Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe April'22 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

53 4 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten PRAxISWISSEN einholen werden. Es ist daher sehr wahr- scheinlich, dass die unmittelbar Betroffenen zur Gewinnung nötiger Informationen auch ihre Zulieferer, die oft KMU sind, entspre- chend vertraglich einbinden. Dies wird im Vorschlag nicht thematisiert. Was kommt da auf die betroffenen Unter- nehmen zu? Zu welchen Themen soll künf- tig berichtet werden? Grundsätzlich gilt: Unternehmen müssen einerseits darüber informieren, wie sich Nachhaltigkeitsthemen auf ihr Geschäfts- modell und ihre Strategie auswirken. Andererseits sind die Auswirkungen des Unter- nehmens auf Umwelt und Gesellschaft zu beschreiben. Im Vergleich zur aktuellen Richtlinie erweitert der Vor- schlag deutlich die Liste der darzustellenden Informatio- nen im Bereich der Sozial- und Umweltbelange, bleibt dabei aber zum Teil sehr vage. So sind beispielsweise der unternehmerische Beitrag zur Erreichung des Pariser Klimaziels und zur Biodiversität aufzuzeigen. Hinzukommt, dass die betroffe- nen Unternehmen zukünftig auch zu Themen der Governance Stellung beziehen sollen, so zum Beispiel zur Geschäftsstrategie, den gesteckten Nachhaltigkeitszielen sowie zur Rolle des Managements in Bezug auf Nach- haltigkeitsfaktoren. Sofern angemessen, sollte der Bericht auch Informationen über die Wertschöpfungskette des Unternehmens umfassen, einschließlich der eigenen Geschäftstätigkeit, Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens, seiner Geschäftsbeziehungen und seiner Lieferkette. Eine ganz wesentliche Änderung betrifft letztlich auch die Perspektive des Berichts: Er soll in Zukunft nicht nur – wie bis dato – einen Rückblick auf die Geschäftsaktivitäten geben, sondern auch einen kurz-, mittel- so- wie langfristigen Ausblick auf die Pläne des Unternehmens enthalten. Schließlich muss der CSRD-Entwurf im Zusammenhang mit der Taxonomie-Verordnung gesehen werden, einem weiteren Regelwerk der EU (mehr dazu WiS-Ausgabe 2/2022). Denn Unternehmen, die unter die CSRD fallen sollten, müssten in ihrem Bericht zukünftig angeben, inwiefern die eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten die Taxonomie-Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Wie müssen Unternehmen berichten? Auch das „Wie“, sprich die Aufbereitung der Informationen, wird sich im Vergleich zur ak- tuellen Richtlinie deutlich verändern: Bisher können sich die rund 550 berichtspflichtigen Unternehmen in Deutschland frei entscheiden, ob sie den Bericht nach eigener Vorstellung aufbauen oder sich bei der Strukturierung ih- res Berichts an einem der offiziell anerkannten Rahmenwerke, zum Beispiel dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex, orientieren wollen. Zweck des CSRD-Entwurfs ist es jedoch, die Vergleichbarkeit der Informationen für die Finanzmarktteilnehmer zu verbessern. Aus diesem Grund soll die bisherige Flexibilität entfallen: Die geforderten Angaben müssen zukünftig im Lagebericht des Geschäftsberichts dar- gestellt werden. Zudem müsste der Bericht in einem maschinenlesbaren Format veröffentlicht werden, das ein „Tagging“ der Nachhal- tigkeitsinformationen er- möglicht. Aus Gründen der Qualitäts- sicherung enthält der Vor- schlag auch eine Pflicht zur externen Prüfung. Dabei soll kontrolliert werden, inwieweit die Angaben den Berichterstattungsstandards entspre- chen, welchen Prozess das Unternehmen zur Ermittlung der berichteten Informationen implementiert hat und ob die Kennzeichnung nach den Anforderungen des elektronischen Reporting-Formats erfüllt wird. Neben der ver- pflichtenden Prüfung schlägt die Kommission Sanktionen bei Verstößen vor. Können sich Firmen vorbereiten? Was ra- ten Sie vor allem kleinen und mittelgroßen Unternehmen? Noch wird an den Standards gearbeitet. Die EU-Kommission plant, die verbindlichen Kern- standards spätestens Ende Oktober 2022 zur Verfügung zu stellen. Der erste Bericht auf Grundlage der künftigen CSRD soll dem Entwurf zufolge dann voraussichtlich im Jahr 2024 über das Geschäftsjahr 2023 veröffent- licht werden. Wer auf die Fertigstellung der Standards wartet und sich dann erst vorberei- tet, hätte nur zwei Monate Vorbereitungszeit. Dies ist selbst für bereits berichtspflichtige Unternehmen unrealistisch, da die Anforde- rungen bezüglich der Gewinnung und Auf- bereitung von Informationen einen weitaus tieferen Blick in die Lieferketten und Produk- tionsverfahren voraussetzen. Wir sprechen nicht von einer Anpassung, sondern von ei- ner Neuaufstellung der bisherigen Reporting- Strukturen. Auch wenn EU-Parlament und -Rat noch An- passungen am Entwurf vornehmen können, ist davon auszugehen, dass die allgemeine Kursrichtung steht. Es gilt, sich also bereits jetzt vorzubereiten. Denn Basis eines effekti- ven Nachhaltigkeitsmanagements und damit auch des Corporate-Social-Responsibility- (CSR)-Reportings sind valide Daten. Unter- nehmen sollten sich daher frühzeitig einen Überblick über relevante Kennzahlen, Ziele, Aktivitäten verschaffen und alle Informati- onen sowie Zuständigkeiten an einem Ort bündeln, um damit wirksam arbeiten und berichten zu können. Eng damit verbunden ist die Sensibilisierung von Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspart- nern. Es ist nötig, sich mit den Anforderun- gen auseinanderzusetzen und entsprechende Vorarbeiten wie Mitarbeiterschulungen, die Implementierung von Messinstrumenten, den Aufbau und die Einführung von Berichtsstruk- turen und Berichtsformaten vorzunehmen. Mittelbar betroffenen KMU raten wir, mit ih- ren Kunden und Geschäftspartnern, die be- richtspflichtig sind, in Kontakt zu treten, um zu erfahren, welche Unterstützung in Sachen Datenzulieferung erwartet wird. Das Interview erschien in einer etwas länge- ren Version zunächst in „Wirtschaft in Main- franken“, dem Magazin der IHK Würzburg- Schweinfurt. ZUR PERSON Philipp Nüßlein ist Referatsleiter CSR (Corporate Social Responsibility) beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. » Wer auf die Fertigstellung der Standards wartet und dann erst loslegt, hätte nur zwei Monate Vorbereitungszeit « Bilder: rechts: Paul Aidan Perry, links: Adobe Stock, artnovielysa

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