Wirtschaft im Südwesten - Ausgabe März'21 -Südlicher Oberrhein

39 3 | 2021 IHK-Zeitschrift Wirtschaft im Südwesten „möglichst gewebeähnlich anzuordnen“, wie Koltay sagt – damit sie sich dann auch möglichst so wie natürliches Gewebe verhalten und entwickeln. Ein Beispiel dafür ist der Druck von lebendem, durch- blutetem Knochengewebe, erklärt Koltay. So sei es im Projekt gelungen, spezielle Strukturen aus Hydrogelen, menschlichen Stammzellen aus dem Fettgewebe und Endothelzellen zu drucken. Während die Stammzellen sich anschließend zu Knochenzellen weiterentwickel- ten, bildeten die Strukturen der Endothelzellen Blutge- fäße aus. „Man druckt also keinen fertigen Knochen, sondern künstliches Gewebe, das dann im Körper zu einem regenerierenden Effekt führen soll“, sagt Kol- tay. Erste Tierversuche mit Mäusen hätten gezeigt, dass die Zellen in deren Körpern tatsächlich anfangen, zu verknöchern und Gefäße sich an den Blutkreislauf anschließen. Für solche Strukturen aus mehreren Materialien braucht es verschiedene Druckverfahren; oft werden zusätzlich noch Gerüststrukturen aus bio- kompatiblen Kunststoffen mitgedruckt. Der Bioprinter- Prototyp des Projekts ist deshalb ein sogenannter Hy- briddrucker mit fünf unterschiedlichen Kanälen. Die Druckertechnik wurde wesentlich entwickelt von der Freiburger Biofluidix GmbH, die 2005 als Ausgrün- dung aus der Uni Freiburg entstand. Das Unternehmen ist spezialisiert auf „hochpräzise Feindosierung“, wie es Geschäftsführer Andreas Ernst beschreibt, inklusive Automatisierungstechnologien und Sensorik. Das habe man in das Projekt einbringen und gleichzeitig das eigene Portfolio „strategisch in Richtung Biodruck“ weiterentwi- ckeln können. Sein Unternehmen habe ein langfristiges Interesse an dem „sehr spannenden und immer noch neuen Bereich“. Biofluidix hat gut 20 Mitarbeiter auf 15 Vollzeitstellen, der Jahresumsatz lag 2019 bei rund 1,5 Millionen Euro. Für ein kleines Unternehmen, sagt Ernst, sei das gemeinsame, öffentlich geförderte For- schungsprojekt von Vorteil gewesen, weil es das Thema möglichst breit abdeckte: „Das hätten wir nicht alles selbst stemmen können.“ So floss nicht nur medizini- sches Wissen der Uniklinik Freiburg mit ein, sondern zum Beispiel auch die Recherche der hohen regulatorischen Anforderungen für mögliche medizinische Anwendun- gen, um die sich die Freiburger Cell Genix GmbH küm- merte. Oder die Entwicklung einer Softwareplattform durch die Infoteam Software AG aus dem fränkischen Bubenreuth. Oder die Expertise des Kunststoff-Instituts Südwest in Villingen-Schwenningen. „Die Partner in dem Projekt sind komplementär aufge- stellt, sodass sie sich nicht ins Gehege kommen“, sagt Koltay, „aber alle haben ein gemeinsames, echtes Inte- resse an der innovativen Technologie und dem Markt- bereich – das ist wichtig.“ Der Verbund Microtec Süd- west hat bereits beim Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundeswirtschaftsministeriums ein sogenanntes Innovationsnetzwerk beantragt – als Fortsetzung des jetzt abgeschlossenen Projekts. Kol- tay hofft, dass sich ein dauerhafter Verbund von Un- ternehmen und Forschungseinrichtungen zum Thema Bioprinting bildet: „Freiburg ist ein sehr guter Ort für so etwas.“ Thomas Goebel HINTERGRUND Das Projekt 3D-Bio-Net wurde von 2017 bis 2020 vom Bundes- ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in der Initiative KMU-NetC gefördet. Diese unterstützt Forschungs- und Entwick- lungsvorhaben von kleinen und mittleren Unternehmen in regi- onalen Netzwerken und Clustern. Die beteiligten Partner sind: Biofluidix GmbH, Freiburg (Hardwareentwicklung), Cell Genix GmbH, Freiburg (regulatorische Anforderungen), Ibidi GmbH, Gräfelfing (Perfusionsplattform und mikrofluidische Chips), Infoteam Software AG, Bubenreuth (Softwareentwicklung), Kunststoff-Institut Südwest, Villingen-Schwenningen (Charak- terisierung von Kunststoffen), VasQlab am Karlsruher Institut für Technologie KIT (Biotinten), Institut für Mikrosystemtechnik IMTEK der Universität Freiburg, (Prozessentwicklung), Klinik für Plastische und Handchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg (Gewebekonstrukte Knochen und Knorpel) und das Naturwis- senschaftliche und Medizinische Institut NMI an der Universität Tübingen („Organ-on-Chip“-Anwendungen). Der Spitzencluster Microtec Südwest koordinierte das Projekt. thg

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