Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Oktober'21 -Schwarzwald-Baar-Heuberg

57 10 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten getraut. Inzwischen sei das zum Glück anders. Fuchs berichtet von Umsatzeinbrüchen bis zu 50 oder 60 Prozent in den schlimmsten Monaten. Man habe gekämpft und Dank der Reserven der Familie, einem zusammen mit dem Gewerbeverein ins Leben gerufenen Lieferservice, Kurzarbeitergeld und weiterer staatlicher Hilfen die Pandemie „relativ gut überstanden“. Er betont: „Die Modehäuser und alles, was unsere schönen Innenstädte ausmacht, gäbe es ohne die Überbrückungshilfen nicht mehr. Ich bin froh, dass uns das in Deutschland passiert ist.“ Fuchs hat in der Pandemie vermehrt in digitale Wer- bung investiert, wegen der hohen Retourenquote in seiner Branche kommt ein Onlineshop für ihn aber nicht infrage. Auch Philipp Frese, Geschäftsführer der Frese GmbH - Textiles Einrichten und der PSSST Bettenhaus Freiburg GmbH & Co. KG, verzichtet auf einen Webshop. In sei- nen Geschäften dauere zum Beispiel eine Beratung für das richtige Kissen bei Nackenschmerzen bis zu 30 Minuten, so etwas sei online nicht möglich. Aber auch Frese hat in der Coronazeit mehr Geld in digitale Wer- bung gesteckt und berichtet: „Nach dem ersten Schock haben wir den Betrieb so weit als möglich aufrechter- halten, um die Sichtbarkeit zu gewährleisten und in der Pandemie nicht vergessen zu werden.“ Seine beiden Unternehmen sind an einem Standort untergebracht, haben rund 700 Quadratmeter Verkaufsfläche und 20 Mitarbeiter. In seiner Funktion als Präsident des Handelsverbands Südbaden berichtet Frese zudem von einer „sehr verhal- tenen Stimmung“ im gesamten südbadischen Einzelhan- del. „Wenn die Geschäfte das halbe Jahr geschlossen waren, kann es kein gutes Jahr werden, sondern nur um Schadensbegrenzung gehen“, sagt er. Die ohne- hin schwierige Lage werde dadurch erschwert, dass die pandemische Situation Spuren auf dem Arbeits- markt hinterlassen habe. Für den Einzelhandel sei es schwierig, Personal zu bekommen. Die meisten Ein- zelhändler mussten ab 16. Dezember 2020 kom- plett schließen. Ab 8. März dieses Jahres gab es Lockerungen, im Juni schließlich durften sie mit Hygieneauflagen wieder komplett öffnen. So berichten denn auch 72 Prozent der Be- triebe in Baden-Württemberg von gesunke- nen Umsätzen im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum bereits teilweise pandemiege- prägten Vorjahreszeitraum und nur 15 Prozent von gestiegenen. Zu letzteren zählt der Lebensmit- teleinzelhandel, der öffnen durfte. 59 Prozent dieser Händler melden gestiegene Umsätze. Sie schätzten im Juni/Juli ihre Geschäftslage auch am besten ein - gut die Hälfte der befragten Lebensmitteleinzelhändler befand sie für gut –, insgesamt taten es ihnen nur 17 Prozent der Händler im Land gleich. Die zunehmende Deltavariante habe dem Handel wieder einen Dämpfer versetzt, berichtet Utz Geiselhart, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden. Noch Anfang Mai sei die Stimmung besser gewesen. Bundesweit boomt weiter der Onlinehandel, wenn auch weniger stark als im Vorjahr, als er Rekordwerte erreich- te. Insgesamt steht der Handel in Baden-Württemberg in diesem Jahr schlechter als in ganz Deutschland da. Als Gründe dafür nennt Geiselhart die Lage an der französischen und schweizerischen Grenze sowie die hohe Zahl der von der Pandemie besonders betroffe- nen Innenstadt- und Fachhändler. So berichteten – wie schon im Vorjahr – über alle Branchen hinweg Händler mit normalerweise vielen Kunden aus Frankreich oder der Schweiz von großen Einbrüchen. Zwar waren die Grenzen nicht mehr wie im Frühjahr 2020 geschlos- sen, die Einreise blieb beziehungsweise ist zum Teil jedoch erschwert, was der Verband daher kritisiert. Zudem wiederholt Geiselhart die Forderungen der Mit- gliedsunternehmen nach einem digitalen System für die Mehrwertsteuerrückerstattung für die Schweizer Kunden an der Grenze. Und nun? Laut Hauptgeschäftsführer Peter Spindler geht es jetzt darum, einen weiteren Lockdown zu ver- hindern. „Wir wissen, Impfen ist das Einzige, was uns hilft, aus der Pandemie herauszukommen“, sagt er mit Verweis auf die entsprechende Kampagne des Handelsverbands. Er betont, dass es auch viele Betriebe gebe, die bei den staatlichen Hilfen durchs Raster gefallen seien. Von Betriebsschließungen in nennens- werter Zahl wegen Corona weiß er indes nicht. Frese verweist auf die auch schon vor Corona schwierige Situation vieler Händler. Er geht davon aus, dass viele ihre Betriebe nun altersbedingt früher als geplant schließen. „Das wird man in den nächsten zwei Jahren sehen“, sagte er. mae Ingo Fuchs Modehaus Fuchs GmbH, Endingen DIE BRANCHEN So entwickelten sich die Umsätze folgender Ein- zelhandelsbranchen im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum:  Spielwaren: +16 Prozent  Elektrokleingeräte: +13,5 Prozent  Informationstechnologie: +9,1 Prozent  Elektrogroßgeräte: +8,5 Prozent  Zweiradbranche: +5 bis 10 Prozent  Telekommunikation: +6,6 Prozent  Unterhaltungselektronik: +0,9 Prozent  Tabakwaren: +/-0 Prozent  Uhren/Schmuck: -0,7 Prozent  Möbel: -12 Prozent  Vorhänge, Teppiche: -13,5 Prozent  Textil (Meterware, Betten usw.): -19,8 Prozent  Schuhfachhandel: -21,5 Prozent  Bekleidung: -28 Prozent Quellen: Statistisches Bundesamt Handelsverband Südbaden Thomas Merkel Hild Radwelt GmbH & Co. KG, Freiburg Philipp Frese Frese GmbH – Textiles Einrichten und PSSST Bettenhaus Freiburg GmbH & Co. KG

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