Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe Juli/August '21 - Hochrhein-Bodensee

IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten 7+8 | 2021 Bild: mtreasure - iStock Psychische Probleme bei jungen Erwachsenen Stolperstein Berufseinstieg Psychische Probleme bei jungen Menschen nehmen zu, nicht nur wegen der Coronapande- mie. Gerade am Übergang von der Schule in den Beruf können sie dramatische Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen haben. Dem will das Projekt „Supported Employment and Education“ (SEE) des Zentrums für Psychiatrie (ZfP) Reichen- au entgegenwirken. Es unterstützt 18- bis 25-Jäh- rige mit oder nach psychischen Krisen, damit sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen. M ichael Müller, der im richtigen Leben natürlich anders heißt, ist 23 Jahre alt und wohnt bei seinen Eltern. Seit seinem Hauptschulabschluss hat er keine beruflichen Schritte getan. Er verbringt die meiste Zeit zu Hause mit Computerspielen. Kontakt zu Gleichaltrigen hat er nicht. Er ist kein Einzelfall. „Es gibt viele Stol- persteine beim Eintritt ins Berufsleben“, weiß Daniel Nischk. Der Psychologe leitet das SEE-Projekt am ZfP Reichenau. Er beobachtet, dass psychische Erkrankungen insbesondere dann auftreten, wenn sich Probleme wie soziale Benachteiligung oder Migrationshintergrund häufen. Wobei sich die Fälle quer durch alle Schichten und Bildungs- gruppen verteilen. Die Gründe dafür sieht Nischk etwa in einer zuneh- menden Vereinzelung und darin, dass sich junge Leute immer mehr unter Druck fühlen – von den Anforderungen des Arbeitsmarktes und oft schon in der Schule. Sie sind weniger selbstständig, zugleich ist ihnen Autonomie und Entscheidungsfreiheit aber sehr wichtig und kann sie daran hindern, Hilfe überhaupt anzunehmen. Ein Problem gerade bei jungen Männern. Nischk weiß, wie wichtig das Alter zwischen 20 und 30 Jahren, das sogenannte Adulting, ist. Da passiert viel im Leben. Und eine zentrale Rolle spielt dabei neben der Partnerschaft und der Wohnsituation die Arbeit. Sie hat sogar eine Multiplikatorfunktion, betont Nischk, denn damit wird anderes erst ermöglicht. „Ein beruflicher Abschluss ist die Chance auf ein selbstbestimm- tes Leben“, sagt Susanne Hauk. Die Sozialpädagogin gehört zum vierköpfigen Supported-Employment-Team der ZfP Reichenau und sieht, welche Folgen es haben kann, wenn der Übergang von der Schule in den Beruf holpert: „Manche fallen durch die Maschen des Unterstützungsnetzes.“ Das könne dramatische Folgen haben. Die Arbeitslosenstatistik zeigt, dass die Hälfte der Langzeitarbeitslosen keine abgeschlossene Ausbildung hat. „Die Exklusion, der Umstand, dass man aus dem System fällt, verursacht hohe Kosten. Oft lebens- lang“, betont Hauk. Und zwar sowohl für die Betroffenen als auch für die Allgemeinheit. Dagegen mutet das SEE-Budget sehr bescheiden an: Das Projekt, das zunächst zwei Jahre lief und nun für weitere zwei Jahre verlängert wurde, kostet 170.000 Euro pro Jahr und wird je zur Hälfte vom Europäischen Sozialfonds und vom ZfP Reichenau finanziert. Hauk beobachtet, dass vielen jungen Menschen mit psychi-

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