Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'21 -Südlicher Oberrhein

53 3 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten RECHT PRAXISWISSEN Brexit-Folgen I Das Ende der „Limited“ in Deutschland V or Einführung der Unternehmergesellschaft (haf- tungsbeschränkt) im Jahr 2008 war die englische „Limited“ in Deutschland außerordentlich beliebt, näm- lich immer dann, wenn es darum ging, eine Kapitalgesell- schaft ohne das bei einer GmbH erforderliche Mindest- kapital von 25.000 Euro zu gründen. Auch wenn dieses Modell seit Einführung der Unternehmergesellschaft (UG) an Attraktivität verloren hat, gibt es in den deut- schen Handelsregistern noch immer Tausende Limiteds mit offiziellem Sitz in Großbritannien, aber faktischem Verwaltungssitz in Deutschland. Das wird sich künftig ändern: Seit 1. Januar 2021 ist das Vereinigte Königreich (UK) aus Sicht der EU als Drittland einzustufen. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen dem UK und der EU enthält keine gesellschaftsrechtlichen Er- leichterungen. Das bedeutet faktisch einen harten Brexit im Gesellschaftsrecht und das Ende der in Deutschland ansässigen englischen Limited. Deutsche Gerichte erkennen Gesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten als rechtsfähige und haftungsbe- schränkte Gesellschaften an, unabhängig davon, wo sie schwerpunktmäßig tätig sind. Bei Gesellschaften außer- halb von EU-Mitgliedstaaten, und damit für UK-Gesell- schaften, gilt das nur, wenn sie in ihrem Gründungsstaat (und nicht in Deutschland) ihren faktischen Sitz haben. Die meisten englischen Limiteds in Deutschland sind je- doch nur mit einer Briefkastenadresse im UK vertreten und schließen ihre Geschäfte hier in Deutschland ab. Damit werden diese Gesellschaften seit Jahresbeginn nicht mehr als UK-Gesellschaften anerkannt, sondern als deutsche Gesellschaften betrachtet. Und das hat gravierende Folgen: Die englische Limited wird, weil sie nicht den Formalien einer GmbH oder AG entspricht, nicht mehr als Kapitalgesellschaft anerkannt, sondern als Einzelunternehmen (bei nur einem Gesellschafter), als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB) oder offene Handelsgesellschaft (OHG). In jedem Fall haften die Gesellschafter der Limited nun unbeschränkt und per- sönlich für deren Verbindlichkeiten, und zwar sowohl für Alt- als auch für Neuverbindlichkeiten. Den betroffenen Gesellschaftern einer in Deutschland ansässigen Limited sei daher dringend empfohlen, ver- tragliche und gesellschaftsrechtliche Maßnahmen gegen die drohende Eigenhaftung zu treffen. Dasselbe gilt für Gesellschaften, die – häufig zur Vermeidung einer Ar- beitnehmermitbestimmung - als „Ltd. & Co. KG“ oder als „plc & Co. KG“ organisiert sind. Hier bietet es sich an, die UK-Gesellschaft durch eine österreichische GmbH zu ersetzen. Auch dann bleibt es beim Status quo: Auf- rechterhaltung der Haf- tungsbeschränkung und Vermeidung der Arbeit- nehmermitbestimmung. Barbara Mayer Friedrich Graf von Westphalen & Partner Brexit-Folgen II Präferenzen und Ursprungskalkulation S eit 1. Januar ist das Vereinigte Königreich (UK) aus Sicht der EU ein Drittland. EU und UK hatten jedoch kurz vor Weihnachten einem Handels- und Kooperati- onsabkommen zugestimmt, mit dem auch zollrechtliche Besonderheiten einhergehen. Die wesentlichen Auswir- kungen sind: Vom Anwendungsbereich des – nur vorläu- fig geltenden – Freihandelsabkommens ist der Handel zwischen Nordirland und der EU nicht erfasst. Dieser gilt nach dem Nordirland-Protokoll weiterhin als Waren- verkehr innerhalb der EU. Das Freihandelsabkommen schafft keine zollrechtlichen Erleichterungen für den Warenverkehr zwischen der EU und anderen Staaten, mit denen ein Präferenzabkommen besteht. Unternehmen, die für ihre Ware Vormaterialien oder Leistungen aus UK beziehen, müssen daher ihre Ursprungskalkulationen überprüfen. Denn UK-Vormaterialien begründen nun kei- nen EU-Ursprung mehr, was bei internationalen Im- und Exporten Probleme bereiten kann und teilweise auch zur Anpassung von Produktlabels führen wird. In dem Freihandelsabkommen sind außerdem Regelun- gen zum präferenziellen Warenverkehr mit Ursprungs- erzeugnissen aufgenommen worden. Für Ware mit Präferenzursprung im UK oder in der EU gilt eine Zoll- pflichtbefreiung. Diese kann beim Zoll beantragt werden; für dafür erforderliche Ursprungsnachweise werden Aus- führer je nach Einzelfall auch auf Lieferantenerklärungen zurückgreifen müssen. Lieferantenerklärungen müssen aber grundsätzlich bestimmte Anforderungen des Frei- handelsabkommens erfüllen. Diese Anforderungen sind aufgrund einer Übergangsphase erst ab 2022 erforder- lich und müssen spätestens dann übergeben werden. Zu empfehlen ist, dass der Ausführer mit dem Lieferanten hierzu (auch ohne Brexit dringend anzuratende) vertragli- che Regelungen trifft, um seine zollrechtlichen Pflichten erfüllen zu können. Jan Henning Martens Friedrich Graf von Westphalen & Partner Gesellschafter sollten Maßnahmen gegen die drohende Eigenhaftung treffen Vormaterialien aus dem Vereinigten Königreich begründen keinen EU-Ursprung mehr Bild: Jobalou - iStock

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