Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September '21 - Hochrhein-Bodensee

8 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 9 | 2021 TITEL oder auch, dass es interne leitende Mitarbeiter weiterführen (Ma- nagement-Buy-out). L etzteres ist bei Waschbär aus Freiburg der Fall – allerdings auf eine besondere Weise. Zum Jahresende 2017 verkaufte der da- malige geschäftsführende Gesellschafter Ernst Schütz, damals Mitte 60, die Unternehmensgruppe an Katharina Hupfer und Matthias Wehrle – zu einem fairen Preise, wie sie betonen. Zuvor hatten sie die Firmengruppe gemeinsam in ein sogenanntes Purpose-Unternehmen umgewandelt, das, vereinfacht gesagt, sich selbst gehört (mehr im Kasten rechts oben). Waschbär firmiert nach wie vor als GmbH, und die beiden Geschäftsführer halten zusammen die meisten Anteile. Doch die mit einem Prozent beteiligte und von Schütz Ende 2015 mitgegründete Purpose-Stiftung trägt Sorge dafür, dass deren Prin- zipien eingehalten werden. Die Idee des Purpose-Unternehmens kam Ernst Schütz zusammen mit drei Mitstreitern, als die Nachfolge seiner eigenen Unterneh- men anstand. Der Schweizer hatte 2001 den insolventen Freiburger Waschbär-Versand inklusive der weiteren Unternehmen der Gruppe übernommen und zu einem profitablen und zugleich einem der größ- ten Spezialversandhändler für nachhaltige Produkte im deutschspra- chigen Raum aufgebaut. Schütz hat zwar Kinder und Enkel – diese hatten sich beruflich aber anders orientiert oder waren zum Zeitpunkt der Übergabe zu jung, um einen Betrieb zu führen. Für ihn stand ohnehin an erster Stelle, den Fortbestand seines Unternehmens langfristig zu sichern und nicht, es in der Familie zu halten. Als Mit- streiter und zugleich Nachfolger fand er seine leitenden Mitarbeiter Katharina Hupfer und Matthias Wehrle. Wehrle, heute 46 Jahre alt, kam 2015 zu Waschbär. Nachdem er über 20 Jahre in einem klassischen Familienunternehmen gearbei- tet hatte, war er auf der Suche nach Veränderung, „nach einem sozialen oder ökologischen Unternehmen, bei dem die Gewinne für etwas Sinnvolles verwendet werden“, wie er berichtet. Durch Zufall stieß er auf die Stellenanzeige für einen kaufmännischen Leiter bei Waschbär – und bewarb sich erfolgreich. Ein Jahr später wurde er Teil der Geschäftsführung und erhielt den Auftrag, die Nachfolge im Sinne von Ernst Schütz zu regeln. „Es war damals aber nicht klar, dass ich dabei eine Rolle spielen werde“, sagt Wehrle. Die 47-jährige Katharina Hupfer stieß nach mehreren Stationen bei anderen, zum Teil ebenfalls ökologischen Textilversandhändlern im STUFENPLAN FÜR ÜBERGEBER 1. Wirtschaftliche Analyse: Bewerten Sie den Ist-Zustand Ihres Unternehmens so nüchtern und sachlich wie möglich. Wie sind Sie bislang durch die Krise gekommen, wie sind Sie am Markt positioniert – bei Ihren Lieferanten und Kunden, aber auch gegenüber Ihrer Konkurrenz?Wie zukunftsfähig ist Ihr Geschäftsmodell? Rechnen Sie sich Ihre Situation nicht schön – lassen Sie sich von Ihrem Steuerberater die nackten Zahlen und Fakten geben. 2. Selbstanalyse: Sie haben das Unternehmen gegründet und/ oder weiterentwickelt. Da fällt der Gedanke an denAbschied schwer. Warum glauben Sie, dass es ohne Sie nicht geht? Sind Sie bereit loszulassen – und haben Sie bereits Pläne für das „Leben danach“? Sprechen Sie erst mit Ihrer Familie und Ihren engsten Vertrauten über mögliche Nachfolgesze- narien, bevor Sie die Belegschaft, Kunden und Lieferanten unterrichten. 3. Nachfolger I: Haben Sie nahe Verwandte (eigene Kinder/ Neffen/Nichten), die in Ihre Fußstapfen treten und die Fir- menleitung übernehmen könnten? Sind Ihre potenziellen Nachfolger für diesen Schritt fachlich qualifiziert und per- sönlich geeignet/motiviert? Nehmen Sie für diese Beurtei- lung gegebenenfalls professionelle Beratung in Anspruch. 4. Nachfolger II: Wenn dieWeitergabe innerhalb der Familie nicht möglich ist oder als nicht sinnvoll erscheint, prüfen Sie den Verkauf an externe Dritte. Sprechen Sie mit Ihren lei- tendenAngestellten (Fremdgeschäftsführer/Prokuristen), ob Interesse an einem Einstieg (Management-Buy-In) besteht. Denkbar ist aber auch der Verkauf anAußenstehende, etwa an professionelle Investoren, Beteiligungsgesellschaften – oder auch an Wettbewerber. 5. Kaufpreisfindung: Informieren Sie sich bei Ihrem Steuerbe- rater und Rechtsanwalt über die verschiedenenVerfahren zur Unternehmensbewertung. Nicht alle Methoden eignen sich für alle Branchen und Unternehmensgrößen.Werden Sie sich darüber klar, was Ihnen besonders wichtig ist: zum Beispiel die Transaktionssicherheit (dass es tatsächlich zumVerkauf kommt) oder die Kaufpreismaximierung (mit dem Risiko, dass der Käufer in letzter Sekunde doch noch abspringt). 6. Vertrag und Abschluss: Holen Sie sich für die Verhand- lungen und das Aufsetzen des Verkaufsvertrags unbedingt fachkundigen Rat von qualifizierten Experten. Nicht immer besitzen Ihr langjähriger Steuerberater und Ihr alteingeses- sener Rechtsanwalt die dafür nötige Kompetenz und Exper- tise. Gehen Sie offen und mit grundsätzlichem Vertrauen, aber nicht blauäugig in die Verkaufsverhandlungen – und behandeln Sie Ihr Gegenüber mit derselben Fairness und Verbindlichkeit, die Sie von ihm erwarten. Lassen Sie sich nicht hetzen, aber trödeln Sie auch nicht. cp/dihk Katharina Hupfer und Matthias Wehrle im Lager von Waschbär in Freiburg. Das Unternehmen haben sie 2017 übernommen. Bild: Maerz

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