sechs Prozent sehen für sich persönlich düstere Zeiten aufziehen. Diese Angaben gleichen der vorherigen Befragung. Mehrheitlich positiv werden die eigenen beruflichen Perspektiven eingeschätzt. 87 Prozent der Azubis rechnen damit, nach dem Abschluss der Ausbildung vom Betrieb übernommen zu werden. 83 Prozent der Befragten planen eine berufliche Weiterbildung. „Diese Einstellung ist Gold wert“, freut sich Kaiser. „Viele Berufe verändern sich rasant. Wer da Bereitschaft zeigt, sich weiterzubilden, um auf dem Laufenden zu bleiben, ist klar im Vorteil.“ Und klar: Wer sich weiterbilden möchte, der findet bei der IHK zahlreiche Beratungsangebote und Fördermöglichkeiten.
Sorgen bereitet dem IHK-Geschäftsführer ein anderer Trend. Nur ein Drittel der Befragten hat die Ausbildung direkt nach der Schule angetreten. Der große Rest besuchte erst einmal eine weiterführende Schule, ging jobben, machte ein freiwillig soziales Jahr, fing an zu studieren oder reiste für mehrere Monate ins Ausland. „Das können alles wertvolle Erfahrungen sein, aber diese jungen Menschen fehlen auf dem Ausbildungsmarkt“, sagt Kaiser. „Seit Jahren beobachten wir den Trend, dass sich junge Menschen mit ihrer Ausbildungsentscheidung immer länger Zeit lassen. Viele Betriebe haben darauf reagiert und stellen auch noch sehr kurzfristig Azubis ein. Aber Planungen werden schwieriger.“
72 Prozent der befragten Azubis wohnen noch bei den Eltern. Auch bei der Suche nach dem geeigneten Ausbildungsberuf und einem passenden Betrieb verlassen sich viele auf die Familie. So kam bei 40 Prozent der Befragten der entscheidende Hinweis von den Eltern oder von Verwandten. „Dass sich viele Eltern stark für die berufliche Zukunft ihrer Kinder engagieren, ist natürlich zu begrüßen“, sagt Kaiser. Aber „spätestens mit dem Ausbildungsstart müssen die jungen Menschen die Sache selbst in die Hand nehmen und ihre Eigenständigkeit unter Beweis stellen“.
Azubi-Umfrage
Die Ausbildungsumfrage der IHK Südlicher Oberrhein fand zum zweiten Mal in der Region statt. 915 Berufsschülerinnen und Berufsschüler nahmen teil. Der Großteil der Befragten wurde zwischen 2000 und 2008 geboren. 43 Prozent der Teilnehmer waren weiblich. 55 Prozent gaben an, dass beide Eltern in Deutschland geboren wurden. Von den restlichen 45 Prozent der Azubis, die sich an der Umfrage beteiligt haben, stammt mindestens ein Elternteil aus dem Ausland.
Zwölf Prozent der Azubis fanden über soziale Medien eine Stelle. Sechs Prozent bekamen in der Schule den Hinweis auf ihren Wunschberuf. „Wir arbeiten sehr gut mit den Schulen zusammen“, sagt IHK-Geschäftsführer Kaiser. „Aber die Erfahrung zeigt, dass den Lehrerinnen und Lehrern für Berufsorientierung im Unterricht oft die Zeit fehlt, weil die Lehrpläne sehr dicht getaktet sind. Die Rückkehr zu G9 könnte zumindest an den Gymnasien die Lage entzerren.“ Um auch Gymnasiasten für die duale Ausbildung zu gewinnen, entsendet die IHK Ausbildungsbotschafter. „Wir müssen auch Gymnasiasten zeigen, dass es zum Studium eine attraktive Alternative gibt: die Ausbildung in einem innovativen Unternehmen“, so Kaiser. Fast jeder fünfte Azubi bringe in einem IHK-Beruf inzwischen eine allgemeine Hochschulreife mit. „Abitur und Ausbildung passen also bereits heute sehr gut zusammen. Diesen Trend wollen wir weiter verstärken.“
Guter Verdienst und sinnvolle Arbeit
Der Generation Z, zu denen die Befragten gehören, wird oft bescheinigt, sie achte vor allem auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Die IHK-Umfrage stützt dieses Klischee nicht. Auf die Frage, was ihnen bei der Berufswahl wichtig sei, nannten wie schon im Vorjahr die meisten einen guten Verdienst (48 Prozent). Großen Wert legen die Azubis auf eine sinnvolle Arbeit (35 Prozent), ein gutes Arbeitsklima (27), die Nähe des Betriebs zum Wohnort (23) und einen sicheren Arbeitsplatz (16). Nur 15 Prozent machten ihre Jobwahl von der Work-Life-Balance abhängig.
Eine Mehrzahl der Azubis ist zufrieden mit ihrem Ausbildungsplatz. 99 Prozent können laut Umfrage jederzeit die Berufsschule besuchen. 90 Prozent erlebten geregelte Arbeitszeiten, 80 Prozent fühlen sich in ihrem Arbeitsumfeld respektvoll behandelt, 73 Prozent würden ihren Ausbildungsbetrieb weiterempfehlen. Auch die Berufsschulen schneiden gut ab: 88 Prozent der Azubis empfinden das Lernumfeld als respektvoll und fair. Laut 76 Prozent der Befragten falle so gut wie nie der Unterricht aus.
Ihre eigene finanzielle Situation bewerten 40 Prozent der Befragten als sehr gut oder gut. 25 Prozent sind nach eigenen Angaben dagegen knapp bei Kasse.
Was ist den Azubis wichtig im Leben? An erster Stelle steht ein verlässlicher Partner, gefolgt von guten Freunden, dem Wunsch, das Leben zu genießen, und schließlich dem Ziel, viel Geld zu verdienen. fk
Die IHK hilft weiter
Für Unentschlossene bei der Jobwahl bietet die IHK ein kostenfreies Berufsprofiling an. Für Eltern, die sich über die berufliche Zukunft ihrer Kinder informieren wollen, wurde eine Hotline eingerichtet.
