Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August'22 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

53 7+8 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten BAG-Urteil zu Überstunden Arbeitnehmer in Beweispflicht D as Bundesarbeitsgericht (BAG) hat aktu- ell entschieden (5 AZR 359/21), dass die Darlegungs- und Beweislast in einem Prozess um Überstunden weiter im Wesentlichen bei den Mitarbeitern liegt. In dem verhandelten Fall erfasste ein Auslieferungsfahrer Beginn und Ende seiner Arbeitszeit mittels einer tech- nischen Zeitaufzeichnung – ohne Erfassung der Pausen. Am Ende des Arbeitsverhältnisses machte er ein Guthaben von 348 Stunden im Wert von rund 5.200 Euro vor Gericht geltend. Dabei wies er im Verfahren darauf hin, dass er „pausenlos“ gearbeitet habe, weil er sonst die Aufträge nicht hätte abarbeiten können. Dies wiederum bestritt der Arbeitgeber. Das Arbeitsgericht Emden war noch der An- sicht, dass eine Entscheidung des Europäi- schen Gerichtshofs (EuGH) vom Mai 2019 den Arbeitgeber verpflichtet hätte, eine eigene Ar- beitszeiterfassung einzuführen. Diese Ansicht teilte weder das Berufungsgericht noch das BAG, denn die EuGH-Rechtsprechung habe sich im Kern mit Arbeitssicherheits- und Ar- beitsschutzregelungen befasst, nicht aber mit vergütungsrechtlichen Aspekten. Vor diesem Hintergrund, so das BAG, sei es dem Arbeit- nehmer nicht gelungen, die Erforderlichkeit seines Durcharbeitens ohne Pause nachzu- weisen. Die bloße Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten ge- nüge nicht. Olaf Müller, Endriß & Kollegen BAG-Urteil zu Coronatests Testpflicht erlaubt Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte im Juni (5 AZR 28/22), dass Arbeitgeber zur Umsetzung ihrer arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sein können, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hy- gienekonzepts Coronatests anzuordnen. Die Testpflicht muss allerdings verhältnismäßig sein und die Interessen beider Seiten berück- sichtigen, so das BAG. Damit wies das Gericht die Revision einer Flötistin an der Bayerischen Staatsoper zurück, die sich gegen verpflich- tende PCR-Tests gewehrt hatte. Begründet wird die Entscheidung des BAG unter anderem mit der Fürsorgepflicht, die Arbeitgeber gegenüber ihren Beschäftigten haben, um sie bei der Arbeit vor Gefahren ge- gen Leben und Gesundheit zu schützen. uh UPDATE GRUND- STEUERREFORM Im Zuge der Grundsteuerreform, die 2025 in Kraft tritt, werden sämtliche Grundstücke auf den Stichtag 1. Januar 2022 neu be- wertet. Hierfür müssen Eigentü- mer eine Feststellungserklärung abgeben und zwar im Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Oktober 2022 elektronisch per ELSTER. Was die Grundsteuerreform bringt, lesen Sie online unter www. wirtschaft-im-suedwesten.de/praxiswissen/grundsteuerrefo rm Bild: Adobe Stock, Dilok D er Zinssatz soll für alle offenen Fälle rückwirkend ab dem 1. Januar 2019 auf 0,15 Prozent pro Monat beziehungsweise 1,8 Prozent pro Jahr gesenkt werden. Die Zustim- mung durch Bundestag und Bundesrat ist für Juli 2022 vorgesehen. Neben der Absenkung des Zinssatzes ist auch eine regelmäßige Überprüfung im Ge- setzesentwurf verankert. Die Angemessen- heitsprüfung orientiert sich zugunsten wie zulasten der Höhe nach dynamisch an der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 Bürgerliches Gesetzbuch. Die Angemessen- heit soll alle drei Jahre mit Wirkung für nach- folgende Verzinsungszeiträume und erstmals zum 1. Januar 2026 evaluiert werden. Erlass von Nachzahlungs- zinsen wird festgeschrieben Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen sind jeweils tageweise zu berechnen. Unabhängig der Kalendertage wird mit 30 Zinstagen pro Monat beziehungsweise 360 Zinstagen pro Jahr gerechnet. Außerdem wird die Billigkeitsregelung über den Erlass von Nachzahlungszinsen auf- grund „freiwilliger“ Zahlungen zum Beispiel im Laufe einer Betriebsprüfung gesetzlich verankert. Werden Zahlungen auf eine später wirksame Steuerfestsetzung erbracht, diese von der Finanzbehörde angenommen und auf die zu entrichtende Steuer angerechnet, sind Nachzahlungszinsen nicht festzusetzen oder zu erlassen. Die Neuregelung gilt für die Ertragsteuern (Einkommen-, Gewerbe- und Körperschaft- steuer) sowie die Umsatzsteuer. Sobald die Neuregelungen der Verzinsung gesetzlich verankert sind, werden die offenen Zins- festsetzungen von der Finanzverwaltung möglichst zeitnah weitgehend automations- gestützt neu berechnet und unter Beachtung des Vertrauensschutzes angepasst. Kein großer Wurf geplant Zusammenfassend enthält der Regierungs- entwurf eine verfassungsgemäße Verzin- sung. Eine größere Reform im Steuerrecht erfolgt allerdings nicht. Denn neben den übrigen Verzinsungstatbeständen der Abga- benordnung für Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen – unverändert sechs Prozent pro Jahr – bleibt auch der bewer- tungsrechtliche Zinssatz für die Abzinsung unverzinslicher Verbindlichkeiten und Rück- stellungen (5,5 Prozent) und der Rechnungs- zinsfuß bei der steuerlichen Bewertung von Pensionsrückstellungen (sechs Prozent) un- verändert. Claudio Schmitt, Bansbach GmbH In einem vielbeachteten Beschluss hatte das Bundesverfassungs- gericht (BVerfG) im Juli 2021 entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und -erstattungen von sechs Prozent pro Jahr aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus auf dem Kapital- markt verfassungswidrig ist. Daraufhin hat das Bundeskabinett im März 2022 nun einen Gesetzesentwurf beschlossen. Verzinsung von Steuererstattungen und -nachzahlungen Zinssatz von 1,8 Prozent vorgesehen

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