Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'22 -Südlicher Oberrhein

10 iHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 3 | 2022 titel Privatbrauerei Waldhaus, Weilheim „Besucht die gebeutelte Gastronomie!“ Die Coronajahre in einem Satz zusammen- gefasst – wie würde der lauten? Dieter Schmid, Geschäftsführer: Das wird schwierig. Grundsätzlich können wir sagen, dass die Corona-Krise für unsere Kunden in der Gastronomie eine Katastrophe ist.Wir als Brauerei konnten durch den Flaschenverkauf im Handel vieles ausgleichen und sind bisher mit einem blauen Auge davongekommen. Wie konnten Sie der Gastronomie unter die Arme greifen? In beiden Lockdowns haben wir das komplette Fassbier von unseren Kunden zurückgekauft. Wir wollten schnell und unbürokratisch helfen. Da wir die Gastronomen nach den Lockdowns mit frischen Abfüllungen ausstatten wollten, wurden in unserem Haus über 80.000 Liter Bier vernichtet. Nach den Öffnungen gab es dann auch das erste Fass am Hahn gratis ausgeliefert. Worauf sind Sie im Rückblick besonders stolz? Innerbetrieblich haben wir die Krise super gemeistert. Unsere Führungskräfte sind ihrer Vorbildfunktion wirklich gerecht geworden. Wir haben eine hohe Impfquote mit nur zwei Ausnahmen bei 60 Mitarbeitern. Sie haben zuletzt diverse Auszeichnungen erhalten. Inwiefern hat das geholfen? Was wir gespürt haben: Die Leute konnten zwar aufgrund der geschlossenen Gastro- nomie nicht mehr ausgehen, jedoch wurde im Gegenzug dafür bewusster und höher- wertig eingekauft. Das hat uns der Einzel- handel bestätigt. Davon haben wir, auch dank unserer Auszeichnungen, eindeutig profitiert. Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft? Trinkt mehr Bier (lacht)! Und besucht unbedingt die wirklich gebeutelte Gastro- nomie. Bislang haben wir durch die Pandemie noch keinen Kunden verloren, aber das Blatt muss sich schnell wenden, dass das so bleiben kann. bb Hotel Storchen, Rheinfelden Impftermine vom Fließband Auf Überraschung folgte Freude, dann Schrecken. – Über- raschung und Freude, dass die E-Mail an die Landrätin mit der Frage „Alle Welt erhält Impftermine, warum aber nicht die Gastrobeschäftigten, die doch die meisten Fremdkon- takte haben?“ doch etwas bewirkt hatte. Schrecken, angesichts der bevorstehenden Aufgabe: Binnen drei Tagen die zugeteilten 1.000 Impftermine unter den Gastronomiekollegen verteilen. „Ich dachte nur ‚Um Gottes Willen, wie sollen wir das schaffen?‘“, erinnert sich Alexandra Mussler, Chefin des Hotel Storchen in Rheinfelden, an die Excel-ähnliche Liste vom Impfzentrum mit den vielen leeren Feldern. Und nicht wenige Termine lagen ausgerechnet auf den für die Gastro umsatzwichtigen Wochenenden. „Egal, Augen zu und durch, wir lassen uns jetzt alle impfen und gut is“, setzte sich dennoch schnell als Devise durch, und Mussler trommelte als Dehoga-Kreisvorsitzen- de für Bad Säckingen ihr Netzwerk zusammen. Kreisstelle um Kreisstelle in der Region wurde einbezogen, immer zwei Leute pro Betrieb zugelassen. „Tagelang stand das Telefon nicht still“, berichtet die 58-Jährige, die auch Mitglied der Vollversammlung der IHK Hochrhein-Bodensee ist. Erst Zusagen, dann die ers- ten Sonderwünsche. „Das war ein bisschen Chaos. Aber unterm Strich bin ich superstolz.“ Fast 1.000 Leute haben sie und ihre Dehoga-Kollegen impftechnisch versorgt. „Ein sehr schönes Erlebnis“ zwischen zwei Lockdowns. Alexandra Musslers eigene Coronabilanz fällt gemischt aus. Die Storchen-Chefin hat 2021 – im 50. Jubiläums- jahr – das Restaurant endgültig geschlossen und betreibt „nur“ noch das Hotel. „Ich hätte an sich schon vor Corona in der Küche aufstocken müssen, um den Betrieb zu stemmen“, erklärt sie.Während der Pandemie habe sie, wie viele Kollegen auch, weitere Mitarbeiter an andere Branchen verloren. Am Ende sei der Schritt, sich auf das 28-Zimmer-Haus zu konzentrieren, kein einfacher, aber ein logischer gewesen. „Und es geht mir gut damit“, stellt Mussler fest. Im vergangenen Sommer kam sogar wieder so etwas wie Stress auf, weil es viele Fahrradurlauber an den Hochrhein zog. „Viele Hotelgäste sind über die letzten Monate zu Stammgästen geworden. Freundschaften sind entstanden.“ Gespannt ist Alexandra Mussler darauf, wie die vergangenen Jahre mal in den Geschichtsbüchern bewertet werden. „Ein wichtiger und schwerwiegender Lebensabschnitt für uns alle. Man wird sich wohl an vieles erst langsam wieder herantasten müssen.“ uh

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