Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'22 -Südlicher Oberrhein

11 3 | 2022 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten hat: zwölf und elf Prozent (mehr zu innovativen Unternehmen aus der Region siehe Anzeigen- spezial ab Seite 56). Viele schraubten dagegen ihre Innovationsbemühungen herunter. Nicht glücklich, aber verständlich, findet Alexander Graf: „Angesichts der Themen, die auf uns zukommen, müsste man eigentlich stärker investieren, aber die Zurückhaltung ist wohl der nach wie vor unsicheren Perspektive ge- schuldet.“ Und man dürfe nicht vergessen, dass die Wirtschaft überwiegend aus Betrie- ben mit weniger als 20 Mitarbeitern bestehe. „Die müssen aktuell ganz anders wirtschaften als es größere können.“ (Mehr zu den Kon- junkturerwartungen im Regioteil ab Seite 17) Neue Nähe gewonnen Was aber nach zwei Jahren Corona bleiben wird und Früchte tragen kann, sind zwei Er- kenntnisse: Erstens seien in vielen Bereichen Schranken und Hemmschwellen gefallen, stellt Philipp Hilsenbek fest. In Sachen Innenstädte hätten die Lockdowns beispielsweise gezeigt, dass Handel und Gastronomie einander brau- chen. „Daraus lässt sich jetzt etwas Gutes machen und Entwicklung vorantreiben.“ Zweitens sei da eine neue Wertschätzung für Gemeinschaft, meint Alexander Graf: „Durch die erzwungene Distanz haben wir erkannt, gemeinsam sind wir stärker. Und Nähe ist zu etwas Wertvollem geworden.“ Ulrike Heitze Steuerkanzlei LLP, VS-Schwenningen Überbrückungshelfer „Vielleicht ‚Wellenreiter in der Brandung‘ oder ‚Surfer hart am Wind?‘“ Wenn Mario Born (oben), Partner in der Kanzlei Lerner, Lachenmaier & Partner (LLP) aus Villin- gen-Schwenningen nach einer aktuellen Umschrei- bung für seinen Beruf sucht, fallen ihm vor allem rasante Sportarten ein. Und tatsächlich war und ist es eine Art Hochleistungssport, was die Steuer- beraterbranche in der Pandemie hinlegen muss, bestätigt sein Kollege Michael Kratt , der bei LLP die Beantragung der Coronahilfspakete für die Mandanten organisiert:„Die Steuerberaterbranche ist im März 2020 von den Maßnahmen quasi überrollt wor- den.“ Die Soforthilfen konnten die Unternehmen noch in Ei- genregie beantragen – „was jetzt teilweise wie ein Bumerang zurückkommt und dann doch bei uns landet“ –, aber bei den Überbrückungshilfen müs- sen Born, Kratt und Kollegen ran. Und so schreiben sie seit zwei Jahren für ihre Mandanten Antrag auf Antrag – zusätzlich zum normalen Pensum rund um Steuererklärung, Bilanz und Co. und neben der Turbo-Digitalisierung der eigenen Kanzlei wegen Corona. Keine leichte Aufgabe, denn die Regierung ändert gerne schnell, häufig und per Nacht-und-Nebel-Beschluss die Vor- schriften für die Förderungen. Nicht immer sind die Regelungen konsistent und „Termine werden oft unverständlich knapp gesetzt, um kurz danach doch wieder verlängert zu werden“, berichtet Michael Kratt kopfschüttelnd. Um bloß keine neuen Details zu verpassen – sie werden vom Fiskus nicht extra kommuniziert – hat LLP Arbeitskreise gebildet und Kompetenzen gebündelt. „Kleine Kanzleien können das gar nicht leisten“, berichtet Mario Born, der auch in der Vollversammlung der IHK Schwarzwald-Baar- Heuberg sitzt, bedauernd. Wohl mit ein Grund für viele Kanzleifusionen. Trotz allem findet Michael Kratt seinen Job gerade „enorm spannend“ und befriedigend: „Als Steuerberater erledigen wir die oft als lästig empfunde- nen gesetzlichen Verpflichtungen, aber wenn wir jetzt einem verzweifelten Unternehmer zügig helfen können, ist das ein schönes Gefühl.“ uh IHK Südlicher Oberrhein, Freiburg „Ein heißer Ritt“ Wie muss ich den 2G-Status meiner Gäste dokumentieren? Wann gibt’s Neustarthilfe Plus? Was muss ich bei Kurzarbeit beachten? – Es gibt kaum eine Frage rund um Corona, die Christina Gehri noch nicht gestellt wurde. „Als IHK dürfen wir zwar nicht rechtsverbindlich be- raten, aber ausführlich informieren“, erklärt die stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs Standortpolitik und Unternehmensförderung bei der IHK Südlicher Oberrhein. Und das haben sie und ihre Kollegen in den vergangenen zwei Jahren per Telefon und E-Mail reichlich getan. Sie waren Informationsbeschaffer, Finanzhil- fenbesorger, Kummerkasten und Blitzableiter – „Das ist dann immer hart, wenn man für Dinge verantwortlich gemacht wird, für die man nichts kann und die man selbst nicht okay findet. Ich weiß, die Verzweiflung und der Frust der Men- schen müssen irgendwohin, aber manchmal fällt es schwer, dies in der Summe nicht persönlich zu nehmen.“ Sie sind Vorschriftenin- terpretationshelfer und Interessenvertreter. „Über den DIHK und den BWIHK sind wir recht nah an den Ministerien dran“, erklärt Gehri. Hilfreich, um missverständ- liche Regelungen zu klären oder um Kritik an gewissen Maßnahmen zu üben und Verbesse- rungsvorschläge zu platzieren. „Auch wenn wir letztlich dann doch nur darauf hoffen können, dass unsere Argumente Gehör finden.“ Zu Beginn der Lockdowns, März, April 2020, war die IHK mit quasi allen Mitarbeitern an Deck, um Soforthilfen im Akkord zu bean- tragen, auch amWochenende. Mehr als 40.000 Anträge sind es am Ende geworden. Informationsupdates gab sie damals per Teams- Chat, denn „für regelmäßige Meetings wäre gar nicht die Zeit gewesen“, erinnert sich Gehri. Mittlerweile sind die meisten in ihre Aufgaben- gebiete zurückgekehrt, Gehri hält mit zwei, drei Kollegen neben ihren normalen Beratungs- schwerpunkten die Coronastellung. „Trotzdem erwartet man jede Ministerpräsidentenkonfe- renz, jede neue Landesverordnung mit Span- nung.“ Jetzt wird es nur noch phasenweise hektisch, etwa, wenn der Fiskus seine Schreiben zum Rückmeldeverfahren verschickt. „Dann bestimmt das gefühlt wieder den ganzen Tag.“ Vom Gemüter beruhigen bis Ablauf erklären. „Es ist gut und herrlich befriedigend, dass wir helfen können, in Teilen aber auch anstrengend. Also unterm Strich: Ein heißer Ritt“, zieht sie augenzwinkernd Bilanz. uh

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