Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe September '21 - Hochrhein-Bodensee

7 9 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten Herausforderung Unternehmensnachfolge Das Steuer übernehmen Die Firma zu übergeben, ist für alle Unternehmer eine Herausforderung. Weil sie sich von ihrem Lebenswerk trennen und weil sie jemanden finden müssen, dem sie es vertrauensvoll überlassen können. Das wird nicht nur angesichts des demo- grafischen Wandels immer schwieriger. Wir stellen an drei Beispielen aus der Region verschiedene Facetten der Unternehmensnachfolge vor. M elanie Zabcic räumt die Tische im Gasthof Hecht in Sulz am Neckar ab. Nach und nach leert sich der Gastraum. Der Mittagstisch ist vorbei. Melanie und ihr Bruder Andrej Zabcic können kurz durchatmen, bevor sie den Abendbetrieb vorbe- reiten. Die Wochenkarte für den Mittagstisch verschi- cken sie regelmäßig an Mitarbeiter von Unternehmen und weitere Stammgäste in der Umgebung, die Gäste buchen vorab, das Essen kommt zur gewünschten Zeit auf den Tisch. „Wir sind bekannt für unseren schnellen und schmackhaften Mittagstisch“, sagt Andrej Zabcic. Diese Tradition haben die Geschwister von ihren Eltern übernommen. So wie auch den Gasthof Hecht. Seit Juli führen sie das Haus inklusive Pension in der Kleinstadt im Neckartal gemeinsam – Andrej Zabcic als Inhaber und Chefkoch, seine Schwester als Serviceleiterin. Erstmal zwei Jahre lang auf Probe. So haben sie es mit Dusan und Tina Zabcic vereinbart. Beim Interviewter- min halten sich die ehemaligen Inhaber im Hintergrund, wollen auch nicht mit aufs Foto. So, wie sie auch im Betrieb den Kindern das Steuer überlassen. Zumindest meistens. „Manchmal kommt bei ihnen noch der Chef durch, aber das legt sich immer mehr“, sagt Andrej Zabcic. Dass die Geschwister einmal in die Fußstapfen ihrer El- tern treten würden, war für sie lange unvorstellbar. „Wir haben uns immer gesträubt, weil es so zeitintensiv ist“, sagt Melanie Zabcic. Seit sie denken kann, betrieben die Eltern Restaurants, erst in St. Blasien, dann in Sulz und Umgebung – und seit 2013 den Gasthof Hecht, den sie damals kauften und aufwendig renovierten. Nach einer Ausbildung zur Hotelkauffrau bei Stuttgart arbeitete die 34-Jährige erst in England und Spanien, bevor sie 2013 nach Sulz und zunächst als Teilzeitkraft in den elterlichen Betrieb zurückkehrte. „Ich wollte eigentlich nie wieder zurück nach Sulz“, sagt auch Andrej Zabcic. Nach seiner Zimmererlehre zog der 35-Jährige nach Irland und arbeite dort erst in seinem Beruf, bevor er in einem Hotel anfing, Gefallen an der Arbeit in der Küche fand und eine schulische Bild: Maerz Ausbildung als Koch draufsetzte. In Spanien, Australien, wieder in Irland und zuletzt in Köln hatte er verschiedene leitende Positionen in der Gastronomie inne. Parallel wuchs in beiden Geschwistern der Wunsch, ihre eigenen Chefs zu sein. Als Andrej Zabcics Beziehung in Köln in die Brüche gegangen war und die Eltern wieder einmal die Nachfolge thematisierten, sagten die Geschwister zu. Die drei anderen Schwestern kamen für die Nachfolge nicht infrage – die jüngeren waren in anderen Branchen gelandet und damit zufrieden, und die Älteste wollte die Verantwortung nicht. Sie ist aber eine wertvolle Stütze im Familienbetrieb. Etwa ein Jahr lang dauerte der Übergangsprozess, vom Erstellen des Businessplans über die Bewilligung eines Gründerkredits der L-Bank bis zum Umstellen der Speisekarte. An den großen Fleisch- portionen, die in der Gegend gerne gegessen werden und für die der Hecht bekannt ist, halten die Geschwister fest. Allerdings schafften sie sich eine Fleischklopfmaschine an, da Andrej Zabcic sich nicht vorstellen konnte, wie sein Vater mindestens zwei Stunden am Tag Fleisch zu klopfen. Und Melanie Zabcic, die sich selbst vegan ernährt, erweiterte die Speisekarte um vegetarische und vegane Speisen. „Wir machen vieles effizienter und nachhaltiger und bringen unsere eigene Note mit ein“, sagt sie und be- richtet von weiteren kleinen Veränderungen, angefangen vom digitalen Bestellsystem über weniger Verpackungs- müll bis hin zu Kisten fürs Besteck auf den Tischen, um nicht jeden Platz eindecken zu müssen. Beide sind froh, dass die Eltern nach wie vor im Betrieb mitarbeiten – zu den vier festangestellten Familienmitgliedern kommen 13 Minijobber – und sich unter anderem ums Frühstück für die bis zu einem Dutzend Pensionsgäste kümmern. „Es ist sehr gut angelaufen“, lautet die Bilanz von Mela- nie Zabcic nach den ersten Wochen. „Es ist viel Arbeit, aber das wussten wir.“ Wenn es weiter gut läuft, können sie sich vorstellen, das Haus dauerhaft zu übernehmen. Außerdem würden sie gern weitere Lokalitäten in der Region betreiben und sich irgendwann nur noch ums Organisatorische kümmern. D aniela Hermann, Projektleiterin für Tourismus bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, freut sich, wie gut die Übergabe bei der Familie Zabcic läuft. Denn Gastronomie und Hotelle- rie gehören neben dem Handel zu den Branchen, die es besonders schwierig haben, Nachfolger zu finden, wie sie berichtet. „Momentan stehen allein in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg circa 3.200 Unternehmen zur Nachfolge an. Das entspricht etwa einem Drittel aller Betriebe in den beiden Branchen“, sagt Daniela Hermann. Immer häufiger wollten Kinder den elterlichen Betrieb nicht übernehmen. Sei es, weil sie sich beruflich anders orientieren, oder weil dieser das Familienleben stets bestimmt hat, berichtet sie und verweist gleichzeitig darauf, dass es „in Handel und Gastronomie nach wie vor viele erfolgreiche Übergaben gibt, in denen die Kinder den elterlichen Betrieb fortführen“. Neben der familieninternen Nachfolge gibt es die Möglichkeit, dass externe Manager das Unternehmen erwerben (Management-Buy-in) »Manchmal kommt bei ihnen noch der Chef durch. Aber das legt sich immer mehr« Andrej Zabcic

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