Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September '21 - Hochrhein-Bodensee

9 9 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten STUFENPLAN FÜR ÜBERNEHMER 1. Prüfung der persönlichen Eignung: Unternehmerpersön- lichkeit, Qualifikation, gewerberechtliche Voraussetzungen 2. Einbeziehung des persönlichen Umfelds: Partner, Familie 3. Suche nach einem geeigneten Betrieb: Standort, Be- triebsgröße 4. SorgfältigeAnalyse des zu übernehmenden Betriebes: Übernahmepreis, Wettbewerbsfähigkeit, Image, Kunden- stamm, Mitarbeiter, bestehende Verträge, Haftungsfragen 5. Erörterung der Übernahmeform: Kauf, Schenkung, Pacht, Beteiligung, Vertragsgestaltung, steuerliche Aspekte 6. Planung des Unternehmenskonzepts: Planrechnungen, Finanzierung, Verträge, Termine 7. Ausarbeitung des Geschäftsplans: Art der Übernahme, Kapitalbedarfsplan, Finanzierungsplan, Rentabilitätsvorschau 8. Verhandlungen mit Banken/Kapitalgebern 9. Abschluss der Übernahmeverhandlungen 10. Abwicklung der Gründungsformalitäten: Gewerbe- anmeldung bei Gemeinde, Finanzamt, Betriebsnummer, Agentur für Arbeit, Berufsgenossenschaft, gegebenenfalls Eintragung ins Handelsregister, IHK, HWK Quelle: IHK Hochrhein-Bodensee Jahr 2006 zu Waschbär. Erst leitete sie den Textileinkauf, 2015 holte Schütz sie und einen weiteren Kollegen in die Geschäftsführung. Nach und nach gab Schütz Aufgaben ab. Parallel dazu strukturierte die Führungsriege die Fir- mengruppe um und wandelten sie in eines der ersten Purpose-Unternehmen weltweit um. Dabei erarbeiteten sie zudem – mangels Vorbildern, an denen sie sich ori- entieren konnten–, eine Satzung, „in der die dauerhafte Einhaltung der Purpose-Prinzipien sichergestellt ist“, wie Wehrle erklärt. Währenddessen kristallisierte sich her- aus, dass er und Hupfer die Nachfolge antreten würden. Zwei Prozesse, die eigentlich nacheinander stattfinden sollten, wie Hupfer berichtet. Sie habe sich die Entschei- dung nicht leicht gemacht, die Möglichkeit aktiv an der Zukunft von Waschbär mitzugestalten habe schließlich den Ausschlag gegeben „Der Weg von angestellten Ge- schäftsführern zu treuhändischen Eigentümern war sehr fordernd“, berichtet sie denn auch. „Ich lerne immer noch jeden Tag dazu.“ Beide halten sie an dem Prinzip ihres Vorgängers fest, den Mitarbeitern viel Spielraum zu geben und Verantwortung zu übertragen. Mit Er- folg: Das Unternehmen ist zuletzt, vor allem in der Coronakrise, kräftig ge- wachsen. Heute sind 411 Mitarbeiter beschäftigt, die meisten am Hauptsitz in Freiburg, 2020 wurden 77 Millionen Euro umgesetzt. Bei allem Wachstum ist ihnen eines wichtig: „Was im Unternehmen ent- steht, soll auch im Unternehmen bleiben“, sagt Wehrle. So, wie es auch im Sinne von Ernst Schütz war. Ihn, so glaubt sie, habe das Loslassen viel Energie gekostet – aber er habe es dank eines klaren Schnitts geschafft. Im Unternehmen schaut er dennoch hin und wieder vorbei. F rüh an die eigene Nachfolge zu denken und schließlich loszulassen, ist eine der großen He- rausforderungen, wenn ein Unternehmer sein Lebenswerk übergibt. Davon berichtet auch Christina Gehri, die bei der IHK Südlicher Oberrhein unter ande- rem für Existenzgründung und Unternehmensnachfolge zuständig ist. Zugleich betont sie: „Wichtig ist, dass man, wenn man mit 50 die Entscheidung fasst, mit 60 aufzuhören, nicht die Hände in den Schoß legt, sondern die Entscheidungen weiterhin so trifft, als würde man das Unternehmen fortführen.“ Das gelte genauso für Investitionen wie fürs Ausbilden von Nachwuchskräften. Sich mit dem Nachfolger oder der Nachfolgerin – so er oder sie denn gefunden ist – über den Wert bezie- hungsweise Kaufpreis zu einigen, gehört für sie zu den größten Hürden bei der Übergabe. Alexander Vatovac von der IHK Hochrhein-Bodensee sagt zudem: „Es ist wichtig, dass der Nachfolgeprozess begleitet wird. Er zieht sich ja meist über drei bis vier Jahre hin.“ Steuerberater und Rechtsanwälte seien für das Fachliche wichtig. Die IHKs dürfen zu diesen Themen nicht beraten, können den Nachfolgeprozess insgesamt aber begleiten. Sie bieten vielfältiges Infor- mationsmaterial und Gespräche. Und sie helfen bei der Suche nach einem passenden Nachfolger und organi- Purpose-Unternehmen Purpose heißt auf Deutsch Zweckbestimmung, Sinnhaftigkeit. Ein Purpose-Unternehmen gehört sich selbst, das Vermögen ist im Unternehmen gebunden. Der Betrieb darf folglich weder gewinnbringend verkauft noch vererbt werden und auch keine Gewinne ausschütten. Gesellschafter darf neben der Purpose- Stiftung, die stets eine Minderheit hält und das Unternehmen berät, nur sein, wer auch im Unternehmen arbeitet. Eine eigene Rechtsform wie bei einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) gibt es (noch) nicht, die Standards sind in einer Satzung geregelt. Bislang gibt es weltweit rund 100 Purpose-Unternehmen. www.purpose-economy.org Die Stiftung Verantwortungseigentum, zu deren Gründern Waschbär gehört, setzt sich für eine neue Rechtsform einer Ge- sellschaft mit gebundenem Vermögen ein und hat zusammen mit zahlreichen Unterstützern eine Gesetzesinitiative gestartet. www.stiftung-verantwortungseigentum.de »Was im Unter- nehmen entsteht, soll dort bleiben« Katharina Hupfer

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